1006 Befragte

Bitkom-Studie: Angst vor Mobilfunk weit verbreitet

Die Angst vor Mobil­funk geht um. Wer das Wort "5G" ausspricht, löst myste­riöse Krank­heiten aus. Über­trieben? Offenbar nicht, wenn man sich die neueste Studie des Bitkom anschaut.
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Ein Ingenieur des TÜV misst von Mobilfunkmasten (im Hintergrund) ausgehende Strahlung, die in Deutschland weit unter den Grenzwerten liegt. Ein Ingenieur des TÜV misst von Mobilfunkmasten (im Hintergrund) ausgehende Strahlung, die in Deutschland weit unter den Grenzwerten liegt.
Foto: Picture Alliance / dpa
Viel­leicht haben Sie davon gelesen, dass in Groß­bri­tan­nien mehrere Mobil­funk­masten ange­zündet wurden, weil die Brand­stifter allen Ernstes glauben, dass Covid-19 durch Mobil­funk ausge­löst würde, genauer gesagt, durch das Kürzel "5G". Darüber mag man den Kopf schüt­teln, aber der Bran­chen­ver­band Bitkom hat eine Umfrage veröf­fent­licht, die einen fast verzwei­feln lassen könnte.

German Angst

Ein Ingenieur des TÜV misst von Mobilfunkmasten (im Hintergrund) ausgehende Strahlung, die in Deutschland weit unter den Grenzwerten liegt. Ein Ingenieur des TÜV misst von Mobilfunkmasten (im Hintergrund) ausgehende Strahlung, die in Deutschland weit unter den Grenzwerten liegt.
Foto: Picture Alliance / dpa
Konkret: In großen Teilen der Bevöl­ke­rung gebe es Ängste vor Mobil­funk­masten. Jeweils fast jeder Zweite „fürchtet“ Funk­masten als Quelle elek­tro­ma­gne­ti­scher Strah­lung und wolle sofort eine Bürger­initia­tive gründen, wenn in der Nähe seines Wohn­sitzes eine solche Anlage errichtet würde. Das sind die Ergeb­nisse einer reprä­sen­ta­tiven Befra­gung von mehr als 1000 Bundes­bür­gern ab 16 Jahren im Auftrag des Digi­tal­ver­bands Bitkom.

Die wirre Logik der Beden­ken­träger zeigt aber auch, dass 86 Prozent der Deut­schen ab 16 Jahren schon ein Handy oder ein Smart­phone nutzen, aktuell sind 143 Millionen SIM-Karten frei­ge­schaltet, das sind im Schnitt 1,7 pro Einwohner (dafür gibt es sicher Menschen, die 3,4 oder 5 oder noch mehr Karten akti­viert und Menschen die nur eine oder sogar keine Karte haben).

Gesell­schaft gespalten

Dennoch ist die Bevöl­ke­rung beim Aufbau weiterer Masten gespalten: Während sich die eine Hälfte (48 Prozent) für die Errich­tung von Funk­masten ausspricht, sind ebenso viele (48 Prozent) dagegen. Viele machen sich nach den Ergeb­nissen der Studie Sorgen um die Gesund­heit.

Knapp jeder Zweite (45 Prozent) fürchtet elek­tro­ma­gne­ti­sche Felder von Funk­masten. Entspre­chende Sorgen erzeugen aller­dings auch andere Geräte. So fürchtet sich jeder Vierte vor einer Mikro­welle (27 Prozent) bezie­hungs­weise vor Elek­tro­in­stal­la­tionen im Haus­halt (24 Prozent). Kurio­ser­weise machen Sicher­heits­schleusen am Flug­hafen nur jedem Achten Angst (12 Prozent). Dagegen sagen ledig­lich 18 Prozent, gene­rell keine elek­tro­ma­gne­ti­sche Strah­lung zu fürchten.

Mit elek­tro­ma­gne­ti­scher Strah­lung beschäf­tigt

Der Präsident des Branchenverbandes Bitkom, Achim Berg. Der Präsident des Branchenverbandes Bitkom, Achim Berg.
Foto: Bitkom
Das Thema treibe die Mehr­heit um, hat der Bitkom heraus­ge­funden: 46 Prozent erklären, sich mit elek­tro­ma­gne­ti­scher Strah­lung bereits beschäf­tigt zu haben, weitere 22 Prozent sagen, sie hätten sich intensiv damit beschäf­tigt. Drei von zehn (28 Prozent) haben sich noch nicht damit ausein­an­der­ge­setzt.

„Die Diskus­sion über vermeint­liche Gesund­heits­schäden ist so alt wie die ersten Handys. In Deutsch­land werden seit 35 Jahren Mobil­funk­netze betrieben“, sagt Bitkom-Präsi­dent Achim Berg. „Die diffusen Ängste vor Gesund­heits­schäden kommen mit jeder neuen Mobil­funk­ge­nera­tion wieder auf. Dabei haben welt­weit Tausende wissen­schaft­liche Studien gezeigt, dass unter­halb der gültigen Grenz­werte keinerlei Gesund­heits­ge­fahr besteht.“

Dennoch: Der Bitkom fordert eine Inten­si­vie­rung der Infor­ma­ti­ons­kam­pagne für den Ausbau des Mobil­funk­netzes. „Die Menschen müssen in die Lage versetzt werden, sich ein eigenes Bild über die Wirkungen von Mobil­funk zu machen. Nicht nur in Deutsch­land gehen zu viele Verbrau­cher den Verschwö­rungs­theo­re­ti­kern auf den Leim.“

Will jeder Zweite protes­tieren?

Vieler­orts stoßen Mobil­funk­un­ter­nehmen beim Ausbau des Netzes auf Wider­stand – das spie­gelt sich auch in den Umfra­ge­er­geb­nissen. Nahezu jeder Zweite (43 Prozent) will einen Bürger­pro­test starten, wenn in seiner Nähe Funk­masten errichtet werden sollten. Fast genauso viele (42 Prozent) erklären, aus ihrer Wohnung ausziehen zu wollen, wenn der Vermieter eine Funk­an­tenne am Haus anbringen ließe. Jeder Fünfte (22 Prozent) befür­wortet zwar den Mobil­funk­ausbau, möchte aber keinen Funk­masten in der Nähe der Wohnung oder des Grund­stücks wissen. Demge­gen­über wäre immerhin jeder Dritte (33 Prozent) bereit, einen Teil seines Eigen­tums – ob Haus oder Grund­stück – für den Mobil­funk­ausbau zur Verfü­gung zu stellen. „Die Menschen wollen die besten, schnellsten und sichersten Netze. Aber wenn es darum geht, Funk­masten aufzu­stellen, machen viele die Luken dicht“, sagt Berg.

Pflicht zum Netz­ausbau, auch wenn Anwohner "Angst" haben?

Aktuell sind die Netz­be­treiber in der Pflicht, den Ausbau der fünften Genera­tion des Mobil­funks voran­zu­treiben. „Der neue 5G-Mobil­funk­stan­dard ist ein Para­dig­men­wechsel in der Mobil­funk- und Netz­tech­no­logie und bildet die Grund­lage der vernetzten Wirt­schaft und Gesell­schaft. Es geht jetzt darum, beim Internet of Things zu den inter­na­tio­nalen Vorrei­tern zu gehören. Dafür brau­chen wir mehr Verständnis für den Mobil­funk­ausbau. Unwissen erzeugt Angst, Wissen schafft Vertrauen.“ sagt Achim Berg.

Vorschläge für mehr Akzep­tanz

Um das Wissen über den Mobil­funk­ausbau in der Bevöl­ke­rung zu stei­gern, schlägt Bitkom folgende Maßnahmen vor:

  • So soll die Mobil­funk­ver­ein­ba­rung zwischen Kommunen und Netz­be­trei­bern als koope­ra­tiver Ansatz und profes­sio­neller Dialog fort­ge­setzt werden.
  • Es brauche eine klar verständ­liche und breit getra­gene Darstel­lung der Fakten­lage. Hierfür seien öffent­lich­keits­wirk­same Veran­stal­tungs­for­mate wie gemein­same Fakten­klä­rungs­pro­zesse und eine wissen­schaft­liche Beglei­tung ebenso entschei­dende Faktoren wie die bürger­nahe kommu­ni­ka­tive Aufar­bei­tung. Eine Bünde­lung der diversen Ange­bote für fakten­ba­sierte Infor­ma­tionen zum Mobil­funk im Internet, zum Beispiel auf einer gemein­samen Platt­form von Bund, Ländern und Kommu­nalen Spit­zen­ver­bänden, wäre sinn­voll, findet Bitkom.
  • Unter der Regie der Bundes­re­gie­rung sollte eine breite Kommu­ni­ka­ti­ons­kam­pagne gestartet werden, um die Menschen in allen Regionen zu errei­chen und um unse­riösen Quellen mit fakten­ba­sierten Infor­ma­tionen entge­gen­zu­treten. Der Bitkom begrüße, dass die Bundes­re­gie­rung dazu bereits eine Initia­tive ange­stoßen habe.
  • Vor Ort gelte es, früh­zeitig koope­ra­tive Lösungen rund um neue Mast­stand­orte zu finden und in einen profes­sio­nell geführten Dialog mit den Kräften vor Ort einzu­treten.

Bitkom Rese­arch hatte im Auftrag des Digi­tal­ver­band Bitkom eine Umfrage durch­ge­führt. Dabei wurden 1006 Personen ab 16 Jahren tele­fo­nisch befragt. Die Umfrage gilt damit als "reprä­sen­tativ".

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Wenn offi­zi­elle Stellen etwas für "unbe­denk­lich" erklären, kann das bei der Bevöl­ke­rung leicht ins Gegen­teil umschlagen, sie "fürchten" dann, dass es viel­leicht doch nicht so "unbe­denk­lich" wäre, sonst würde "der Staat" ja nicht so eine Reklame machen. Doch das ist viel zu kurz und falsch gedacht.

Welche schlauen Lösungen könnte es geben?

Sollen an allen Orts­ein­fahrten, wo es wegen "Bedenken" kein Netz gibt, große Warn­ta­feln aufge­stellt werden, die vor dem Befahren oder Betreten dieses Ortes warnen, weil im Ernst­fall keine schnelle Hilfe herbei­ge­holt oder kein Kontakt zu Arbeit, Familie, Freunden gehalten werden kann?

Müssen nicht in den Kinder­gärten und Schulen schon die tech­ni­schen Grund­lagen des Mobil­funks vermit­telt werden, so dass es jeder versteht? Bitte keine Diskus­sionen über dBm oder SAR-Werte, sondern einfache, leicht verständ­liche Vergleiche beispiels­weise zwischen einem glei­ßend hellen und blen­denden Film­schein­werfer und einer kleinen Taschen­lampe.

Es treten heut­zu­tage immer mehr Phäno­mene auf, die wir nicht spüren, fühlen, sehen können. Da steht eine Antenne in der Land­schaft und über­trägt unsichtbar Infor­ma­tionen und Signale zu meinem Handy? Ist das Zauberei?

War es vor Jahren die Radio­ak­ti­vität eines außer Kontrolle gera­tenen Atom­un­falls in der heutigen Ukraine, ist es heute der merk­wür­dige SARS-CoV2 Virus, für den bis heute nicht genü­gend oder nicht einfach genug zu hand­ha­bende Tests gibt? Die einen spüren ihn über­haupt nicht, die anderen liegen 2-3 Tage auf der Nase, wenige müssen in einer Klinik künst­lich beatmet werden, um das zu über­leben.

Wenn auf einer einsamen Land­straße ein Mensch verun­glückt, dem nicht recht­zeitig geholfen werden kann, weil es dort kein Netz gibt, wollen dann die Beden­ken­träger dafür die Verant­wor­tung über­nehmen?

Mehr Ästhetik?

Und an die Netz­be­treiber sollte man die Frage richten: Könnte man nicht auch Spezia­listen für Ästhetik mit ins Boot holen? Mancher Anten­nen­turm sieht schon irgendwie "unheim­lich" aus, wenn man sich mit der Technik nicht bis ins Details auskennt. "Unsicht­bare" Antennen hingegen lösen keine Bedenken aus. Viel­leicht brau­chen wir einfach viel viel mehr kleine, möglichst unschein­bare Antennen. Dann könnten die Sende­leis­tungen noch weiter redu­ziert werden und das Netz - genauer die Abde­ckung würden auch noch viel besser.

Wer seine Handy­ruf­nummer zu einem neuen Anbieter mitnehmen möchte, wird jetzt nicht mehr mit bis zu 30 Euro pro Vorgang "bestraft", sondern muss nur noch maximal einmalig 6,82 Euro bezahlen.

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