Bitkom-Studie: Angst vor Mobilfunk weit verbreitet
Ein Ingenieur des TÜV misst von Mobilfunkmasten (im Hintergrund) ausgehende Strahlung, die in Deutschland weit unter den Grenzwerten liegt.
Foto: Picture Alliance / dpa
Vielleicht haben Sie davon gelesen, dass in Großbritannien mehrere Mobilfunkmasten angezündet wurden, weil die Brandstifter allen Ernstes glauben, dass Covid-19 durch Mobilfunk ausgelöst würde, genauer gesagt, durch das Kürzel "5G". Darüber mag man den Kopf schütteln, aber der Branchenverband Bitkom hat eine Umfrage veröffentlicht, die einen fast verzweifeln lassen könnte.
German Angst
Ein Ingenieur des TÜV misst von Mobilfunkmasten (im Hintergrund) ausgehende Strahlung, die in Deutschland weit unter den Grenzwerten liegt.
Foto: Picture Alliance / dpa
Konkret: In großen Teilen der Bevölkerung gebe es Ängste vor Mobilfunkmasten. Jeweils fast jeder Zweite „fürchtet“ Funkmasten als Quelle elektromagnetischer Strahlung und wolle sofort eine Bürgerinitiative gründen, wenn in der Nähe seines Wohnsitzes eine solche Anlage errichtet würde. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von mehr als 1000 Bundesbürgern ab 16 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.
Die wirre Logik der Bedenkenträger zeigt aber auch, dass 86 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren schon ein Handy oder ein Smartphone nutzen, aktuell sind 143 Millionen SIM-Karten freigeschaltet, das sind im Schnitt 1,7 pro Einwohner (dafür gibt es sicher Menschen, die 3,4 oder 5 oder noch mehr Karten aktiviert und Menschen die nur eine oder sogar keine Karte haben).
Gesellschaft gespalten
Dennoch ist die Bevölkerung beim Aufbau weiterer Masten gespalten: Während sich die eine Hälfte (48 Prozent) für die Errichtung von Funkmasten ausspricht, sind ebenso viele (48 Prozent) dagegen. Viele machen sich nach den Ergebnissen der Studie Sorgen um die Gesundheit.
Knapp jeder Zweite (45 Prozent) fürchtet elektromagnetische Felder von Funkmasten. Entsprechende Sorgen erzeugen allerdings auch andere Geräte. So fürchtet sich jeder Vierte vor einer Mikrowelle (27 Prozent) beziehungsweise vor Elektroinstallationen im Haushalt (24 Prozent). Kurioserweise machen Sicherheitsschleusen am Flughafen nur jedem Achten Angst (12 Prozent). Dagegen sagen lediglich 18 Prozent, generell keine elektromagnetische Strahlung zu fürchten.
Mit elektromagnetischer Strahlung beschäftigt
Der Präsident des Branchenverbandes Bitkom, Achim Berg.
Foto: Bitkom
Das Thema treibe die Mehrheit um, hat der Bitkom herausgefunden: 46 Prozent erklären, sich mit elektromagnetischer Strahlung bereits beschäftigt zu haben, weitere 22 Prozent sagen, sie hätten sich intensiv damit beschäftigt. Drei von zehn (28 Prozent) haben sich noch nicht damit auseinandergesetzt.
„Die Diskussion über vermeintliche Gesundheitsschäden ist so alt wie die ersten Handys. In Deutschland werden seit 35 Jahren Mobilfunknetze betrieben“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Die diffusen Ängste vor Gesundheitsschäden kommen mit jeder neuen Mobilfunkgeneration wieder auf. Dabei haben weltweit Tausende wissenschaftliche Studien gezeigt, dass unterhalb der gültigen Grenzwerte keinerlei Gesundheitsgefahr besteht.“
Dennoch: Der Bitkom fordert eine Intensivierung der Informationskampagne für den Ausbau des Mobilfunknetzes. „Die Menschen müssen in die Lage versetzt werden, sich ein eigenes Bild über die Wirkungen von Mobilfunk zu machen. Nicht nur in Deutschland gehen zu viele Verbraucher den Verschwörungstheoretikern auf den Leim.“
Will jeder Zweite protestieren?
Vielerorts stoßen Mobilfunkunternehmen beim Ausbau des Netzes auf Widerstand – das spiegelt sich auch in den Umfrageergebnissen. Nahezu jeder Zweite (43 Prozent) will einen Bürgerprotest starten, wenn in seiner Nähe Funkmasten errichtet werden sollten. Fast genauso viele (42 Prozent) erklären, aus ihrer Wohnung ausziehen zu wollen, wenn der Vermieter eine Funkantenne am Haus anbringen ließe. Jeder Fünfte (22 Prozent) befürwortet zwar den Mobilfunkausbau, möchte aber keinen Funkmasten in der Nähe der Wohnung oder des Grundstücks wissen. Demgegenüber wäre immerhin jeder Dritte (33 Prozent) bereit, einen Teil seines Eigentums – ob Haus oder Grundstück – für den Mobilfunkausbau zur Verfügung zu stellen. „Die Menschen wollen die besten, schnellsten und sichersten Netze. Aber wenn es darum geht, Funkmasten aufzustellen, machen viele die Luken dicht“, sagt Berg.
Pflicht zum Netzausbau, auch wenn Anwohner "Angst" haben?
Aktuell sind die Netzbetreiber in der Pflicht, den Ausbau der fünften Generation des Mobilfunks voranzutreiben. „Der neue 5G-Mobilfunkstandard ist ein Paradigmenwechsel in der Mobilfunk- und Netztechnologie und bildet die Grundlage der vernetzten Wirtschaft und Gesellschaft. Es geht jetzt darum, beim Internet of Things zu den internationalen Vorreitern zu gehören. Dafür brauchen wir mehr Verständnis für den Mobilfunkausbau. Unwissen erzeugt Angst, Wissen schafft Vertrauen.“ sagt Achim Berg.
Vorschläge für mehr Akzeptanz
Um das Wissen über den Mobilfunkausbau in der Bevölkerung zu steigern, schlägt Bitkom folgende Maßnahmen vor:
- So soll die Mobilfunkvereinbarung zwischen Kommunen und Netzbetreibern als kooperativer Ansatz und professioneller Dialog fortgesetzt werden.
- Es brauche eine klar verständliche und breit getragene Darstellung der Faktenlage. Hierfür seien öffentlichkeitswirksame Veranstaltungsformate wie gemeinsame Faktenklärungsprozesse und eine wissenschaftliche Begleitung ebenso entscheidende Faktoren wie die bürgernahe kommunikative Aufarbeitung. Eine Bündelung der diversen Angebote für faktenbasierte Informationen zum Mobilfunk im Internet, zum Beispiel auf einer gemeinsamen Plattform von Bund, Ländern und Kommunalen Spitzenverbänden, wäre sinnvoll, findet Bitkom.
- Unter der Regie der Bundesregierung sollte eine breite Kommunikationskampagne gestartet werden, um die Menschen in allen Regionen zu erreichen und um unseriösen Quellen mit faktenbasierten Informationen entgegenzutreten. Der Bitkom begrüße, dass die Bundesregierung dazu bereits eine Initiative angestoßen habe.
- Vor Ort gelte es, frühzeitig kooperative Lösungen rund um neue Maststandorte zu finden und in einen professionell geführten Dialog mit den Kräften vor Ort einzutreten.
Bitkom Research hatte im Auftrag des Digitalverband Bitkom eine Umfrage durchgeführt. Dabei wurden 1006 Personen ab 16 Jahren telefonisch befragt. Die Umfrage gilt damit als "repräsentativ".
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Wenn offizielle Stellen etwas für "unbedenklich" erklären, kann das bei der Bevölkerung leicht ins Gegenteil umschlagen, sie "fürchten" dann, dass es vielleicht doch nicht so "unbedenklich" wäre, sonst würde "der Staat" ja nicht so eine Reklame machen. Doch das ist viel zu kurz und falsch gedacht.
Welche schlauen Lösungen könnte es geben?
Sollen an allen Ortseinfahrten, wo es wegen "Bedenken" kein Netz gibt, große Warntafeln aufgestellt werden, die vor dem Befahren oder Betreten dieses Ortes warnen, weil im Ernstfall keine schnelle Hilfe herbeigeholt oder kein Kontakt zu Arbeit, Familie, Freunden gehalten werden kann?
Müssen nicht in den Kindergärten und Schulen schon die technischen Grundlagen des Mobilfunks vermittelt werden, so dass es jeder versteht? Bitte keine Diskussionen über dBm oder SAR-Werte, sondern einfache, leicht verständliche Vergleiche beispielsweise zwischen einem gleißend hellen und blendenden Filmscheinwerfer und einer kleinen Taschenlampe.
Es treten heutzutage immer mehr Phänomene auf, die wir nicht spüren, fühlen, sehen können. Da steht eine Antenne in der Landschaft und überträgt unsichtbar Informationen und Signale zu meinem Handy? Ist das Zauberei?
War es vor Jahren die Radioaktivität eines außer Kontrolle geratenen Atomunfalls in der heutigen Ukraine, ist es heute der merkwürdige SARS-CoV2 Virus, für den bis heute nicht genügend oder nicht einfach genug zu handhabende Tests gibt? Die einen spüren ihn überhaupt nicht, die anderen liegen 2-3 Tage auf der Nase, wenige müssen in einer Klinik künstlich beatmet werden, um das zu überleben.
Wenn auf einer einsamen Landstraße ein Mensch verunglückt, dem nicht rechtzeitig geholfen werden kann, weil es dort kein Netz gibt, wollen dann die Bedenkenträger dafür die Verantwortung übernehmen?
Mehr Ästhetik?
Und an die Netzbetreiber sollte man die Frage richten: Könnte man nicht auch Spezialisten für Ästhetik mit ins Boot holen? Mancher Antennenturm sieht schon irgendwie "unheimlich" aus, wenn man sich mit der Technik nicht bis ins Details auskennt. "Unsichtbare" Antennen hingegen lösen keine Bedenken aus. Vielleicht brauchen wir einfach viel viel mehr kleine, möglichst unscheinbare Antennen. Dann könnten die Sendeleistungen noch weiter reduziert werden und das Netz - genauer die Abdeckung würden auch noch viel besser.
Wer seine Handyrufnummer zu einem neuen Anbieter mitnehmen möchte, wird jetzt nicht mehr mit bis zu 30 Euro pro Vorgang "bestraft", sondern muss nur noch maximal einmalig 6,82 Euro bezahlen.