Angst

VATM befürchtet falsche Glasfaser-Ausbauförderung

Der Inter­essen­ver­band VATM fürchtet, dass zu viele Förder­mittel in den Ausbau von Regionen gesteckt werden könnten, wo es eigen­wirt­schaft­lich besser ginge. Bürger kriti­sieren den chao­tischen Netz­ausbau.
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Die neue Regie­rung ist 100 Tage im Amt. Das Wort "Digi­tali­sie­rung" kommt zigmal im Koali­tions­ver­trag vor. Dann wäre doch alles in Butter?

VATM fordert neues Förder­kon­zept

Offenbar nicht. Der Verband der Anbieter von Tele­kom­muni­kations- und Mehr­wert­dienst­leis­tungen (VATM) sieht den Glas­faser­ausbau in Gefahr: Deutsch­land brauche ein "neues smartes Förder­kon­zept" und fordert, "KI-gestützte Poten­zial­ana­lysen statt lang­samer und teurer Förder­büro­kratie" einzu­setzen.

"Wir können den beschleu­nigten Glas­faser­ausbau und die Gigabit-Versor­gung in Deutsch­land nicht bis zum Jahr 2030 schaffen, wenn es nicht gelingt, Förder­ver­fahren auf die Gebiete zu begrenzen, in denen voraus­sehbar kein eigen­wirt­schaft­licher Ausbau möglich sein wird. Die neue Bundes­regie­rung muss das im Koali­tions­ver­trag gesetzte Ziel, den Vorrang des schnellen eigen­wirt­schaft­lichen Ausbaus, unbe­dingt einhalten“, kriti­siert VATM-Präsi­dent David Zimmer. Zimmer hatte zuvor den Glas­faser­netz­anbie­ters inexio (heute im Verbund mit Deut­sche Glas­faser) gegründet.

KI-gestützte Poten­zial­ana­lysen

Um endlich schneller zu werden, müssten "KI-gestützte Poten­zial­ana­lysen" den Markt­erkun­dungs- und Förder­ver­fahren vorge­schaltet werden, findet Zimmer. Die würden "auf Knopf­druck" zeigen, wo sich der Ausbau lohne und wo Förde­rung erfor­der­lich wäre. Gäbe es wider Erwarten keine Ange­bote, könnten dort für diese Gebiete Markt­erkun­dungs- und Förder­ver­fahren durch­geführt werden.

Damit könne leicht ermit­telt werden, ob die jewei­ligen Gebiete eigen­wirt­schaft­lich ausge­baut werden können und wo genau Förde­rung erfor­der­lich sein werde. Das alte "Förder­regime" sei aus Sicht des VATM "defi­nitiv nicht in der Lage, mittel­fristig die eigen­wirt­schaft­lich ausbau­baren Gebiete von solchen mit Förder­bedarf zu unter­scheiden."

40 Milli­arden für den Ausbau

Neue private Glasfaser-Anbieter stiften viel Verwirrung und frustrieren die Bürger. Der VATM fürchtet falsche Förderung. Neue private Glasfaser-Anbieter stiften viel Verwirrung und frustrieren die Bürger. Der VATM fürchtet falsche Förderung.
Foto: Picture Alliance / dpa
Mehr als 40 Milli­arden Euro sollen für privat­wirt­schaft­liche Inves­titionen in den Glas­faser­ausbau zur Verfü­gung stehen. Das soll insbe­son­dere für den länd­lichen Raum sein. Es wäre eine völlig verän­derte Situa­tion im Vergleich zu der vor zwei, drei Jahren. Zimmer fürchtet: „Diese Inves­titionen in den Glas­faser­ausbau über­wie­gend im länd­lichen Bereich stehen auf dem Spiel! Die Beschleu­nigung des Ausbaus wird schei­tern, Baukosten werden steigen und eigen­wirt­schaft­lich mögli­cher Ausbau wird durch vorei­lige Förde­rung unmög­lich gemacht.“

Das Projekt der Bundes­regie­rung drohe gerade aufgrund der ableh­nenden Haltung einiger Länder zu schei­tern. Die Unter­nehmen hätten Verständnis dafür, dass die Bundes­länder Planungs­sicher­heit wünschen, die Poten­zial­ana­lyse erlaube einen regel­mäßigen Abgleich mit den Ausbau­plänen der Unter­nehmen.

Förder- und Steu­ermittel sollten "auf das wirk­lich notwen­dige Maß beschränkt" werden, sonst würde sich die Gigabit-Versor­gung um Jahre verzö­gert“, unter­streicht der VATM-Präsi­dent.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Es braucht keine KI, sondern gesunden Menschen­ver­stand. Es ist absurd, wenn beispiels­weise in Hessen drei Vertreter konkur­rie­render Firmen durch das gleiche Dorf marschieren und den Bürgern Glas­faser-Anschlüsse verkaufen wollen, von denen vorher schon absehbar ist, dass zwei dieser drei Anbieter das niemals schaffen werden.

Es hätte eine bundes­weite Ausschrei­bung in Parzellen gebraucht, wo ein Aufsichts­gre­mium für eine gesunde Durch­mischung von schlechten und guten Risiken hätte sorgen müssen. Aber das sei - so versi­chern mir Fach­leute - jetzt viel zu spät.

Schade. Mit einem Master-Ausbau­plan wäre klar gewesen, welche Firma wann und wo auszu­bauen hat, damit das Land endlich voran kommt. Dabei hätten abge­legene Regionen sicher bevor­zugt werden müssen.

Die ausbau­enden Firmen müssten von vorne­herein zu klaren Aussagen gezwungen werden, wann wo was passiert und vor allen Dingen zu sofor­tigen Rück­mel­dungen, warum und wo etwas nicht passiert.

Beschwerden nehmen zu

Die Beschwerden von Bürger­meis­tern, Gemein­deräten oder künf­tigen Kunden werden täglich länger. Da werden Gräben aufge­rissen und viel­leicht auch Leitungen gezogen, da bleiben zerstörte Straßen zurück. Keiner weiß genau, wer wo was wann baut und wann wo was funk­tio­nieren wird. Die Bürger sind genervt. In diesem Zusam­men­hang tauchen die Firmen­namen "Deut­sche Glas­faser" und "Inexio" öfters auf.

Open Access durch­setzen

Alle ausbau­enden Firmen müssten von vorne­herein gezwungen werden, ihre Glas­fasern von Anfang an allen anderen TK-Anbie­tern im Land zu öffnen. Viele möchten liebend gerne in ihrem Gebiet "exklusiv" bleiben.

Es gibt viel zu wenige Gegen­bei­spiele, wo Open Access kein leeres Schlag­wort ist.

Frust mit Glas­faser?

Und es gibt bereits Kunden, die schweren Herzens ihren Glas­faser­anschluss wieder aufgeben und zurück zur Kupfer wech­seln, weil viele neue Glas­faser-Anbieter, deren Namen vor Wochen noch niemand kannte, ihre Aufgaben nicht bewäl­tigt bekommen oder bei Kunden­beschwerden wegen Nicht- oder Fehl­funk­tion des Netzes völlig hilflos sind. Hier wäre es an der Bundes­netz­agentur, solchen Unter­nehmen die rote Karte zu zeigen.

Derweil meldet Andi Scheuers Anti-Funk­loch-Behörde zwei Erfölgchen.

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