Teurer

Preispoker um letzte Meile: 15 Prozent teurer?

Regel­mäßig findet in Bonn und Mainz ein Ritual statt: Die Bundes­netz­agentur legt die Vorleis­tungs­preise für die letzte Meile zwischen Vertei­ler­kasten und Endkunden fest. Und dabei wird gepo­kert, dass die Wände wackeln.
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Es ist eine Art Ritual. Regel­mäßig legt die Bundes­netz­agentur die Preise für "regu­lierte" Vorleis­tungen fest, die Anbieter von privaten Tele­kom­muni­kati­ons­ange­boten im Wett­bewerb bei der Telekom einkaufen können. Das sind Bereiche, in denen die Telekom "markt­mächtig" , andere sagen "markt­beherr­schend", ist. Deshalb muss das von der Bundes­netz­agentur beauf­sich­tigt werden.

Private Wett­bewerber brau­chen letzte Meile

Der VATM kritisiert eine 15 prozentige Preiserhöhung bei den Vorleistungspreisen durch die Telekom. Der VATM kritisiert eine 15 prozentige Preiserhöhung bei den Vorleistungspreisen durch die Telekom.
Foto: M-Net, Logos: BNetzA/VATM, Montage: teltarif.de
Aus gutem Grund. Wenn eine kleine Tele­fon­gesell­schaft XY-Tel einen Kunden mit ihren Leis­tungen errei­chen will, braucht sie "die letzte Meile" zwischen Vertei­ler­kasten oder Vermitt­lungs­stelle und die kommt in der Regel von der Telekom. Das sind in der Regel Kupfer­draht­lei­tungen, die da viel­leicht schon seit Gene­rationen liegen. Viel­leicht werden sie auch ab und zu ausge­tauscht, wenn Feuch­tig­keit nach Dauer­regen oder irrfah­rende Bagger diese Leitungen unge­wollt auf- oder durch­trennen.

Und solange die Glas­faser der privaten Wett­bewerber noch nicht flächen­deckend liegt, müssen die Wett­bewerber der Telekom Leitungen einkaufen.

Aktu­elle Preis­runde einge­läutet

In der aktu­ellen Preis­runde hat die Deut­sche Telekom der Bundes­netz­agentur einen Entwurf für neue Preise vorge­legt. Die private Konkur­renz, zusam­men­geschlossen im VATM (Verband der Anbieter von Tele­kom­muni­kations und Mehr­wer­dienst­leis­tungen) muss und will dazu Stel­lung nehmen. Diesmal ruft die Telekom in ihrem Vorschlag bei der Teil­neh­mer­anschluss­lei­tung (TAL) vom grauen Kasten am Stra­ßen­rand, dem Kabel­ver­zweiger (KVz), bis hin zum Kunden in seiner Wohnung oder im Keller des Hauses ein Preis von 8,25 Euro pro Anschluss auf, rechnet der VATM vor. Was für Geschäfts­leute nicht so bedeu­tend ist, aber für Privat­kunden noch zu beachten wäre, da kommen noch aktuell 19 Prozent Mehr­wert­steuer dazu.

Vor drei Jahren (2019) waren es noch 7,05 Euro gewesen. Das sind, so rechnet der VATM nach, "eine Preis­stei­gerung von mehr als 15 Prozent". Wieso ist das auf einmal soviel teurer?

Warum 15 Prozent mehr?

Der VATM gibt auch die Antwort: "Die Deut­sche Telekom zockt. Während sich die Branche weitest­gehend darauf geei­nigt hat, dass zur Bewäl­tigung der Anstren­gungen beim Glas­faser­ausbau im Bereich der alten Kupfer­netze ein stabiler Regu­lie­rungs­rahmen mit eben­sol­chen Entgelten die beste Lösung ist, setzt die Telekom mit ihrem neuer­lichen Antrag auf ein behörd­liches Preis­set­zungs­modell, das es ihr bis heute erlaubt, extreme Über­ren­diten zu erwirt­schaften. Wieder werden Kosten geltend gemacht, die seit Langem gar nicht mehr anfallen“, schimpft VATM-Geschäfts­führer Jürgen Grützner. Sein plau­sibles Argu­ment: Die Kabel sind uralt und längst (mehr­fach) bezahlt.

Die Telekom rechnet nun aber anders: Sie listet auf, was es kosten würde dieses Netz funkel­nagelneu aufzu­bauen. Das ist ihr so von der Bundes­netz­agentur vorge­geben.

Ein kompletter Neubau wäre teuer

Damit lägen die Entgelte aufgrund des gewählten Regu­lie­rungs­ansatzes soge­nannter "fiktiver Wieder­beschaf­fungs­werte" um etwa 50 bis 75 Prozent über den tatsäch­lichen Kosten allein bei den VDSL-Vorleis­tungen, rechnet der VATM vor. Wobei in vielen Fällen die privaten Anbieter nicht einfach nur zwei Drähte mieten, sondern ein soge­nanntes Bitstream-Produkt nehmen müssen. Das heißt, auf der Leitung sind bereits genormte Daten­signale drauf, welche die Telekom direkt vom Kunden zu den Vermitt­lungs­sys­temen des privaten Anbie­ters durch­leitet.

Wissen­schaft­liches Gutachten

Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, hat der VATM die neuen Zahlen wissen­schaft­lich von Prof. Dr. Peter Winzer von der Hoch­schule RheinMain in Wies­baden nach­rechnen lassen. Sein Ergebnis über­rascht nicht: Im Zeit­raum 2011 bis 2025 würden die Wett­bewerber entspre­chende Entgelte an die Deut­sche Telekom bezahlt haben, welche die tatsäch­lichen Kosten um 8,2 Milli­arden Euro über­steigen und wodurch sogar der bis 2025 vorge­sehene FTTH/B-Ausbau der Deut­schen Telekom zu etwa 57 Prozent mitfi­nan­ziert werden würde. Dabei sei das konser­vativ gerechnet worden, was bedeutet, die tatsäch­lichen Über­zah­lungen könnten auch noch etwas höher sein.

Also schimpft der VATM verständ­licher­weise, dass die Telekom dadurch "Wett­bewerbs­vor­teile" bekomme, die zu Lasten der Nach­frager gingen, die doch als Wett­bewerber einen großen Teil der Breit­band-Anschlüsse in Deutsch­land versorgten. Mit den höheren Verkaufs­preisen könnte die Telekom mehrere Fliegen schlagen. Die privaten Wett­bewerber könnten nicht soviel güns­tiger als die Telekom selbst anbieten und hätten auch kein Geld mehr Glas­faser auszu­bauen und weniger Kunden würden wech­seln.

Dabei macht der VATM wieder­holt darauf aufmerksam, dass man ja viel mehr baue, als die Telekom. Und weiter: "Wer bei jeder Gele­gen­heit versucht Mond­preise durch­zusetzen, verhält sich eben nicht wie ein Wett­bewerber, sondern wie ein Unter­nehmen, das den Markt beherrscht. Von selbst­tra­gendem Wett­bewerb im TK-Markt sind wir jeden­falls weit entfernt.“

Regu­lierer muss noch entscheiden

Wer das Ritual kennt, weiß, dass die gefor­derten Preise noch nie vom Regu­lierer unver­ändert akzep­tiert wurden. Also fordern beide Seiten von vorn­herein wesent­lich mehr bzw. weniger, als sie je bekommen werden. Am Ende dürfte die Bundes­netz­agentur einen Preis irgendwo dazwi­schen fest­legen und mit großem Gegrummel wird man zur Tages­ord­nung über­gehen.

Kennen die Preis nur eine Rich­tung?

Gleich­wohl: Es ist nicht in Stein gemei­ßelt, das die Tele­kom­muni­kati­ons­preise auf immer und ewig nur eine Rich­tung "nach unten" kennen. Das könnte auch eines Tages in eine andere Rich­tung gehen. Die privaten Anbieter sollten also nicht nur auf möglichst güns­tige Preise der Telekom schielen, sondern sich auch dem Thema Kunden­zufrie­den­heit und Netz­qua­lität ihrer eigenen Ange­bote einen höheren Stel­len­wert einräumen. Dass beim Inter­net­ausbau im Land noch "viel Luft" ist, hat gerade der Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band fest­gestellt.

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