Hysterie?

Onlinedurchsuchung: Sicherheits- oder Überwachungsinstrument?

Zur technischen Umsetzung und dem aktuellen Stand der Diskussion
Von Ralf Trautmann

Seit einiger Zeit erhitzt das Thema Onlinedurchsuchungen die Gemüter: Innenminister Wolfgang Schäuble hatte im Dezember vergangenen Jahres den Vorstoß gemacht, Ermittlungsbehörden nach richterlichem Beschluss den heimlichen Zugriff auf PCs zu gestatten. Schäuble argumentierte, formal sei ein solches Vorgehen wie eine Hausdurchsuchung zu werten, so dass dies ohne Gesetzesänderung möglich sei. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dieses Ansinnen zurückgewiesen, da es eben nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt sei: Diese erlaube nur eine offene Durchsuchung, daher mangele es an einer gesetzlichen Grundlage. Ob Onlinedurchsuchungen nach einer entsprechenden Gesetzesänderung verfassungskonform wären, wurde dagegen nicht verhandelt.

Seither ist ein Streit darüber entbrannt, ob und wie eine gesetzliche Grundlage für Onlinedurchsuchungen geschaffen werden kann. Die Kontroverse bietet eine Menge Zündstoff, denn es geht um die schwierige Gratwanderung zwischen berechtigten Sicherheitsinteressen und den Freiheitsrechten der Bürger. Problematisch ist zum Beispiel, dass auf PCs in der Regel nicht nur strafrechtlich relevante Informationen lagern, sondern zum Beispiel auch persönliche Briefe, private Fotos oder gewerbliche Unterlagen. Fallen solche Dateien dem Falschen in die Hände, kann das erheblichen Schaden anrichten. Man denke nur an die Veröffentlichung privater Aktfotos einer angesehenen Schauspielerin oder die Ausspähung von Industriegeheimnissen.

So ist es fraglich, ob ohne Änderung des Grundgesetzes eine solche gesetzliche Grundlage geschaffen werden kann, erläutert der mit der Materie vertraute Rechtsanwalt Dr. Fabian Widder. Und selbst, wenn man eine Grundgesetzänderung befürworte, könne sich die neue Regelung als verfassungswidrige Verfassungsnorm darstellen. Konkrete Gesetzesentwürfe gibt es bisher noch nicht, einen ersten Vorstoß kündigte jetzt die bayerische Landesregierung an, die eine Vorlage über den Bundesrat einbringen will.

Geheimdienste haben Onlinedurchsuchungen schon genutzt

Die Geheimdienste sind da schon einen Schritt weiter: In Nordrhein-Westfalen sind dem Verfassungsschutz Onlinedurchsuchungen durch das aktuelle Verfassungsschutzgesetz schon erlaubt. Allerdings legte der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum von der FDP Verfassungsbeschwerde ein. Somit muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden, wobei das Urteil maßgeblichen Einfluss auf eine zu schaffende Gesetzänderung haben wird. Die SPD fordert bereits, das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene bis nach der Entscheidung zu verschieben. Schäuble hingegen will eine schnellstmögliche Gesetzesänderung.

Überschattet wurde die Debatte dann durch ein Eingeständnis der Bundesregierung im März, das diese in Folge einer parlamentarischen Anfrage der FDP machen musste: Zumindest der Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst (BND) haben bereits seit 2005 Onlinedurchsuchungen durchgeführt, und somit schon zu Zeiten des Schäuble-Vorgängers Otto Schily. Grundlage war hier eine Dienstvorschrift. Allerdings wurde nicht bekannt, wie oft das Instrument bereits angewendet wurde. Laut Spiegel sprechen unterrichtete Kreise von 12 bis 15 Vorgängen, wobei der Bundesnachrichtendienst das Instrument deutlich häufiger angewendet habe als der Verfassungsschutz. Angeblich seien hier die Computer ganzer Firmen kopiert worden. Mittlerweile wurden die Durchsuchungen auf Grund der Kritik an der mangelnden rechtlichen Grundlage durch Schäuble ausgesetzt.

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