Kontroverse

Zwischen Sicherheits-Hysterie und Überwachungs-Wahn

Streit um Online-Durchsuchung hält an
Von ddp / Marie-Anne Winter

Die Kontroverse um die Pläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für heimliche Online-Durchsuchungen von Computern ebbt nicht ab. Vor einer weiteren Verschärfung der Sicherheitsgesetze in Deutschland warnte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP). Er nannte die Pläne Schäubles "skandalös". Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz warnte dagegen vor Hysterie. Er unterstelle Schäuble "keine finsteren Absichten". Der Internet-Strafrechtsexperte Hans Kudlich mahnte eine Versachlichung in der Debatte um die Online-Durchsuchung an.

Baum warnte vor einer "Tendenz, Elemente der Kriegsführung in die Kriminalitätsbekämpfung einzuführen". Seit der Zeit des RAF-Terrorismus vor 30 Jahren seien immer neue Ausnahmegesetze verabschiedet worden, die die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit immer stärker gefährdeten.

Der Vorsitzende der FDP-Jugendorganisation Julis, Johannes Vogel, nannte das heimliche Computer-Ausspähen ohne richterliche Beschluss unvereinbar mit dem Geist der Verfassung. "Ein solches Vorhaben unterstreicht die Maßlosigkeit und den innenpolitischen Wahnsinn, der gegenwärtig getrieben wird", sagte Vogel.

"Keine finsteren Absichten"

Dagegen warnte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz in der Debatte um Online-Durchsuchungen vor Hysterie. "Ich unterstelle dem Innenminister in dieser Frage keine finsteren Absichten und wittere auch keinen rechtsstaatlichen Skandal", kommentierte Wiefelspütz Vorwürfe, Schäuble wolle Online-Durchsuchungen des Bundeskriminalamtes ohne richterliche Genehmigung zulassen. Eine Eilkompetenz der Polizei sei im Sicherheitsrecht zudem nichts Ungewöhnliches.

Wiefelspütz unterstrich: "Ich gehe davon aus, dass die Eilbefugnis routinemäßig in den Entwurf des BKA-Gesetzes übernommen wurde." Online-Durchsuchungen bei Top-Gefährdern hätten einen langen Vorlauf. Eilfälle seien deshalb kaum denkbar. Die Verhandlungen über Online-Razzien stünden aber noch ganz am Anfang. "Ob wir die Pläne am Ende mittragen, lässt sich noch nicht absehen." Seine Partei wolle zunächst das für 2008 erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu vergleichbaren Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen abwarten.

Schwere des Eingriffs nicht verharmlosen

Der Internet-Strafrechtsexperte Hans Kudlich von der der Universität Erlangen mahnte eine Versachlichung der Debatte um Online-Razzien an. "Wenn man davon ausgeht, dass die Strafbehörden ihre Befugnisse missbrauchen, dürfte man etwa bei einer Alkoholkontrolle auch kein Blut abgeben", sagte er. Denn schließlich könnten mit dem Blut auch DNA-Tests durchgeführt werden. Zudem seien Online-Durchsuchungen "nicht so weit weg von dem", was momentan durch Telefonüberwachung, Richtmikrofone und Abfangen der Strahlungen von Bildschirmen schon zugelassen werde.

Gleichwohl dürfe man die Schwere des Eingriffes nicht verharmlosen. Selbst die Überwachung ohne richterliche Genehmigung sei bei Gefahr im Verzuge schon jetzt möglich. "Dabei gibt es aber schon eine gewisse Neigung, diese Norm großzügig auszulegen", sagte der Rechtsexperte. Für die Online-Durchsuchung müsse aber auf jeden Fall das Grundgesetz geändert werden. Es sei nötig, festzulegen, welche Daten ausgenommen seien von der Überwachung. Wichtig sei auch, zu verhindern, dass der so genannte Bundestrojaner etwa durch Kriminelle missbraucht wird.

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