hochgetaktet

Editorial: Schnippelverluste am Gesprächsende

Je günstiger die Preise, desto schlechter die Abrechnungsbedingungen
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Früher war alles besser: Da schnitt der Metzger noch jede Wurst auf, und man bezahlte auch nur die Menge, die man wirklich kaufte, bei zwei Scheiben mit zusammen 50 Gramm etwa die Hälfte des angegebenen Preises für 100 Gramm. Heute liegt die Ware in immer mehr Läden abgepackt in Einheiten von 200 Gramm oder mehr im Kühlregal. Man zahlt dafür immer den vollen Preis - auch dann, wenn man vielleicht gar nicht so viel braucht und den Rest dann nach einiger Zeit wegschmeißt.

So oder so ähnlich denken auch Telefonfirmen, wenn sie Telefonate in die Mobilfunknetze in 5-Minuten-Vielfachen abrechnen. Jüngstes Mitglied im Club der Fünfminüter ist 01042 Telecall. Deren Prinzip zum Abkassieren: Ungenutzte Minuten am Gesprächsende verfallen sofort und unwiderruflich zugunsten des Anbieters. Ruft man innerhalb des 5-Minuten-Zeitfensters zweimal bei derselben Handynummer an, beispielsweise weil die Verbindung abgerissen ist, zahlt man zwei 5-Minuten-Pakete, obwohl man doch eigentlich nur eines genutzt hat. Und wenn die Mailbox rangeht, ist ebenfalls der größte Teil des 5-Minuten-Block verschwendet, denn so eine lange Nachricht, dass sich der lange Takt gelohnt hätte, kann man kaum hinterlassen.

Im "Wurstvergleich" hieße das: Man kann eine einmal angerissene Verpackung noch nicht einmal zu Hause in den Kühlschrank legen, um den restlichen Inhalt später zu genießen. Alles, was man nicht sofort in maximaler Geschwindigkeit am Stück auffuttert, wird im Handumdrehen ungenießbar.

Wo ist das Limit?

Andererseits ist es auch ein Stück weit verständlich, dass die Telekommunikationsanbieter in einem Markt, in dem stark über den Preis konkurriert wird, die Abrechnungskarte zu ihren Gunsten spielen. Jüngstes Beispiel ist etwa der o2-Discounter Fonic. 9,9 Cent im Minutentakt klingt halt besser als 10,9 Cent im 60/1-Takt oder 12,9 Cent im 1/1-Sekundentakt - obwohl alle drei Preise bei typischem Telefonierverhalten (durchschnittliche Gesprächslänge: 2 Minuten) für den Verbraucher am Schluss in etwa dieselben Kosten verursachen. Wer zumeist länger telefoniert, kommt natürlich am Schluss mit den 9,9 Cent im Minutentakt günstiger weg, wer zumeist nur ein paar Worte wechselt, würde hingegen mit 12,9 Cent im Sekundentakt die kleinste Rechnung haben.

Früher, ganz früher, als Telefonkosten noch von mechanischen Zählwerken erfasst wurden, war es nötig, einen Preis pro "Einheit" festzulegen, der hoch genug war, dass auch bei den allerteuersten satellitengestützten Auslandsverbindungen die Zählwerke nicht "durchdrehten". 23 Pfennig und später 12 Pfennig waren dafür hoch genug - im Ortsbereich dauerte die auf dieser Basis gebildete Einheit dann etliche Minuten. Damals war das eine technische Notwendigkeit. Kürzere und günstigere Einheiten für den Ortsbereich hätten hohe Investitionen in Zählwerke erfordert, die bei den teuren Verbindungen dann schneller ticken können. Doch seit langem werden Verbindungsdauern rein elektronisch erfasst, und das geht fast beliebig genau. Die Nachbildung der alten langen Einheiten ist somit eine reine Fiktion zum Nachteil des Kunden. Schade, dass so etwas erlaubt ist.

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