Telekom-Prozess

Ron Sommer heute im Telekom-Prozess vor Gericht

Ex-Telekom-Chef verteidigt VoiceStream-Kauf vor Gericht
Von ddp / dpa / Marie-Anne Winter

Im Prozess um den umstrittenen dritten Börsengang der Deutschen Telekom vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat der ehemalige Unternehmenschef Ron Sommer den Vorwürfen der Kläger widersprochen. Die Entscheidung zur milliardenschweren Übernahme des US-Mobilfunkunternehmens VoiceStream sei erst Mitte Juli 2000 gefallen, sagte Sommer heute im Zeugenstand. Die Klägeranwälte versuchten am dritten Verhandlungstag, weitere Dokumente in den Prozess einzuführen, die Versäumnisse der Telekom bei der Ausgestaltung des Börsenprospekts belegen sollen.

In der mehrstündigen Befragung Sommers versuchten die Verfahrensbeteiligten zu klären, wie weit die Übernahmeverhandlungen mit VoiceStream zum Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung bereits gediehen waren. Die mehr als 16 000 Kläger werfen der Telekom unter anderem vor, im Prospekt zum dritten Börsengang Ende Mai 2000 nicht auf die mögliche Übernahme und damit verbundene Risiken hingewiesen zu haben.

Sommer räumte ein, bereits im März 2000 ein Gespräch mit VoiceStream geführt zu haben. Nach dem Gespräch sei eine Übernahme aber "eher unwahrscheinlich" gewesen. Erst als Geheimverhandlungen zur Übernahme eines anderen US-Unternehmens gescheitert waren, seien die Verhandlungen mit VoiceStream wieder intensiviert worden, sagte der 58-Jährige, der für die Aktien-Emission im Jahr 2000 verantwortlich war.

"Nichts berichtenswertes verschwiegen"

Auf konkrete Nachfragen gab Sommer an, dem US-Mobilfunkanbieter am 6. Juni 2000, also zehn Tage nach der Veröffentlichung des Prospekts, ein erstes "unverbindliches" Übernahmeangebot unterbreitet zu haben. Ein weiteres Angebot sei am 5. Juli 2000 erfolgt. Der Vertrag zur Übernahme war letztlich aber erst am 23. Juli 2000 unterzeichnet worden. In dem Börsenprospekt sei damit "nichts berichtenswertes" verschwiegen worden, sagte Sommer, der sieben Jahre lang an der Spitze der Deutschen Telekom stand und im Juli 2002 nach Unstimmigkeiten mit dem Aufsichtsrat des Unternehmens zurückgetreten war.

Gleichzeitig verteidigte Sommer die seinerzeit von großen Kursabschlägen begleitete Übernahme. Mit dem Kauf von VoiceStream habe die Telekom versucht, sich vom bereits teilweise gesättigten deutschen Mobilfunkgeschäft unabhängiger zu machen.

In der teilweise von Spitzfindigkeiten und Detailversessenheit geprägten Befragung versuchte der Klägeranwalt Andreas Tilp immer wieder, Sommer Fragen zu stellen, die über den Themenkomplex VoiceStream hinausgehen.

Der Übernahmepreis für den US-Mobilfunker lag laut Geschäftsbericht bei 39 Milliarden Euro in Aktien und Bargeld. Bei Ankündigung der Übernahme kam VoiceStream (heute T-Mobile USA) auf 2,3 Millionen Mobilfunkkunden. Wichtig sei weniger der Blick in die Vergangenheit als der Blick nach vorne gewesen. Die Telekom habe sich als Gegenspieler zum größten Konkurrenten Vodafone positionieren und daher eine Präsenz in den USA aufbauen wollen. Weltmarktführer Vodafone verfügt nur über eine Minderheitsbeteiligung in den Vereinigten Staaten.

Keinen Einblick in die Unterlagen

Sommer ist heute als Berater für den Finanzinvestor Blackstone aktiv, der mit 4,5 Prozent an der Telekom beteiligt ist. Zudem ist er seit 2003 für den russischen Mischkonzern Sistema tätig. Hintergrund ist die Weigerung der Telekom, Einblick in Unterlagen zu gewähren, die seinerzeit bei einem Vergleich in den USA zu einer Zahlung von 120 Millionen Dollar an geschädigte Telekom-Aktionäre in den USA geführt hatten.

Die Kläger versuchen weiterhin Einblick in die betreffenden Unterlagen zu erhalten. Bislang hätten die Telekom und die im Ausgangsverfahren ebenfalls beklagte Bundesrepublik die Einsicht in die Unterlagen verweigert, teilte Tilp heute mit. Auch ein Gutachten des Bundesrechnungshofs, in dem der Telekom schwere Vorwürfe gemacht würden, werde unter Verschluss gehalten, kritisierte Tilp. Dafür habe das Oberlandesgericht (OLG) auf Antrag seiner Kanzlei weitere Akten für den Prozess von der Staatsanwaltschaft Bonn angefordert.

In der Musterklage vor dem 23. Zivilsenat wird ein Fall stellvertretend für die mehr als 16 000 Anleger verhandelt, die Schadensersatzforderungen in Höhe von 80 Millionen Euro an die Telekom richten.

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