Themenspezial: Verbraucher & Service Fair Share?

Netflix & Co.: Verbraucherverbände gegen "Fair Share"

Die EU-Kommis­sion fragt sich, ob Google & Co. den euro­päi­schen Breit­band­ausbau mitfi­nan­zieren sollen. Verbrau­cher­schützer befürchten Mehr­kosten für Endnutzer.
Von mit Material von dpa

Euro­päi­sche Verbrau­cher­ver­bände haben die Forde­rung euro­päi­scher Tele­kom­muni­kati­ons­unter­nehmen nach einer Abgabe ("Fair share") für große Online-Dienste wie Netflix, YouTube oder Meta zurück­gewiesen. Doch so einfach ist es nicht.

Fair Share als Mecha­nismus direkter Zahlungen an die Tele­kom­muni­kati­ons­pro­vider hätte "unmit­tel­bare und weit­rei­chende nega­tive Folgen, nicht nur für die euro­päi­schen Unter­nehmen, sondern auch für die Verbrau­cher", heißt in einer am Mitt­woch veröf­fent­lichen Erklä­rung, die unter anderen vom deut­schen Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band (VZBV) unter­zeichnet wurde.

Höhere Kosten für Endkunden?

Die großen Telcos wollen von den großen Inhalteanbietern mehr Geld. Bleibt das Netz damit weiter neutral? Die großen Telcos wollen von den großen Inhalteanbietern mehr Geld. Bleibt das Netz damit weiter neutral?
Foto: Picture Alliance / Carolyn Kaster/AP/dpa
"Eine neue Gebühr oder ein neuer Beitrag würde sich direkt auf die Kosten und die Wahl­mög­lich­keiten der Verbrau­cher auswirken, mit weit­rei­chenden nega­tiven Folgen für die Viel­falt und Qualität der Produkte und Dienst­leis­tungen", befürchten die Unter­zeichner. Sie appel­lieren daher an die euro­päi­schen Insti­tutionen, "von der Einfüh­rung einer solchen kontra­pro­duk­tiven Maßnahme abzu­sehen".

Zu den Unter­zeich­nern des Appells gehören unter anderen die euro­päi­sche Verbrau­cher­schutz­orga­nisa­tion BEUC (The European Consumer Orga­nisa­tion), die US-Bürger­rechts­grup­pie­rung EFF (Elec­tronic Fron­tier Founda­tion), die deut­sche Digi­tale Gesell­schaft, der Wiki­pedia-Verein Wiki­media Europe sowie verschie­dene Internet- und Tele­kom­muni­kati­ons­dienst­leister.

Fair share: Mehr Geld für mehr Daten­durch­satz

Netz­betreiber in Europa wollen schon seit Jahren Platt­formen mit hohem Daten­durch­satz zur Kasse bitten. Die derzeit laufenden EU-Konsul­tationen zu dem Thema geben der Telekom-Branche Hoff­nung, ans Ziel zu kommen.

Die Provider rechnen vor, dass die fünf größten Online-Dienste rund 55 Prozent des Daten­ver­kehrs verur­sachten. Das koste euro­päi­sche Netz­betreiber etwa 15 Milli­arden Dollar jähr­lich, hieß es im Februar schon auf der Messe "Mobil World Congress" (MWC) in Barce­lona.

Auch die Mono­pol­kom­mis­sion ist dagegen

Gegen die Argu­mente der Telkos wandte sich auch die deut­sche Mono­pol­kom­mis­sion, die die Bundes­regie­rung und den Bundestag bei der Wett­bewerbs­politik und der Regu­lie­rung berät. Man halte einen regu­lato­rischen Eingriff, der eine Zahlung der Online-Dienste an die Netz­betreiber erzwingt, "gegen­wärtig für nicht gerecht­fer­tigt", heißt es in einem am Mitt­woch veröf­fent­lichten Papier.

Es lägen keine Hinweise dafür vor, dass ein Umver­tei­lungs­mecha­nismus zwischen Dienste-Anbie­tern wie Netflix oder YouTube und Netz­betrei­bern die Markt­situa­tion verbes­sern könnte. "Gleich­zeitig könnte ein derar­tiger Eingriff Wett­bewerbs­ver­zer­rungen verur­sachen. Zudem sind ausrei­chend finan­zielle Mittel für den Fest­netz- und Mobil­funk­netz­ausbau vorhanden."

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Es ist bekannt, dass große Anbieter wie Google, Meta (Face­book), Apple und so weiter eine Menge Daten­ver­kehr im Netz auslösen, was die Netze belastet. Die Netz­betreiber argu­men­tieren nun, dass sie von diesen Anbie­tern ihre Mehr­kosten erstattet haben möchten. Unklar bleibt dabei, welche Anbieter welche Anteile bekommen sollen und wie man einen fairen Verteil­mecha­nismus schaffen könnte, um die Gelder "gerecht" zu verteilen. Gibt es nur Geld für die großen Telkos oder auch für klei­nere Anbieter, die Endkunden versorgen?

Unter­stellt, die EU würde dieses Kosten­modell frei­geben, bleibt die Frage, ob und wie Google, Meta, Apple & Co diese Kosten nicht umge­hend auf ihre Kunden umlegen werden. Oder spielen sie einfach nur noch mehr Werbung aus?

Unter­stellt, die Kritik der Verbrau­cher­schützer würde akzep­tiert, dann könnte es darauf hinaus­laufen, dass die Netz­betreiber ihren verstärkten Aufwand einfach ihren Endkunden berechnen. Das können Sie nur pauschal für jeden Kunden ohne Rück­sicht tun, ob dieser Kunde solche Dienste nutzt oder nicht? Eine Unter­schei­dung würde der Netz­neu­tra­lität zuwider laufen und geht den Netz­betreiber auch gar nichts an.

Die "ideale" Lösung, wenn die Nutzer die Ange­bote künftig spürbar weniger nutzen würden, kann man getrost als "absolut unwahr­schein­lich" abstem­peln.

Es kann sein, dass die Netz­betreiber jetzt schon direkt mit Google & Co. verhan­deln, wie solche Inhalte noch besser und noch kosten­güns­tiger in ihre eigenen Netze einge­fädelt werden. Schon heute betreiben die großen Inhalte-Anbieter eigene Content-Deli­very-Netze (CDN), die nur "eigenes" Mate­rial direkt in die Ziel­netze liefern.

Anbieter von weniger gefragten Inhalten, die aber auch wichtig sind, werden also auch künftig weiter in die Röhre schauen, wenn es an belast­baren Inter­net­con­nect-Knoten für das "übrige Internet" fehlt.

Gerade die Deut­sche Telekom tut sich mit dem Prinzip des leis­tungs­fähigen kosten­losen Daten­aus­tau­sches zwischen den Anbie­tern seit Jahren sehr schwer.

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