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Bundesverfassungsgericht begründet TKG-Teil-Verschiebung

Preiszwischenansage ohne Frist unzumutbar für die Anbieter
Von Thorsten Neuhetzki

Das Bundesverfassungsgericht begründet sein Call-by-Call-Urteil Das Bundesverfassungsgericht begründet sein Call-by-Call-Urteil
Foto: dpa
Zwar ist die lange erwartete TKG-Novelle inzwischen offiziell in Kraft getreten, doch wie berichtet hat das Bundesverfassungsgericht am 4. Mai einen wesentlichen Punkt der Novelle für den Festnetzmarkt um einige Monate verschoben. Tele2 hatte gegen das schnelle Inkrafttreten der Ansagepflicht für Call-by-Call-Verbindungenen geklagt und Recht bekommen. Nun hat das Gericht auch seine Begründung veröffentlicht.

Das Bundesverfassungsgericht begründet sein Call-by-Call-Urteil Das Bundesverfassungsgericht begründet sein Call-by-Call-Urteil
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Die den Anbietern drohenden Nachteile bei sofortigem Inkrafttreten der Preisansagepflicht überwiegen nach Ansicht des Gerichts den Risiken, die für die Verbraucher aus einem begrenzten Verschieben des Inkrafttretens resultieren. Die Anbieter wäre bei einem sofortigen Inkrafttreten der Preisansagepflicht vorübergehend zu Umstellungen in ihrem Geschäftsmodell gezwungen, "deren wirtschaftliche Auswirkungen voraussichtlich erheblich, im Einzelnen jedenfalls schwer abschätzbar sind." Damit bezieht sich das Gericht vor allem auf die Tarifübergänge während eines Telefonates. Hier muss entweder mit Beginn der neuen Tarifzone der neue Tarif während der Verbindung erneut angesagt werden oder der bisherige, zu Beginn der Verbindung angesagte, Tarif weiter berechnet werden.

Fehlende Preiszwischenansage nachteilig für Anbieter

"Ein Gesetz darf im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur dann vorläufig am Inkrafttreten gehindert werden, wenn die Nachteile, die mit seinem Inkrafttreten nach späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, in Ausmaß und Schwere die Nachteile deutlich überwiegen, die im Falle der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten." Zwar sei Tele2 mittlerweile die Realisierung der Preisvoransage gelungen, allerdings seien die Nachteile, die Preiszwischenansage frühestens Ende Juli 2012 funktionsfähig installiert zu haben, zu groß gewesen. Zwar hätte Tele2 vorübergehend auf die nach Zeitabschnitten erfolgte Preisstaffelung vollständig verzichten können, um einen Verstoß gegen die Pflicht zur Preiszwischenansage zu vermeiden. Doch "damit würde sie allerdings ein wesentliches Merkmal ihres bisherigen Geschäftsmodells aufgeben, das maßgeblich auf einer teilweise sehr starken Abstufung der Gesprächspreise zwischen verschiedenen Tagesabschnitten basiert. "

Das Gericht kommt also mit anderen Worte zu dem Schluss, dass es nicht so schlimm ist, dass die Call-by-Call-Kunden weitere drei Monate den starken Tarifwechseln ausgesetzt sind. Schlimmer seien die Verluste gewesen, die der Call-by-Call-Anbieter hätte tragen müssen, hätte er auf die Tarifwechsel während der Verbindung verzichten müssen. Immerhin: Tele2 selbst hat mit der 01013 aktuell nur morgens um 7 Uhr einen Tarifwechsel von sehr billig zu teuer. Anders sieht es beim Ableger 010033 aus, der deutlich häufiger Tarifwechsel im Programm hat. Aber: "Umgekehrt müsste sie bei einem Wechsel vom teureren zu dem billigeren Tarif, wenn das Gespräch gleichwohl zum angesagten teureren Preis abgerechnet wird, mit entsprechender Unzufriedenheit beim Nutzer rechnen."

Gericht sieht keine Gefahr für die Verbraucher

Zur Einschätzung zum Schutz der Verbraucher heißt es in der Begründung: "es sei zwar nicht auszuschließen, dass einzelne Call-by-Call-Anbieter unter Fortgeltung der bisherigen Rechtslage kurzfristig ihre Preise in der Hoffnung auf die Unkenntnis ihrer Kunden erhöhen". Allerdings "finden sich jedoch keine Anhaltspunkte für eine ernsthafte und generelle Gefährdung der Verbraucher, die ein sofortiges Handeln des Gesetzgebers unverzichtbar erscheinen ließen."

Das Gericht hat sich nun auf eine Übergangsregelung festgelegt, die es dann für Notwendig hält, wenn die Beachtung neuer "Berufsausübungsregelungen nicht ohne zeitaufwändige und kapitalintensive Umstellungen des Betriebsablaufs möglich ist" und ein Betroffener "bei unmittelbarem Inkrafttreten der Neuregelung [seine Ausübung ] zeitweise einstellen müsste oder aber nur zu unzumutbaren Bedingungen fortführen könnte."

Gesetzgeber darf keine Investitionen vor Inkrafttreten erwarten

Weiter heißt es in der Begründung, "der Gesetzgeber durfte auch nicht deshalb auf eine Übergangsfrist verzichten, weil den Call-by-Call-Anbietern ohnedies ein genügend langer Umstellungszeitraum bis zur voraussichtlichen Verkündung des Gesetzes zur Verfügung stehen würde." Zumindest vor dem Zustandekommen des Gesetzes dürfen vom Grundrechtsträger im Regelfall keine schwer rückgängig zu machende Umstrukturierungen oder gar umfangreiche Investitionen im Hinblick auf eine anstehende Neuregelung erwartet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit 7:1 Stimmen für den Tele2-Antrag gestimmt.

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