Editorial: Aufwärts dank Coronavirus
Online-Bilanz-PK der Deutschen Telekom
Bild: picture alliance/dpa | Oliver Berg
Die Deutsche Telekom freut sich über
Rekordzahlen: Erstmalig mehr als
100 Milliarden Euro Umsatz, kräftige Zuwächse auch bei
EBITDA und Gewinn. Allerdings basiert ein großer Teil des Umsatzzuwachses
auf der vollständigen Übernahme von Sprint und der Corona-Krise. Die
Sprint-Fusion war schon vor drei Jahren beschlossen
worden, benötigte dann aber doch zwei Jahre zur Abwicklung. Erst seit
April 2020 zählen die Sprint-Umsätze daher bei der Telekom mit.
Und natürlich profitierte die Telekom als etablierter Provider besonders stark von der Corona-Krise. Wenn die Bürger von den Regierungen dauerhaft dazu angehalten werden, sich nicht mehr physisch, sondern möglichst nur noch virtuell zu treffen, dann verschiebt das die Marktverhältnisse natürlich drastisch. Fluggesellschaften mussten reihenweise mit Milliarden-Hilfspaketen vor dem Kollaps gerettet werden. Tk-Anbieter verkauften hingegen wieder mehr Festnetz-Anschlüsse. Und da man im Lockdown im Zweifelsfall auch nicht die Gelegenheit hat, die Läden alternativer Anbieter aufzusuchen, wird ein überproportional großer Anteil der Neu- oder Wiederinstallationen bei den Marktführern beauftragt.
Wiedererlangte Reisefreiheit
Online-Bilanz-PK der Deutschen Telekom
Bild: picture alliance/dpa | Oliver Berg
Doch was machen die Umsätze der Telekom, wenn nun die Corona-Krise
abflaut? Denn klar ist, dass sich der Lockdown-Winter 2020/2021 nicht
wiederholen wird. Dazu sind bis zum nächsten Herbst zu viele Menschen
geimpft. Sobald Urlaubsreisen wieder möglich sind, werden die jetzt
lange eingesperrten Menschen die Gelegenheit auch wieder nutzen. Einige
werden dazu auch finanziell umdisponieren und ihre Ausgaben für
Telekommunikation wieder reduzieren.
Andere haben durch die Krise ihr Einkommen oder zumindest ihre Ersparnisse verloren. Diese werden jetzt sicher nicht drei Wochen Spanien-Urlaub zur Hauptsaison buchen. Aber auch diese Menschen werden ihre Ausgaben für Telekommunikation eher einschränken, wenn wieder kleine Vergnügen vor Ort erlaubt sind, wie ins Kino zu gehen oder sich mit Freunden im Restaurant zu treffen.
Andererseits wird noch einiges an Zeit vergehen, bis man ebenso unbeschwert reisen kann wie vor der Covid-Krise. Schließlich ist das Impftempo für die einheimische Bevölkerung an beliebten Fernreisezielen wie Brasilien, Südafrika oder Thailand noch langsamer als in der EU. Und dann stellt sich noch die Frage, wie gut die Impfstoffe überhaupt gegen die teils vor Ort entstandenen aggressiveren Covid-Mutationen wirken.
Es ist also unwahrscheinlich, dass man schon im kommenden Herbst und Winter wieder genauso unbeschwert reisen kann wie vor Covid. Gerade bei größeren Entfernungen dürften sich kurzfristig ändernde Auflagen zu Tests und Quarantäne weiterhin den Reisespaß trüben. Aber auch nationale Großveranstaltungen dürften schon wegen der Impflücken der bisher nur freiwilligen Impfkampagnen auf mittlere Sicht weiterhin schwierig bleiben. Aus demselben Grund wird man auch Schulen und Kitas erst dann wieder vollumfänglich öffnen können, wenn auch die Kinder geimpft wurden.
Langsam aus der Krise
Der Weg aus der Krise erfolgt also in kleinen Schritten. Doch es wird der Punkt kommen, ab dem die Bürger das Gefühl haben, endlich wieder frei und sicher zu sein. Ab dem Zeitpunkt werden die Umsätze der Telekommunikationskonzerne, nicht nur der Deutschen Telekom, sicher leiden. Und die Konkurrenz wird sich auch wieder intensiveren. Kritisch könnte es bereits in einem Jahr werden, wenn die ersten der wegen Covid geschlossenen zwei-Jahres-Verträge anfangen, auszulaufen.