Editorial: Marktlücke genutzt
Allnet-Flatrates
Bild: Franz Pfluegl - Fotolia.com
Schneller als erwartet nutzt ein Discounter die durch die jüngste
Senkung der Interconnection-Tarife
durch die Bundesnetzagentur
zum Handy eröffnete Marktlücke: Während die etablierten
Festnetz-Anbieter allesamt erklärten, an hohen Preisen von typisch
20 Cent pro Minute für Anrufe
zu Handys festhalten zu wollen, startete
easybell kurzerhand mit einer
DSL-Allnet-Flatrate für 34,95 Euro
monatlich. Das sind monatlich nur zwei Euro mehr, als ein
vergleichbar schneller Vodafone-DSL-Anschluss
samt "Festnetz-mobil-Option" kostet, bei dem Anrufe zu Handys
freilich mitnichten "flat" sind, sondern weiterhin 11 bis 13 Cent
pro Minute kosten. Der All-Net-Flat-Aufpreis bei easybell beträgt
gerade mal 10 Euro. Dafür bekommt man bei Vodafone DSL lediglich
eine Flatrate ins Vodafone-Mobilfunknetz. Für jedes weitere Netz verlangt
Vodafone gar 14,95 Euro Aufpreis. In Summe kostet die
Vodafone-DSL-Flat in alle Netze 84,80 Euro monatlich, fast das
zweieinhalbfache des easybell-Angebots!
Die Frage ist, für wen sich das easybell-Angebot rechnet. Und hier sieht es auf den ersten Blick schlecht aus: Wer viel zu Handys telefoniert, will das meist nicht nur zu Hause, sondern auch unterwegs tun können. Das spricht dann aber dafür, die All-Net-Flat aufs Handy zu buchen, nicht auf den Festnetzanschluss. Schaut man noch einmal genauer hin, ergeben sich dennoch etliche Zielgruppen für die festnetzbasierte All-Net-Flat. Allen gemein ist natürlich, dass sie viel von zu Hause aus zu Handys anrufen:
- Personen, die bei sich zu Hause nur schlechte mobile Netzversorgung haben oder das Festnetztelefon schlicht angenehmer finden. Mit zusätzlich 10 Euro monatlich kostet dieser Comfort auch nicht die Welt.
- Familien, für die es viel zu teuer wäre, All-Net-Flatrates auf alle SIM-Karten zu schalten, die jedoch zu Hause insgesamt genügend Handygespräche führen, dass sich eine All-Net-Flat lohnt - dann natürlich auf dem Festnetzanschluss.
- Wenig mobile Mitbürger, die (fast) ausschließlich vom Festnetz aus telefonieren, dabei aber laufend hochmobile Personen anrufen, die kein Festnetz mehr haben oder dort in der Regel nicht erreichbar sind.
Wirtschaftlich?
Allnet-Flatrates
Bild: Franz Pfluegl - Fotolia.com
Die andere Frage ist, ob sich die festnetzbasierte All-Net-Flatrate
auch für easybell rechnet. Die Interconnect-Entgelte zum Handy wurden
jüngst zwar drastisch gesenkt, sind aber mit 2,2 Cent brutto
pro Minute weiterhin alles andere als komplett vernachlässigbar. Rechnet
man noch die eigenen Kosten hinzu, dürfte der kritische Punkt für
easybell bei ca. 400 Minuten Handy-Telefonat im Monat liegen.
Telefoniert ein Kunde mehr zum Handy, zahlt easybell drauf.
Kunden, die unter 50 Minuten monatlich zum Handy telefonieren, werden kaum zu easybell Komplett allnet wechseln, denn für sie sind die herkömmlichen Tarife trotz des eingangs genannten Minutenentgelts von um die 20 Cent günstiger. easybell selber verrechnet im Standardtarif Komplett easy (knapp) 10 Cent pro Minute zum Handy, so dass die Zugangsschwelle eigentlich bei 100 Handy-Minuten monatlich liegt, nicht bei 50. Dennoch: Zwischen 100 und 400 Handy-Minuten monatlich liegt ein recht großer Bereich, in dem sowohl der Kunde (zumindest, wenn er nicht günstigere VoIP-Tarife nutzt) als auch easybell profitieren. Das sollte genug sein, um Verluste durch Power-User auszugleichen.
Dennoch ist nicht auszuschließen, dass easybell zu preisaggressiv reingegangen ist. Insbesondere behält sich der Anbieter die Option offen, für Kunden, die ab dem 2. Januar 2013 kommen, einen höheren Preis zu berechnen, indem er den aktuellen Preis als Einführungspreis tituliert. Eine automatische Preissteigerung für die Kunden, die das Einführungsangebot nutzen, wird nicht genannt. Sollte die Kalkulation jedoch überhaupt nicht aufgehen, könnte easybell gezwungen sein, auch bei den Erstkunden den Preis per Änderungskündigung anzupassen, und/oder Power-User ganz rauszuwerfen. Beides ist dank der kurzen Laufzeit möglich; 24-Monats-Verträge bietet easybell für die All-Net-Flatrate derzeit nicht an.
Marktreaktion
Vom wirtschaftlichen Erfolg von easybells Flatrate vom Festnetz in alle Netze wird es abhängen, wie schnell die anderen Festnetz-Anbieter nachziehen. Der Begriff "wirtschaftlicher Erfolg" beinhaltet hier auch beide oben genannten Aspekte: easybell findet ausreichend viele Kunden, und die telefonieren im Durchschnitt auch ausreichend wenig, damit sich die Flatrate rechnet. Selbst, wenn sich am Ende ein etwas höherer Aufpreis von 15 oder gar 20 Euro monatlich durchsetzt: All-Net-Flatrates sind eine sinnvolle Bereicherung für Festnetz- und DSL-Anschlüsse.