Finger weg: Internet unabhängig verwalten
eco-Verbands-Vorsitzender Oliver Süme.
Foto: eco-Verband
Beim "ICANN78 Annual General Meeting" vom 21.-26. Oktober 2023 trifft eine unabhängige Multi-Stakeholder-Community Entscheidungen zu Kernfunktionen des Internets. Das Internet verwalte sich weitgehend selbst, unabhängig von einzelnen Unternehmen oder Regierungen – und das ist auch gut so, finden die Internetznutzer. „Eine unabhängige Verwaltung des Internets ist wichtig für die Informations- und Meinungsfreiheit unserer Gesellschaft“, dieser Aussage stimmen 73,9 Prozent Befragten zu, das zeige eine vom eco-Verband in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage unter 2.519 Deutschen des Meinungsforschungsinstituts Civey.
78. ICANN-Meeting in Hamburg
eco-Verbands-Vorsitzender Oliver Süme.
Foto: eco-Verband
Wie diese Selbstverwaltung tatsächlich funktioniert, das zeigt in Hamburg vom 21.-26. Oktober eindrucksvoll das ICANN78 Meeting. Rund 2500 Gäste aus der ganzen Welt werden dort zentrale Entscheidungen für den Betrieb des Internets treffen. „Die Verwaltung des Internets liegt im Oktober in Hamburg in den Händen der Menschen, die frei und demokratisch wichtige Entscheidungsprozesse vorantreiben, um heute und in Zukunft ein unabhängiges Internet zu gewährleisten“, betont eco Vorstandsvorsitzender Oliver Süme. Die Mitarbeit in der "Internet Corporation for Assigned Names and Numbers" (ICANN) steht allen Menschen offen. ICANN koordiniert unter anderem das Domain Name System (DNS), also die Vergabe von einmaligen Namen und Adressen im Internet und die Zuteilung von IP-Adressen.
Weltweite ICANN-Community gestaltet in Hamburg freies Internet
Zum ICANN78 Meeting sind alle eingeladen, die sich an der Gestaltung des Internets direkt vor Ort oder online beteiligen wollen. Eine für die Teilnahme notwendige und kostenlose Registrierung ist jetzt möglich. „Ich freue mich sehr, dass wir nach Berlin 1999 erstmals seit über 20 Jahren wieder eine ICANN-Konferenz nach Deutschland und in meine Heimatstadt Hamburg holen konnten“, so Oliver Süme weiter. Er hat sich als eco-Vorstandsvorsitzender gemeinsam mit der DENIC eG und der Stadt Hamburg stark gemacht, dass die Hansestadt Gastgeberin der weltweiten Internet-Community sein wird.
Die Entscheidungen, die ICANN in Hamburg trifft, betreffen alle Internetnutzer weltweit. Die unterschiedlichen Interessengruppen der ICANN-Community entwickeln basisdemokratisch Regeln und Verfahren für das Domain Name System, ohne das sich keine Website aufrufen ließe. Entscheidungen werden erwartet zu Datenschutzfragen oder den Transfer von Domains. Eines der Topthemen bei ICANN78 ist die Einführung weiterer Top-Level-Domains, wo derzeit die letzten Hürden genommen werden, damit es im Jahr 2026 wieder Bewerbungen um neue Domainendungen geben kann.
Wer sich anmelden oder weiter informieren will, kann das unter https://meetings.icann.org/en/icann78.
Wie kam das Umfrageergebnis zustande?
Eine vom Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des eco erstellte Befragung zeigt ein klares Ergebnis.
Grafik: eco / Civey
Civey hat für eco vom 18. bis 21. August 2023 online 2500 Bundesbürger ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind aufgrund von Quotierungen und Gewichtungen repräsentativ unter Berücksichtigung des statistischen Fehlers von 3,4 Prozent (vom Gesamtergebnis).
Wer ist eco?
Mit rund 1000 Mitgliedsunternehmen sieht sich eco als "führender Verband der Internetwirtschaft in Europa". Seit 1995 gestaltet eco das Internet, fördere neue Technologien, schaffe Rahmenbedingungen und vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber der Politik und in internationalen Gremien. eco hat Standorte in Köln, Berlin und Brüssel und setzt sich in seiner Arbeit vorrangig für ein leistungsfähiges, zuverlässiges und vertrauenswürdiges Ökosystem digitaler Infrastrukturen und Dienste ein.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Idee vom freien und selbstverwalteten Internet ist ein hehres Ziel, die Wirklichkeit sieht anders aus, da große politische und wirtschaftliche Interessen aufeinander treffen.
Politisch, weil bestimmte Staaten es nicht so gut finden, wenn ihre Bürger sich ungefiltert informieren können und dabei Dinge erfahren, die ihr Staat ihnen verheimlichen will oder ganz anders sieht. Wirtschaftlich, weil die großen Telekommunikationsanbieter Geld verdienen müssen, um das Netz bauen und betreiben zu können und natürlich eher die Interessen ihrer großen zahlenden Kunden im Auge haben, als Wünsche und Vorstellungen vieler kleiner Gruppen, die eher Kosten verursachen als Einnahmen generieren.
Ein Beispiel ist der Streit um die Peering-Politik, dem Datenausstausch zwischen Internet-Providern. "Früher" war das vielleicht ausgewogen, aber heute gibt es eine große Schieflast, wie viele Daten z.B. von den USA nach Europa und wie viele Daten umgekehrt fließen. Große Carrier wie die Deutsche Telekom sehen nicht ein, die Übergabepunkte kostenlos aufzurüsten und fordern unter dem Thema "Fair Share" einen Obulus von den großen Datenquellen wie Google, Microsoft, Apple oder großen Streamingdiensten wie Netflix etc.
Gleichwohl, wer Zeit und Interesse hat, sollte sich bei ICANN beteiligen, außer viel Zeit, guten englisch-Kenntnissen und einer stabilen Internetverbindung braucht es dazu nicht viel.