Pläne

EU-Kommission will europaweite Rufnummern für Unternehmen

Realisierung wäre über einheitliche Kurzwahlen oder EU-weite Vorwahl möglich
Von Marc Kessler /

Sitz der EU-Kommission in Brüssel Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel
Wikipedia / JLogan
EU-Kommissarin Neelie Kroes setzt sich für die Schaffung von europaweiten Telefonnummern für Unternehmen innerhalb der EU ein. Damit sollen Firmen von allen Mitgliedsstaaten aus unter einer einheitlichen Rufnummer erreichbar sein.

Mit EU-weiten Telefonnummern, argumentiert die Europäische Kommission, könne der Binnenmarkt gestärkt werden, indem Unternehmen etwa die Erreichbarkeit ihres Kundenservice verbesserten. Bis Ende Februar kommenden Jahres will die Kommission im Rahmen einer Konsultation nun ermitteln, ob überhaupt ein Bedarf und eine Nachfrage für solche Rufnummern besteht und will dann gegebenenfalls Vorschläge zur Einführung solcher Nummern machen.

Kroes für einheitliche Unternehmens-Rufnummern

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Die EU-Kommissions-Vizepräsidentin Neelie Kroes indes befürwortet die Idee. Sie sagte: "Die Unternehmen brauchen heute eine separate Telefonnummer in jedem Mitgliedstaat, in dem sie Kunden haben, für die sie erreichbar sein müssen. Das erschwert den Aufbau EU-weiter Dienste für ihre Kunden. Ich bitte alle Interessenten dringend, uns bei der Ausarbeitung von Vorschlägen zu helfen, die den Bedürfnissen der Unternehmen gerecht werden und sie für die Verbraucher leichter erreichbar machen."

Europaweite Kurzwahl oder einheitliche Vorwahl?

Wie die EU-Kommission weiter mitteilt, sieht man im Rahmen des EU-Telekommunikationsrechts zwei mögliche Ansätze für eine Einführung einheitlicher Unternehmensrufnummern: Eine Möglichkeit wäre die Einführung einer EU-weiten Kurzwahlnummer (z. B. beginnend mit "115"), die nur für Unternehmen reserviert wäre. Solche Nummern wären kurz, leicht zu merken und würden für ein Unternehmen eine europaweit einheitliche Telefonnummer ermöglichen.

Ein anderer Weg bestünde darin, Maßnahmen zur Einführung einer europäischen Telefonvorwahl (+3883) im Rahmen des europäischen Telefonnummernraums (European Telephony Numbering Space - ETNS) voranzutreiben. Dabei könnten Geschäftsrufnummern aus der Vorwahl +3883 und einer in allen Mitgliedstaaten gleichen Nummer bestehen.

Schon im Jahr 2000 unternahm die Internationale Fernmeldeunion (ITU) einen Versuch, einen einheitlichen europäischen Rufnummernraum einzuführen. In diesem Zusammenhang wurde 24 europäischen Ländern der Vorwahlcode +3883 zugewiesen, um einen europäischen Telefonnummernraum (ETNS) zu schaffen. Diese Zuteilungen laufen aber zum 31. Dezember aus.

Seinerzeit waren verschiedene +3883-Vorwahlen geplant

Europa generell sollte die Vorwahl 388 bekommen, wobei europäisch international tätige Firmen, Dienstleister und Privatpersonen eine einheitliche Europa-Rufnummer erhalten sollten. Vier Dienste wurden als "verfügbar" angekündigt: Öffentliche Dienste, Kundendienste (Hotlines), Firmen-Netzwerke (Corporate Networks) und persönliche Rufnummern. Jedem Dienst wurde eine europäische Service Identifikation (ESI) zugewiesen. Der 388 folgt der europäische Service "3" (deshalb auch +3883) und darauf eine weitere Zahl für

  • Öffentliche Service-Anwendung (PSA) 3883 1
  • Kundendienste (Hotlines) 3883 3
  • Firmen Netzwerke (CN) 3883 5
  • Persönliche Nummern (Personal) 3883 7.

Mangelnde Akzeptanz neuer Vorwahlen

Die mangelnde Akzeptanz jeder neuen Vorwahl hängt vermutlich mit den zu Beginn völlig unklaren Kosten zusammen. Im Dschungel der unzähligen größeren und kleineren Telefongesellschaften müssten erst wieder komplizierte Interconnect-Verhandlungen geführt werden. Gerade kleinere und nur lokal tätige Gesellschaften dürften wenig Lust haben, zu dieser neuen Vorwahl zu verbinden oder würden die Gespräche alternativ an andere Anbieter zum Weitertransport übergeben. Dabei dürfte sich die Preisfindung als schwierig herausstellen und es wäre wohl fast zwangsläufig so, dass Anrufe zu diesen Nummern zunächst anders und wesentlich teurer als sonst bepreist würden, falls sie überhaupt erreichbar wären.

Praktische Erfahrungen mit Sondervorwahlen in Deutschland

Deutsche Kunden haben genügend praktische Erfahrungen mit Sondervorwahlen wie der 012 ("innovative Dienste" - inzwischen eingestellt) oder 032 (Nationale nicht ortsgebundene Rufnummern), die Anfangs nur schwer und bis heute nur für zum Teil unverständlich hohe Tarife zu erreichen sind. Die eigene Vorwahl der Bundesregierung (01888) wurde deshalb aufgegeben und durch reguläre Rufnummern aus Bonn (0228-99) oder Berlin (030-18) ersetzt. Persönliche Rufnummern (0700) werden nur noch von wenigen Unternehmen angeboten und werden allein schon aufgrund absurd hoher Tarife aus den Mobilfunknetzen (bis zu 90 Cent pro Minute) wenig genutzt.

Selbst bei den weit verbreiteten 0180-Rufnummern denken immer mehr Unternehmen über Alternativen unter ganz regulären Festnetzrufnummern nach. Kürzlich kündigte die Deutsche Telekom umfangreiche neue Routingfunktionen für "normale" Rufnummern im Festnetz an, das bessere Routing galt als wesentlich Hauptargument für die Sondervorwahl 0180.

Weltweite Alternative 00800 ?

Eine weltweite Möglichkeit unter einer einheitlichen Rufnummer erreichbar zu sein, gibt es im Prinzip heute schon: Der international Freephone-Service mit der Vorwahl +800 (aus den meisten Ländern und Netzen 00800). Die Kennzahl "800" wurde inzwischen in den meisten Ländern als "kostenlos" gelernt und verstanden.

Anrufe zu 00800 bzw. +800 sollten im Prinzip aus allen Netzen kostenlos sein, sind sie aber nicht unbedingt. Der deutsche Mobilfunkanbieter E-Plus hat Verbindungen zur Vorwahl 00800 anfangs mit 39 Pfennigen pro Minute bepreist, weil man sich mit den beteiligten Telefongesellschaften nicht über den höheren Mobilfunkinterconnect einigen konnte oder wollte. Irgendwann wurde diese Praxis vermutlich auf Druck der Bundesnetzagentur geändert, seitdem sind 0080-Rufnummern für E-Plus-/BASE-Laufzeitvertragskunden kostenlos erreichbar.

Kunden der zahlreichen Prepaid-Produkte von E-Plus, aber auch von Vodafone und o2 können 00800-Rufnummern bis heute nicht von ihren Handys erreichen. o2 sperrt sogar die nationalen persönlichen 0700-Rufnummern für seine Prepaid-Kunden, eine offizielle Begründung gibt es dafür bis heute trotz Nachfrage nicht. Insider vermuten, daß o2 vereinzelte Call-Through-Angebote, die unter 0700 existieren sollen (oder existiert haben), den Tarifplanern bei o2 ein Dorn im Auge gewesen sein könnten.

Das führt zu der absurden Situation, dass weltweit aktive Autohersteller, die auf eine 00800-Service-Hotline für ihre Pannenhilfe setzen, immer noch kleingedruckt eine nationale Rufnummer zusätzlich mit angeben müssen, um die (mobile) Erreichbarkeit ihrer Hotline-Angebote sicherzustellen.

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