Statistik

Internet-Speed: Gemessen versus vertraglich angegeben

Die Bundes­netz­agentur hat Daten zu gemes­senen und zuge­sicherten Inter­net­geschwin­dig­keiten veröf­fent­licht. Die Autoren ordnen diese Werte ein.
Von Torsten J. Gerpott / Roman Schwetz

Am 15. März veröf­fent­lichte die Bundes­netz­agentur Daten zur Über­ein­stim­mung von tatsäch­lich gemes­senen und vertrag­lich zuge­sicherten Inter­net­zugangs­geschwin­dig­keiten in Deutsch­land für den Zeit­raum 1. Oktober 2021 bis 30. September 2022. Der folgende Artikel reiht diese jüngst vom Regu­lierer berich­teten Daten in frühere Berichte zur „Breit­band­mes­sung“ ein, die zeit­lich vom 21. Mai 2012 bis zum 30. September 2021 reichen. Bundesnetzagentur veröffentlicht Breitbandmessung Bundesnetzagentur veröffentlicht Breitbandmessung
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Hinter­grund

Die Frage, inwie­fern Inter­net­zugangs­anbieter Endkunden die maxi­malen Empfangs- und Sende­geschwin­dig­keiten liefern, die sie in ihren Verträgen nennen, wird in der Publi­kums­presse, Politik, Tele­kom­muni­kati­ons­branche und Wissen­schaft seit langem intensiv disku­tiert. Um zu der Debatte empi­rische Bezugs­punkte beizu­steuern, veröf­fent­licht die Bundes­netz­agentur (BNetzA) seit 2013 und zuletzt am 15. März dieses Jahres Daten zur Breit­band­mes­sung. Sie beruhen auf einem zerti­fizierten Über­wachungs­mecha­nismus/-instru­ment, mit dem Verbrau­cher Messungen durch­führen, und können Verbrau­cher zur Ablei­tung von Sonder­kün­digungs- und Entgelt­min­derungs­rechten ohne vorhe­rige Frist­set­zungen bei „erheb­lichen, konti­nuier­lichen oder regel­mäßig wieder­keh­renden Abwei­chungen“ zwischen der von einem Anbieter vertrag­lich benannten maxi­malen Down- bzw. Upload-Geschwin­dig­keit (MDG bzw. MUG) und der tatsäch­lichen Leis­tung eines Inter­net­zugangs über Mobil­funk- oder Fest- oder Mobil­funk­netze berech­tigen (vgl. § 57 Abs. 4 TKG sowie auf teltarif.de).

In den einschlä­gigen Publi­kationen der Behörde werden Daten zur Liefer­treue im Sinn des Verhält­nisses von gemes­sener zu vertrag­lich verein­barter Mindest­down­load­geschwin­dig­keit (MDG) bzw. Mindes­tupload­geschwin­dig­keit (MUG) typi­scher­weise für zwei Berichts­peri­oden aufge­führt. Bislang mangelt es an Analysen, welche diese Liefer­treue über sämt­liche bislang abge­deckten neun Peri­oden vom 21. Mai 2012 bis 30. September 2022 verglei­chend darstellen. Ziel dieses Beitrags ist es, zur Schlie­ßung dieser Lücke beizu­tragen, wobei aus Platz­gründen eine Konzen­tra­tion auf die MDG erfolgt. Zudem werden über alle vertrag­lich verein­barten MDG hinweg und unab­hängig vom geogra­phi­schen Standort der Messung nur Fest-, Kabel- und Mobil­funk­netze unter­schieden.

Abbil­dung 1: ADSL-, VDSL-, FTTB- und FTTH-Anschlüsse

Verhältnis von gemessener zu vertraglich vereinbarter MDG von Festnetz-Internetanschlüssen in Deutschland von 2012 bis 2022 Verhältnis von gemessener zu vertraglich vereinbarter MDG
von Festnetz-Internetanschlüssen in Deutschland
von 2012 bis 2022
Quellen: Lukas et al. (2013), Lukas et al. (2014), breitbandmessung.de (2023), Prof. Gerpott/Schwetz Analysen

Fußnoten zu Abbil­dung 1:
a) ADSL-, VDSL-, FTTB- und FTTH-Anschlüsse. 2012 und 2013 = keine Daten zu FTTB- oder FTTH-Anschlüssen in Deutsch­land verfügbar.
b) Metho­den­wechsel von Browser- (bis 31.1.2021) zu Desktop-App-Messung (ab 1.2.2021).
c) 2012 = 21.5.2012 bis 31.12.2012. 2013 = 1.7.2013 bis 31.12.2013. 2015/2016 = 25.9.2015 bis 25.9.2016. 2016/2017 = 1.10.2016 bis 30.9.2017. 2017/2018 = 1.10.2017 bis 30.9.2018. 2018/2019 = 1.10.2018 bis 30.9.2019. 2019/2020 = 1.10.2019 bis 30.9.2020. 2021 = 1.2.2021 bis 30.9.2021. 2021/2022 = 1.10.2021 bis 30.9.2022.
Angaben in runden Klam­mern = Zahl der jeweils berück­sich­tigten Teil­nehmer.
Der Zeit­raum vom 1.10.2020 bis 31.1.2021 wird nicht darge­stellt, da die Bundes­netz­agentur für diesen Zeit­raum von vier Monaten keine Aufschlüs­selung nach Netz­typen veröf­fent­licht.
Abbil­dung 1 zeigt den Anteil der Teil­nehmer mit einem Fest­netz­anschluss (FNA), bei dem mindes­tens 50 Prozent, 70 Prozent bzw. 100 Prozent der vertrag­lich verein­barten MDG erreicht wurde. Dabei wurden als FNA ADSL-, VDSL-, FTTB- und FTTH-Anschlüsse einge­stuft. Für die Zeit­rei­hen­betrach­tung bedeutsam ist, dass bei FNA (und Kabel­netz­anschlüssen, s.u. Abbil­dung 2) die Geschwin­dig­keits­bestim­mung bis zum 31. Januar 2021 über den Browser der Teil­nehmer erfolgte. Danach wurde sie über eine Desktop-App reali­siert und ist seither damit nicht mehr von Leis­tungs­fähig­keits­aspekten von Brow­sern abhängig. Der sach­lich über­zeu­gende Metho­den­wechsel hat einer­seits die Mess­qua­lität verbes­sert. Ande­rer­seits hat er aber die Zahl der Teil­nehmer an der Breit­band­mes­sung mit einem FNA (bzw. Kabel­anschluss; s.u. Abbil­dung 2) um mehr als 50 Prozent gedrückt; Grund hierfür ist, dass Herun­ter­laden und Inbe­trieb­nahme der Desktop-App aufwän­diger sind als die frühere Browser-basierte Messung.

Abbil­dung 1 ist zu entnehmen, dass der Prozent­satz der Teil­nehmer, bei dem die drei ausge­wählten Schwel­len­werte für die MDG jeweils mindes­tens erreicht wurden, seit der Mess­periode 2015/2016 (s. Fußnote c in Abbil­dung 1) sich in jedem Berichts­zeit­raum erhöht hat: Im jüngsten Berichts­zeit­raum vom 1. Oktober 2021 bis 30. September 2022 wurde bei 85,5 Prozent bzw. 72,8 Prozent bzw. 40,0 Prozent der Teil­nehmer mit einem FNA 50 Prozent bzw. 70 Prozent bzw. 100 Prozent der vertrag­lich fest­gelegten MDG gemessen. Im Zeit­fenster 25. September 2015 bis 25. September 2016 betrugen die entspre­chenden Werte erst 68,9 Prozent bzw. 53,0 Prozent bzw. 5,0 Prozent.

Abbil­dung 2: Kabel­netz­anschlüsse

Verhältnis von gemessener zu vertraglich vereinbarter MDG von Kabelnetz-Internetanschlüssen in Deutschland von 2012 bis 2022 Verhältnis von gemessener zu vertraglich vereinbarter MDG
von Kabelnetz-Internetanschlüssen in Deutschland
von 2012 bis 2022
Quellen: Lukas et al. (2013), Lukas et al. (2014), breitbandmessung.de (2023), Prof. Gerpott/Schwetz Analysen

Fußnoten zu Abbil­dung 2:
a) 2015/2016 = Unity­media, Voda­fone, Tele Columbus, Primacom, cable­surf. 2016/2017 = Unity­media, Voda­fone, Tele Columbus, cable­surf, RFT kabel Bran­den­burg. 2017/2018, 2018/2019 und 2019/2020 = Voda­fone, Unity­media, PŸUR, cable­surf, RFT kabel Bran­den­burg. 2021 und 2021/2022 = Voda­fone und PŸUR.
b) Metho­den­wechsel von Browser- (bis 31.1.2021) zu Desktop-App-Messung (ab 1.2.2021).
c) 2012 = 21.5.2012 bis 31.12.2012. 2013 = 1.7.2013 bis 31.12.2013. 2015/2016 = 25.9.2015 bis 25.9.2016. 2016/2017 = 1.10.2016 bis 30.9.2017. 2017/2018 = 1.10.2017 bis 30.9.2018. 2018/2019 = 1.10.2018 bis 30.9.2019. 2019/2020 = 1.10.2019 bis 30.9.2020. 2021 = 1.2.2021 bis 30.9.2021. 2021/2022 = 1.10.2021 bis 30.9.2022.
Angaben in runden Klam­mern = Zahl der jeweils berück­sich­tigten Teil­nehmer.
Der Zeit­raum vom 1.10.2020 bis 31.1.2021 wird nicht darge­stellt, da die Bundes­netz­agentur für diesen Zeit­raum von vier Monaten keine Aufschlüs­selung nach Netz­typen veröf­fent­licht.
Abbil­dung 2 berichtet den Anteil der Teil­nehmer mit einem Kabel­netz­anschluss (KNA), bei dem mindes­tens 50 Prozent, 70 Prozent bzw. 100 Prozent der vertrag­lich verein­barten MDG erreicht wurde. KNA sind Inter­net­zugänge, die über ursprüng­lich seit Mitte der 1980er Jahre zur Rund­funk­ver­tei­lung in Deutsch­land mit Koaxi­alka­beln errich­tete und seit etwa dem Jahr 2000 mit DOCSIS-Technik aufge­rüs­tete Netze reali­siert werden. Auch für KNA ist zu beachten, dass die Geschwin­dig­keits­bestim­mung ab dem 1. Februar 2021 von einer Browser-Messung auf eine Desktop-App umge­stellt wurde.

Abbil­dung 2 belegt, dass der Anteil der Teil­nehmer, bei dem die drei ausge­wählten Schwel­len­werte für die MDG jeweils mindes­tens erreicht wurden, in KNA seit der Mess­periode 2018/2019 (s. Fußnote c in Abbil­dung 2) sich in jedem Betrach­tungs­zeit­raum erhöht hat: In der letzten Periode vom 1. Oktober 2021 bis 30. September 2022, wurde bei 80,5 Prozent bzw. 72,5 Prozent bzw. 56,0 Prozent der Teil­nehmer mit einem KNA 50 Prozent bzw. 70 Prozent bzw. 100 Prozent der vertrag­lich verein­barten MDG gemessen. Im Zeit­fenster 1. Oktober 2018 bis 30. September 2019 lagen die entspre­chenden Werte erst 64,0 Prozent bzw. 54,2 Prozent bzw. 22,4 Prozent.

Im Vergleich zu FNA nahm bei KNA die Liefer­treue etwa zwei Jahre später konti­nuier­lich zu. Dies lässt sich darauf zurück­führen, dass die Netz­betreiber in Deutsch­land vor allem mit (V)DSL-Technik zeit­lich früher als mit DOCSIS-Technik Erfah­rungen sammeln konnten. Im Hinblick auf die Schwelle der 100-Prozent-Liefer­treue weisen KNA seit Mai 2012 fast durchweg um mindes­tens rund 10 Prozent­punkte bessere Werte aus als FNA. Hingegen sind FNA etwas besser als KNA, wenn darum geht, 50 Prozent oder 70 Prozent der vertrag­lich verein­barten MDG zu errei­chen.

Abbil­dung 3: Mobil­funk-Inter­net­anschlüsse

Verhältnis von gemessener zu vertraglich vereinbarter MDG von Mobilfunk-Internetanschlüssen in Deutschland von 2015 bis 2022 Verhältnis von gemessener zu vertraglich vereinbarter MDG
von Mobilfunk-Internetanschlüssen in Deutschland
von 2015 bis 2022
Quellen: breitbandmessung.de (2023), Prof. Gerpott/Schwetz Analysen

Fußnoten zu Abbil­dung 3:
a) Inter­net­zugang mittels Smart­phone oder Tablet über alle Mobil­funk­stan­dards (z.B. 2G GSM, 4G LTE, 5G) und Stan­dards für öffent­liche WLAN (z.B. IEEE 802.11/Wi-Fi).
b) 2015/2016 = 25.9.2015 bis 25.9.2016. 2016/2017 = 1.10.2016 bis 30.9.2017. 2017/2018 = 1.10.2017 bis 30.9.2018. 2018/2019 = 1.10.2018 bis 30.9.2019. 2019/2020 = 1.10.2019 bis 30.9.2020. 2021 = 1.2.2021 bis 30.9.2021. 2021/2022 = 1.10.2021 bis 30.9.2022.
Angaben in runden Klam­mern = Zahl der jeweils berück­sich­tigten Teil­nehmer.
Für die Zeit ab dem 25. September 2015 veröf­fent­licht die BNetzA auch Daten zum Verhältnis von gemes­sener zu vertrag­lich verein­barter MDG von Mobil­funk-Inter­net­anschlüssen (MFA) in Deutsch­land (zur genauen Abgren­zung von MFA siehe Fußnote a in Abbil­dung 3).
Abbil­dung 3 gibt zu erkennen, dass die Liefer­treue bei MFA
  • um mehr als 35 Prozent­punkte unter derje­nigen von FNA und KNA liegt,
  • im Betrach­tungs­zeit­raum einen u-ähnli­chen Verlauf hat und
  • sich für jede der drei Mindest­prozent­schwellen von 2015/2016 bis 2021/2022 nicht verbes­sert hat
Die bei MFA im Vergleich zu FNA/KNA nied­rige Liefer­treue ist in erster Linie auf tech­nische Faktoren zurück­zuführen. Die MDG wie auch die vertrag­lich fixierten Mindest­emp­fangs­geschwin­dig­keiten werden tech­nisch von netz- und nutzer­sei­tigen Faktoren in Mobil­funk­netzen stärker als bei FNA/KNA beein­flusst. Zu den netz­sei­tigen Faktoren gehören die geogra­phi­sche Lage einer Basis­sta­tion, deren höchs­tens zuläs­sige Sende­leis­tung, deren Frequenz­bereiche und die von ihr unter­stützte Mobil­funk­netz­gene­ration (2G GSM, 4G LTE, 5G). Zu den nutzer­abhän­gigen Faktoren zählen die Entfer­nung von einer Basis­sta­tion, die Stärke der Abschir­mung eines Stand­orts gegen Funk­wellen, die Bewe­gungs­geschwin­dig­keit, die tech­nischen Eigen­schaften des Endge­räts und tarif­lich verein­barte daten­volu­men­ver­brauchs­bezo­gene Verrin­gerungen der mini­malen bzw. maxi­malen Empfangs- bzw. Sende­geschwin­dig­keit.

Fazit

Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott
Foto: Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott
Von Mai 2012 bis September 2022 hat die Liefer­treue im Sinn des Verhält­nisses von gemes­sener zu vertrag­lich verein­barter MDG bei FNA und KNA in Deutsch­land zuge­nommen, bei MFA hingegen nicht. Die nied­rige Liefer­treue bei MFA spie­gelt sich auch darin wider, dass Teil­nehmer an der BNetzA-Breit­band­mes­sung mit einem MFA deut­lich weniger zufrieden sind als Kunden mit einem FNA/KNA.

Die in den letzten zwei Berichts­peri­oden gestie­gene Liefer­treue bei FNA und KNA geht einher mit höherer Kunden­zufrie­den­heit für diese Anschluss­typen. Ob diese höhere Zufrie­den­heit auf die verbes­serte Vertrags­ein­hal­tung, den Metho­den­wechsel von einer Browser- auf eine Desktop-App-Messung oder eine Absen­kung des Anspruchs­niveaus der Kunden zurück­zuführen ist, kann derzeit auf Basis der BNetzA-Breit­band­mes­sungen allein nicht sicher geklärt werden. Auf die nächsten Berichte des Regu­lie­rers zur Einhal­tung vertrag­lich fest­gehal­tener MDG vermut­lich im März 2024 und 2025 darf man gespannt sein.

Zu den Personen:

Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott leitet den Lehr­stuhl für Unter­neh­mens- und Tech­nolo­gie­pla­nung an der Mercator School of Manage­ment Duis­burg der Univer­sität Duis­burg-Essen.

M.Sc. Wirt.-Ing. Roman Schwetz ist wissen­schaft­licher Mitar­beiter am Lehr­stuhl von Prof. Gerpott.

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