Das Risiko, Glasfaser-Investoren abzuschrecken
Auf der ANGA COM präsentierte der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) seine vierte Gigabit-Studie. Laut VATM wird beim Glasfaserausbau im Sommer 2022 die 10-Millionen-Marke überschritten. „Von Ende 2021 bis Ende Juni 2022 wird die Zahl der FTTB/H-Anschlüsse um 1,7 Millionen und damit um rund 20 Prozent auf 10,1 Millionen steigen", erklärte der Telekommunikationsexperte Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, wissenschaftlicher Beirat der Unternehmensberatung DIALOG CONSULT und Inhaber des Lehrstuhls für TK-Wirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. „Die Zahlen belegen eine weiterhin sehr hohe Dynamik beim Netzausbau", sagte VATM-Präsident David Zimmer. "Die Investoren haben den Glasfaserausbau in Deutschland für sich entdeckt."
Infrafibre-CEO Jürgen Hansjosten skizzierte auf der Anga Com die Gefahr des Überbaus für private Investitionen
Foto: MH Media
Rund 50 Milliarden Euro wollen jene Investoren in den Glasfaserausbau in Deutschland pumpen. "Wir haben derzeit eine gute Ausgangssituation", sagte Zimmer. Allerdings benötigen Investoren Sicherheit. Infrafibre Germany ist vornehmlich im ländlichen Raum aktiv. Die Deutsche Telekom ist hier der klassische Wettbewerber. "Wenn die Telekom ein zweites Netz baut, ziehen sich Investoren zurück, denn dann wird ihr Businessmodell unprofitabel", erklärte Infrafibre-CEO Jürgen Hansjosten auf der ANGA COM - ganz abgesehen davon, dass sich Kommunen auf diese Weise in die Abhängigkeit der Telekom begeben würden.
Überbau verhindern durch Open Access
Insbesondere die Breitbandförderung des Bundes wurde in Köln von der Branche als unausgewogen kritisiert. "Die Förderung geht massiv gegen den eigenwirtschaftlichen Ausbau", sagte Zimmer. Abgesehen von der Förderung greife nach Ansicht des VATM-Präsidenten der Staat auch über seine Anteile an der Deutschen Telekom sowie über die Regulierung in den Markt ein. "Der Staat muss sich zurücknehmen und mehr Vertrauen in den Markt haben", forderte Zimmer. Um das von Hansjosten skizzierte Risiko des Überbaus zu minimieren, kann sich Zimmer eine Situation wie im Strommarkt vorstellen, wo jeder Zugang zum Netz des anderen hat - Stichwort Open Access. "Es gibt unter den Geschäftsmodellen der Investoren keines ohne Open Access", sagt Infrafibre-CEO Hansjosten.
VATM-Präsident David Zimmer forderte auf der Anga Com mehr Vertrauen in den Markt
Foto: MH Media
An Open Access wird in Deutschland kein Weg vorbeiführen, da sich der Glasfasermarkt nach Angaben von Dieter Trimmel, TMT Strategie Partner bei Deloitte, in Richtung Superfragmentation entwickele. Das ist jedoch nicht für alle von Vorteil. "Je fragmentierter der Markt, desto schwieriger wird es für uns, standardisierte Produkte einzukaufen", erklärte Michael Ritter, Sales Director Strategic Alliances DACH & CEE beim Connectivity-Anbieter Colt Technology Services. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich der Markt in Zukunft konsolidiert. Dass aber Big-Tech-Unternehmen wie Google, Meta oder Amazon in Deutschland Access-Netze aufkaufen werden, hält TK-Experte Gerpott für ausgeschlossen. Die Wachstumschancen seien laut Gerpott für diese Unternehmen mit digitalen Diensten größer als in der Telekommunikation.
In einer weiteren ANGA-COM-News geht es um das Thema Gratis-Streaming könnte Netflix & Co. übertrumpfen.