Breitbandausbau

ANGA COM 2022: "Dümmeres System als jede Planwirtschaft"

Die Bürger­meister wollen den flächen­deckenden Glas­faser­ausbau, Netz­betrei­bern sind die Hände gebunden. Auf der Breit­band­messe ANGA COM gab es zudem reich­lich Kritik an der Breit­band­för­derung. Was muss sich ändern?
Von der Fachmesse ANGA COM in Köln berichtet Marc Hankmann

Bis 2025 sollen 20 Millionen Haus­halte in Deutsch­land über einen Glas­faser­anschluss im Internet surfen. Das bedeu­tetet: Pro Jahr müssen rund drei Millionen dieser Anschlüsse gebaut werden. Doch rund ein Viertel aller Haus­halte kann nur über die staat­liche Förde­rung erschlossen werden. Damit sollte eigent­lich klar sein, was zu tun ist, aber dass Erkenntnis und Umset­zung zwei verschieden paar Schuhe sind, wurde auf dem gest­rigen Eröff­nungstag der ANGA COM in Köln deut­lich.

Im Panel "Breit­band­för­derung: Wo liegt die Balance zum privat finan­zierten Ausbau?" legten Netz­betreiber und ihre Vertreter den Finger in die Wunde: zu viel Büro­kra­tisie­rung, zu geringe Bauka­pazi­täten und eine Breit­band­för­derung, die viel Kritik einste­cken muss. Ein Mann in hellblauem Hemd und schwarzen Sakko sitze mit gefalteten Händen auf seinem Schoß. VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützern nahm bei seiner Kritik an der Breitbandförderung des Bundes kein Blatt vor dem Mund
Foto: MH Media
"Wir bemühen uns seit mindes­tens zwei Jahren, um einen DIN-Stan­dard für minder­tiefe Verle­geme­thoden zu erstellen", eröff­nete Andrea Huber, Geschäfts­füh­rerin des Breit­band­ver­bands Anga, den Reigen. Dass die öffent­liche Hand in den Kommunen solchen Verle­geme­thoden, insbe­son­dere dem Tren­ching, kritisch gegen­über­steht, räumte auch Tobias Miethaner ein. "Mit Tren­ching kann man 400 Meter Glas­faser pro Tag verlegen, im klas­sischen Tiefbau 100 bis 150 Meter", plädierte auch der Leiter der Abtei­lung "Digi­tale Gesell­schaft" im Bundes­minis­terium für Digi­tales und Verkehr (BMDV) für minder­tiefe Verle­geme­thoden. Miethaner sprach sich zudem für einen digi­talen Prozess aus, der alle Betei­ligten mit einbe­zieht, damit Akten­ordner nicht hin- und herge­schoben werden müssten.

Politik soll Kommunen reinen Wein einschenken

An der Breit­band­för­derung des Bundes wurde kaum ein gutes Haar gelassen. Zwar hätten laut Miethaner die Kommunen damit erst­mals einen Hebel, um Unter­nehmen über­haupt dazu zu bringen, in nicht renta­blen Regionen Glas­faser­netze zu errichten, aber speziell das Markt­erkun­dungs­ver­fahren für den geför­derten Ausbau, und hierin die Verpflich­tung des Netz­baus inner­halb von drei Jahren, stieß im Panel auf Kritik. "Wir haben ein System, dass dümmer ist als jede Plan­wirt­schaft", erei­ferte sich Jürgen Grützner, Geschäfts­führer des Verbands der Anbieter von Tele­kom­muni­kations- und Mehr­wert­diensten (VATM). Es bräuchte klare Ansagen seitens der Politik, wer wann ein Markt­erkun­dungs­ver­fahren starten dürfe. Den Kommunen müsse reiner Wein einge­schenkt werden, wenn ein Ausbau nicht in den kommenden drei, sondern even­tuell erst in vier oder fünf Jahren möglich ist. Zu sehen ist ein Mann in weißem Hemd mit schwarzem Sakko. BMDV-Abteilungsleiter Tobias Miethaner warb um Verständnis für die Perspektive der Kommunen
Foto: MH Media
Wolf­gang Kopf, Leiter des Zentral­bereichs Politik und Regu­lie­rung der Deut­sche Telekom AG, wies darauf hin, dass der geför­derte Ausbau sinn­voll sei, aber eben auch erheb­liche Bauka­pazi­täten binde, mit denen ander­orts schneller mehr Haus­halte verglast werden könnten. "Für Inves­toren ist es schlecht, wenn im Markt Unsi­cher­heit herrscht", schloss sich Kopf den Aussagen Grütz­ners an. Der VATM-Geschäfts­führer schlug vor, ähnlich wie in Nord­rhein-West­falen eine Poten­zial­ana­lyse für Deutsch­land zu erstellen, aus der eine Reihen­folge hervor­geht, wo am schnellsten Glas­faser ausge­baut werden könne.

VATM will Kommunen Perspek­tive geben

Dagegen verwies Miethaner auf die Perspek­tive der Kommunen. Die Bürger­meister wollen für ihre Kommune den flächen­deckenden Glas­faser­ausbau. "Es wird schwierig für Kommu­nal­poli­tiker, wenn ihnen gesagt wird: Warte ab, bis du an der Reihe bist", sagte der BMDV-Abtei­lungs­leiter auf der ANGA COM. Schnelles Internet gehöre aus Sicht der Bürger­meister zur Daseins­grund­ver­sor­gung, die sie für alle Bürger ihrer Kommune sicher­stellen wollen.

Um das Span­nungs­feld zwischen dem Wunsch der Kommunen nach einer flächen­deckenden und notfalls geför­derten Glas­faser­abde­ckung und dem für Tele­kom­muni­kati­ons­unter­nehmen Mach­baren aufzu­lösen, schlug Grützner ein Modell vor, mit dem der VATM nun auf die Länder zugehen will. In 50 Prozent der Fälle bauen die TK-Unter­nehmen so aus, wie es für sie am schnellsten geht. Die anderen 50 Prozent bilden den Bereich, in dem die Kommunen den größten Förder­bedarf sehen und ins Markt­erkun­dungs­ver­fahren gehen. Auf diese Weise will der VATM den Kommunen eine Perspek­tive für einen flächen­deckenden Glas­faser­ausbau geben - mit und ohne Förde­rung.

In einer weitere ANGA-COM-News geht es um das Thema Gratis-Strea­ming könnte Netflix & Co. über­trumpfen.

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