Schnelles Internet: Erschwingliche Versorgungspreise
Mit der Novelle des Telekommunikationsgesetzes wurde als Bestandteil des individuellen Anspruchs von Endnutzern auf Versorgung mit Telekommunikationsdiensten ein Recht auf einen schnellen Internetanschluss geschaffen, der für Verbraucher zu einem erschwinglichen Preis beziehbar sein muss. Dieser Erschwinglichkeitsanspruch wurde von der Bundesnetzagentur in einer Verwaltungsvorschrift am 16.8.2022 konkretisiert. Die nachfolgende Analyse zeigt, dass die neuen Regelungen den Ausbau wirklich schneller Internetanschlüsse zwar kaum behindern, aber auch nicht voranbringen.
In manchen Haushalten ist schnelles Internet ein dunkles Kapitel.
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Die Ausformung der am 1.12.2021 in Kraft getretenen Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) als wichtigstes Element des Telekommunikationsmodernisierungsgesetzes über Verordnungen und Verwaltungsvorschriften wird wie viele Wirtschaftsrechtssetzungen von der breiteren Öffentlichkeit kaum beachtet. Eine Ausnahme davon bildet das Recht von Endnutzern auf Versorgung mit Telekommunikationsdiensten. Dessen Gestaltung wurde und wird unter der Überschrift „Recht auf schnelles Internet“ (RASI) auch in Publikumsmedien und von den in Bundes- und Landtagen vertretenen Parteien vielfach diskutiert.
RASI-Komponenten
Das RASI beinhaltet für Verbraucher zwei Komponenten. Erstens umfasst es den Anspruch am Hauptwohnsitz einen schnellen Internetanschluss (SIA) nutzen zu können, der gemäß § 2 Telekommunikationsmindestversorgungsverordnung regelmäßig eine Download-Datenrate von mindestens 10 Mbit/s, eine Upload-Geschwindigkeit von minimal 1,7 Mbit/s und eine Latenz von höchstens 150 ms bietet. Sollte sich kein Anbieter finden, der den SIA freiwillig bereitstellt, hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) gemäß § 161 TKG ein Unternehmen zu verpflichten, das die Unterversorgung abstellt. Zweitens schließt es den Anspruch ein, einen SIA „zu einem erschwinglichen Preis“ beziehen zu können. Da das Konzept der Erschwinglichkeit in unterschiedlichster Weise interpretiert werden kann, fordert § 158 Abs. 1 S. 2 TKG von der BNetzA, „Grundsätze über die Ermittlung erschwinglicher Preise“ als selbstbindende Verwaltungsvorschrift zu erarbeiten. Die Grundsätze hat die Behörde am 16.8.2022 vorgelegt. Die Prinzipien hätten eigentlich gemäß § 158 Abs. 1 S. 2 TKG schon bis zum 1.6.2022 fertig sein müssen. Dennoch nimmt die BNetzA mit ihnen innerhalb der EU eine Vorreiterrolle ein, da in anderen Mitgliedsstaaten bislang keine Methoden zur Erschwinglichkeitsermittlung für SIA-Preise konkretisiert wurden.
Materiell differenziert die BNetzA zwischen der Bestimmung „des erschwinglichen monatlichen Preises für die Dienstenutzung“ (S. 5) und „den Anschluss an ein öffentliches Telekommunikationsnetz“ (S. 5) an einem festen Standort.
Erschwingliche monatliche Dienstenutzung
Die Preisobergrenze für die monatliche Dienstenutzung bildet die BNetzA anhand des bundesweiten Durchschnitts aus den Preisen für am Markt angebotene Produktbündel aus SIA, Internetzugangs- und Sprachkommunikationsdienst an einem festen Standort, deren Qualität den o.g. Standards entsprechen, sie aber im Hinblick auf Down- und Upload nicht „wesentlich übererfüllen“ (S. 5). Damit verschließt die Behörde zwar Anbietern die Option, regional vor allem infolge unterschiedlicher Besiedelungsdichten divergierende Ausbaukosten teilweise oder komplett über monatliche Entgelte zurückzuverdienen. Diese Einschränkung ist aber für die Praxis unerheblich, da deutschlandweit tätige Anbieter sie ohnehin nicht regional produktbezogen differenzieren. Die Methodik schließt nicht aus, dass sich eine Erschwinglichkeitsgrenze ergibt, die für Anbieter nicht kostendeckend ist, weil Marktpreise infolge hohen Wettbewerbsdrucks unterhalb des Niveaus liegen, das für nahezu jeden Verbraucher noch bezahlbar ist. Dieses Manko lässt sich zwar dadurch kompensieren, dass einem Anbieter bei nicht kostendeckenden Verbraucherpreisen im Fall einer unzumutbaren Belastung ein Verlustausgleich gemäß § 162 TKG zusteht. In der Praxis dürfte diese theoretische Möglichkeit aufgrund ihres Ausnahmecharakters und hohen bürokratischen Aufwands jedoch kaum von Bedeutung sein. Die für das RASI in Betracht kommenden SIA können über unterschiedliche Netztechnologien (Kupfer-, Koaxial- oder Glasfaserkabel, Funk, Satellit) realisiert werden. Die Grundsätze geben deshalb vor, dass zur Abbildung der tatsächlichen Marktsituation Preise „mit der relativen Anzahl an Nutzern“ (S. 9) der Technologien zu gewichten sind. Dieses Verfahren ist sachgerecht.
Bei der monatlichen Preisgrenze sollen „die im Zusammenhang mit dem Betrieb von Telekommunikationseinrichtungen anfallenden Aufwendungen, insbesondere für Strom, welche über das übliche Maß hinausgehen, berücksichtigt [werden]“ (S. 9). Hierdurch sollen über Satellit versorgte Verbraucher entlastet werden. Dieser Grundsatz widerspricht den Prinzipien bei der Erschwinglichkeitsermittlung mittlere Monatsmarktpreise heranzuziehen und technologieneutral vorzugehen. Der Passus sollte deshalb aus den Grundsätzen entfernt werden. Systematisch korrekt wäre es, Betriebskostenunterschiede im Einzelfall in Unterversorgungsfeststellungen gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 TKG einzubeziehen und nicht in Erschwinglichkeitsgrundsätzen.
Erschwinglicher TK-Netzanschluss
Den maximal tolerierbaren Upfront-Preis für den Anschluss an ein öffentliches Telekommunikationsnetz bestimmt die BNetzA grundsätzlich ähnlich wie den Grenzwert für das monatliche Nutzungsentgelt als bundesweiten Durchschnitt aus am Markt beobachteten, mit ihrem Nutzeranteil gewichteten einmaligen Preisen für den Anschluss. Allerdings behält sich die Behörde vor, bei dem Anschlusspreis „im Einzelfall regionale Besonderheiten [zu] berücksichtigen ... , indem der durchschnittliche Preis für den Anschluss in einem Landkreis als Referenz herangezogen wird“ (S. 5).
An diesem Vorgehen bemängeln Branchenverbände, dass es innerhalb von Landkreisen das Haushaltsnettoeinkommen und weitere Referenzpunkte außer Betracht lassen würde. Der Einwand überzeugt nicht, da regionale Unterschiede im Einkommen in die Preissetzungen der Anbieter einfließen und ihnen zudem bei sozial schwachen Verbrauchern gezielter über direkte Unterstützungsleistungen Rechnung getragen werden kann. Die Kritiker lassen auch im Dunkeln, welche zusätzlichen Referenzpunkte denn zu betrachten wären und aus welchen Quellen sie entnommen werden könnten.
Weiter wird vorgebracht, dass mit einem technologieunabhängigen durchschnittlichen Limit für den SIA-Preis die Erfüllung des RASI über erdnahe Satellitensysteme aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Anschlusskosten/-preise unmöglich gemacht werden würde. Dem ist – wie oben dargelegt – zu entgegnen, dass einem Satellitenbetreiber bei nicht kostendeckenden Anschlusspreisen im Fall einer unzumutbaren Belastung eine Verlustkompensation gemäß § 162 TKG von der BNetzA zugesprochen werden kann, sofern er bereit ist, den aufwändigen Prozess des Ausgleichsverfahrens zu durchlaufen.
Die Erschwinglichkeitsgrundsätze gehen nicht darauf ein, in welchen Abständen die Behörde Preisgrenzen im Regelfall zu aktualisieren gedenkt. Im Analogieschluss zu § 157 Abs. 1 S. 3 TKG liegt es allerdings sehr nahe, dass mindestens einmal pro Jahr eine Überprüfung vorzunehmen ist, deren Ergebnisse gegebenenfalls für Änderungen der Höchstwerte für Anschlusspreise (und monatliche Nutzungspreise) heranzuziehen sind.
Ausblick
Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott
Foto: Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott
Die von der BNetzA jetzt umzusetzenden Bildungen von Durchschnittswerten dürften aktuell zu einer Grenze der maximalen monatlichen Kosten für einen SIA von insgesamt merklich weniger als 25 EUR (inklusive Umsatzsteuer) führen. Im Einzelfall kann diese Schranke ungerecht sein. Für die Intendantin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt wären mehr als 25 EUR erschwinglich; für den Praktikanten eines Bundestagsabgeordneten könnten schon 25 EUR nicht bezahlbar sein. Höhere Einzelfallgerechtigkeit kann aber über gezielte direkte Sozialtransfers hergestellt werden (s.o.).
Angesichts dessen, dass Kosten von 25 EUR lediglich etwa 0,6 Prozent des Mittelwerts der Summe aus Einkommen und anderen Einnahmen eines durchschnittlichen Privathaushalts in Deutschland im Jahr 2022 entsprechen, ist in jedem Fall für den Gesamtmarkt nicht damit zu rechnen, dass Privathaushalte, die heute über monatlich 25 EUR für einen Internetanschluss mit deutlich mehr als 10 Mbit/s Download und 1,7 Mbit/s Upload aufwenden, massenhaft zu einem „erschwinglichen“ Produkt mit niedrigerer Qualität wechseln werden. Damit wird die praktische Marktrelevanz erschwinglicher Preise allein durch die Zahl der Privathaushalte bestimmt, die gegenwärtig noch nicht mit einem 10 Mbit/s-Anschluss an ihrem Hauptwohnsitz versorgt sind.
Aus Statistiken zum SIA-Versorgungsstand in Deutschland Mitte 2021 lässt sich ableiten, dass Mitte 2022 maximal 200.000 Haushalte in 100.000 Gebäuden an ihrem Hauptwohnsitz keinen SIA mit einer minimalen Downloadrate von 10 Mbit/s beziehen konnten. Das entspricht einem Anteil von jeweils 0,5 Prozent aller privaten Wohnsitzhaushalte bzw. Wohngebäude in Deutschland. Die Bundesregierung hat zwar schon angekündigt, Mitte 2023 den SIA-Standard für den Download auf minimal 15 Mbit/s und für die Untergrenze beim Upload (ohne Nennung eines konkreten Wertes) zu erhöhen. Aber selbst mit diesen Vorgaben wären Mitte 2023 ebenfalls höchstens 200.000 Haushalte in 100.000 Gebäuden von nicht erschwinglichen SIA-Preisen betroffen. Starke Marktverzerrungen durch die Grundsätze für erschwingliche Preise sind deshalb sehr unwahrscheinlich. Die Aufmerksamkeit, die den Versorgungs- und Erschwinglichkeitskomponenten des RASI in der Wirtschafts- und Rechtspolitik sowie in Massenmedien geschenkt wurde und wird, wirkt deshalb übertrieben.
Wichtiger wäre es den Ausbau von Glasfasernetzen jenseits des RASI zu stärken. Einschlägige Hebel hat die Bundesregierung in ihrer am 13.7.2022 verabschiedeten Gigabitstrategie, deren Kernpunkte sich auch in ihrer breiter angelegten Digitalstrategie vom 31.8.2022 wieder finden, identifiziert. Sie umfassen
- die Unterstützung der Digitalisierung vereinheitlichter bau- und wegerechtlicher Genehmigungsverfahren in den Kommunen bzw. Bundesländern,
- die Erleichterung der kostengünstigeren und schnelleren mindertiefen Verlegung von Glasfaserkabeln (z.B. durch Standardisierung von Grabungs-, Fräs- und Pflugverfahren),
- die Schaffung eines Gigabit-Grundbuches als zentrales Portal für den Informationszugang über vorhandene Netze,
- die enge Ausrichtung entbürokratisierter staatlicher Förderprogramme für Breitbandnetze auf Gebiete, in denen die betriebswirtschaftlichen Potenziale für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau privater Netzbetreiber fehlen.
Zur Person
Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott leitet den Lehrstuhl für Unternehmens- und Technologieplanung an der Mercator School of Management Duisburg der Universität Duisburg-Essen.