Nachbesserungen

Kartellamt kritisiert Vectoring-Konsultationsentwurf der BNetzA

Das Bundeskartellamt fordert von der BNetzA Nachbesserungen am Vectoring-Entscheidungsentwurf. Staatliche Subventionen könnten ein Telekom-Monopol verhindern und die Wettbewerber müssten besser zum Zug kommen. Außerdem solle sich die BNetzA entscheiden, welches Regulierungsziel ihr eigentlich wichtiger ist - Wettbewerb oder schneller Ausbau.
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Nachdem die Bundesnetzagentur im November den Ent­scheidungs­ent­wurf zu Vectoring veröffentlicht hatte, kritisierten die Wettbewerber der Telekom diesen Entwurf heftig. Doch auch der Beirat der Bundesnetzagentur forderte Nachbesserungen. Nun wurde eine weitere kritische Stimme bekannt: Das Bundeskartellamt hatte der BNetzA am 3. März eine kritische Stellungnahme zugesandt, diese hat die BNetzA heute ohne weiteren Kommentar auf ihre Webseite hochgeladen.

Das Kartellamt betrachtet die Rolle der Telekom in dem Entscheidungsentwurf weit kritischer als die BNetzA. Diese hat in dem Entwurf eine Lösung vorgeschlagen, bei der die Telekom im Hvt-Nahbereich VDSL2-Vectoring exklusiv erschließen darf, wenn sie den Wettbewerbern dafür ein lokales virtuell entbündeltes Zugangsprodukt (VULA) offeriert und weitere Verpflichtungen eingeht.

Windhundrennen würde mehr Wettbewerb bringen

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Das Bundeskartellamt konstatiert, die Telekom verfüge als Eigentümerin fast aller Teilnehmeranschlussleitungen über eine erhebliche Marktmacht. Insbesondere wegen der Tiefbaukosten sei bei der Verlegung der TAL "von beträchtlichen und anhaltenden strukturell bedingten Marktzutrittschranken auszugehen"; auch längerfristig bestehe auf dem TAL-Vorleistungsmarkt "keine Tendenz zu wirksamem Wettbewerb."

Bei der Vermarktung gegenüber den Endkunden würden die Wettbewerber der Telekom über alle Breitbandanschlüsse (inklusive FTTH/FTTB, TV-Kabel) inzwischen auf einen Marktanteil von 58 Prozent kommen, die Telekom auf 42 Prozent. Insbesondere die Nachfrage nach Anschlüssen mit mittlerer Bitrate würde steigen.

Die Beschlusskammer 3 der BNetzA hat in ihrer Entscheidung zum Vectoring außerhalb des Nahbereichs ein sogenanntes "Windhundrennen" vorgesehen. Das bedeutet: Dasjenige Unternehmen kommt zum Zuge, das zuerst einen Ausbau verbindlich in die sogenannte Vectoringliste einträgt.

Das Kartellamt konstatiert, dass auf der Basis eines Windhundrennens die Telekom "wohl nicht bereit wäre, an ihrer Selbstverpflichtung eines vollständigen Vectoringausbau innerhalb der Nahbereiche festzuhalten, so dass bestimmte unwirtschaftliche Nahbereiche dann vorerst nicht ausgebaut würden."

Kartellamt: Staatliche Subventionierung statt Telekom-Bevorzugung

In einem zentralen Abschnitt des Dokuments schlägt das Kartellamt darum rundheraus eine ganz andere Lösung für den Breitbandausbau vor, der ohne eine Bevorzugung der Telekom auskommen würde:

Statt des hiermit verbundenen Verzichts auf Wettbewerb um wirtschaftliche Nahbereiche im Rahmen eines "Windhundrennens" zugunsten des Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht wäre eine transparente und direkte staatliche Subventionierung derjenigen Nahbereiche vorzugswürdig, die trotz unterschiedlicher Kostenstrukturen und Geschäftsmodelle für keines der Unternehmen derzeit wirtschaftlich ausbaubar sind. Im Rahmen derartiger Ausschreibungen könnten neben der Telekom auch Wettbewerber den Zuschlag für den Ausbau von Nahbereichen erhalten, soweit sie sich im Wettbewerb um den jeweiligen wirtschaftlichen oder unwirtschaftlichen Nahbereich durchsetzen. Eine offene Subventionierung führt auch nicht zu höheren Kosten für die Allgemeinheit, da die Kosten des (effizienten) Ausbaus der Nahbereiche von der Frage der Finanzierung des Ausbaus unberührt bleiben. Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht die Ausbaukosten bei der Produktkalkulation einpreisen und an seine Abnehmer weiterreichen wird. Bei einer offenen Subventionierung würden die Kosten der Beschleunigung des NGA-Ausbaus hingegen transparent werden.

Eine derartige Form der Subventionierung für einen recht großen Anteil der Nahbereiche sei auch deswegen erforderlich, weil die Nachfrage nach Anschlüssen mit Datenraten oberhalb von 50 MBit/s "relativ schwach" sei. Die Zahlungs­bereit­schaft der Kunden für solche NGA-Anschlüsse sei gering. Angesichts der geringen Nachfrage nach schnellen Anschlüssen hält das Kartellamt die "Steigerung des Verbrauchernutzens durch einen vollständigen Ausbau der Nahbereiche" derzeit noch für "beschränkt".

Abwehrrecht alternativer Netzbetreiber muss modifiziert werden

Das Kartellamt begrüßt, dass die BNetzA die Ausbauanstrengungen der Wettbewerber im Rahmen ihrer Abwägung berücksichtigt. Wettbewerbern, die in einem Anschlussbereich bereits umfangreiche Investitionen in den Breitbandausbau getätigt haben und die einen umfassenden Ausbau des Nahbereichs verbindlich zusagen, soll ein Abwehrrecht eingeräumt werden: Wer bislang mehr KVz im Anschlussbereich mit DSL-Technik erschlossen hat, soll vor der Telekom zum Zug kommen.

Das Kartellamt kritisiert diese Vorgehensweise allerdings scharf, da dies vor dem Konsultationsentwurf nicht bekannt gewesen sei. Dadurch würden diejenigen Ausbaupläne "nicht umfassend gewürdigt", die neben Gebieten mit DSL-Technik außerhalb der Nahbereiche auch höherwertige Netzabschnitte mit TV-Kabel oder FTTH/FTTB-Ausbau beinhalten.

Daher fordert das Kartellamt, bei der Würdigung der Ausbauanstrengungen ergänzend auch die Anzahl der mit alternativer Breitbandtechnologie angeschlossenen Haushalte im Anschlussbereich mit zu berücksichtigen, um feststellen zu können, welches Unternehmen den Anschlussbereich am weitestgehenden ausgebaut hat und über den Vectoring-Einsatz im Nahbereich am effektivsten Versorgungslücken schließen kann.

Die Schwelle dieses Abwehrrechts mit einer absoluten Mehrheit der im Anschlussbereich erschlossenen KVz hält das Kartellamt für zu hoch, "um Ausbauanreize der Wettbewerber in der Breite sichern zu können". Das Kartellamt denkt dabei "insbesondere an solche Konstellationen, in denen ein Wettbewerber bereits sehr umfangreiche Investitionen in einen Anschlussbereich getätigt hat, aber noch unterhalb von 50 Prozent der Anschlüsse liegt, die Telekom hingegen nur mit sehr deutlichem Abstand tätig wurde."

Das Bundeskartellamt weiß nicht, wie viele Kvz unter dieses Abwehrrecht fallen würden. Würde allerdings lediglich ein Anteil von beispielsweise unter 5 Prozent der Nahbereiche unter dieses Abwehrrecht fallen, "wäre durch das Abwehrrecht kaum ein spürbarer positiver Wettbewerbseffekt zu erwarten." Den Wert von 5 Prozent hatte ein Wettbewerber genannt. An Orten, an denen der Ausbau für alle Unternehmen unwirtschaftlich wäre, wäre nach Auffassung des Kartellamts eine staatliche Subventionierung möglich, damit keine weißen Flecken bestehen müssten.

VULA-Ersatzprodukt, Exklusivität und Strafzahlungen

Dass der Konsultationsentwurf VULA als Ersatzzugangsprodukt vorsieht, bewertet das Kartellamt positiv: "Eine entsprechende Ausgestaltung und angemessene Entgelte vorausgesetzt, würden Wettbewerber ein gutes Ersatzprodukt erhalten, das qualitativ nur wenig unter der physisch entbündelten TAL liegt."

Allerdings sei es dafür erforderlich, "dass VULA auch in wirtschaftlicher Form von den Wettbewerbern der Telekom eingesetzt werden kann." Im übrigen müsste VULA mit Beginn der exklusiven TAL-Nutzung auf Vectoring-Basis durch die Telekom verfügbar sein, "nicht erst nach einer Übergangsfrist bis 2019", wie von der Telekom gefordert.

Das Kartellamt ist sich übrigens gar nicht so sicher, dass bei einem VDSL2-Vectoring-Ausbau tatsächlich nur ein Netzbetreiber technisch zum Zug kommt. Nach mehreren Stellungnahmen Dritter könnte über die Installation eines Switches ein Zugang für mehrere Nachfrager eröffnet werden. Diese technische Vorgabe erscheint dem Kartellamt nicht unzumutbar. Sie könnte notfalls auch über das Zugangsentgelt auf die jeweiligen Nachfrager verteilt werden, soweit im Einzelfall eine entsprechende Nachfrage nach einem zweiten VULA-Zugang besteht.

Abschließend fordert das Kartellamt, dass die Ausbauzusagen der Wettbewerber stärker berücksichtigt werden müssten. Ebenfalls stärker eingegangen werden müsste auf die technologische Entwicklung, beispielsweise auf einen möglichen Einsatz von Annex Q, einem Standard, der bald marktreif sei. In den als unwirtschaftlich eingeschätzten Nahbereichen sei aber eher nicht damit zu rechnen, dass die Wettbewerber in den Ausbau investieren, so dass sich der Breitbandausbau wieder einmal nur auf verdichtete städtische Räume konzentrieren würde.

Fast wie eine kleine Ohrfeige für die BNetzA liest sich die Forderung, dass die Abwägung der BNetzA "umfassender dargestellt" werden muss und dass transparent wird, in welches Verhältnis die Regulierungsziele (lieber mehr Wettbewerb oder lieber flächendeckend Breitband bis 2018) zueinander gesetzt werden.

Für den nicht fristgerechten Ausbau hat die Telekom eine Strafzahlung von 2500 Euro, später 3500 Euro pro KVz vorgeschlagen. Das Kartellamt befürchtet, dass es in Nahbereichen mit besonders hohen Erschließungskosten für die Telekom "wirtschaftlich rational sein" könnte, die Sanktion in Kauf zu nehmen und den Ausbau zu verzögern. Das Kartellamt empfiehlt, in der endgültigen Entscheidung zu konkretisieren, mit welchen weiteren Maßnahmen die BNetzA ein solches taktisches Verhalten unterbinden kann.

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