Klassik Radio: Verstehen Klassik nicht als Spartenprogramm
Klassik Radio hat bewiesen, dass sich auch abseits von Mainstream-Popmusik ein wirtschaftlich erfolgreiches Hörfunkformat betreiben lässt. Was zeichnet den Sender aus und mit welchen Plänen geht es in den Wettbewerb mit Musikstreamern sowie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Darüber sprechen wir mit Klassik Radio-CEO Ulrich Kubak.
teltarif.de: Herr Kubak, in der stark formatierten Hörfunklandschaft ist ein Privatsender mit Schwerpunkt klassischer Musik nach wie vor eher die große Ausnahme. Sie sind mit Klassik Radio nun seit 1990 erfolgreich auf Sendung. Was macht den Erfolg dieses Konzepts auch mit Blick auf die Werbewirtschaft aus?
Ulrich Kubak: Leider muss ich Sie gleich zu Beginn bei der Jahreszahl korrigieren, so alt bin ich noch nicht (lacht). Als ich den Sender Anfang des Jahres 2000 übernommen habe, war der Sender hochdefizitär und der Markt zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht für ein solches, man muss fast sagen radikales neues Radiokonzept bereit. KIassik als kuratiertes Musikangebot für moderne Menschen? Man darf nicht vergessen, das war die Zeit der immergleichen Mainstream-Pop-Radioangebote und Klassik führte bei den Öffentlich-Rechtlichen ein muffiges Nischendasein. Was wir getan haben, nämlich Klassik nicht als Werke, sondern als kurze Titel zu spielen, war radikal und vielleicht ein bisschen zu früh. Heute hören bis zu sechs Millionen Menschen unseren Sender.
Klassik-Radio-CEO Ulrich Kubak
Foto: Klassik Radio
teltarif.de: Welche Kernzielgruppe sprechen Sie mit Ihrem Angebot an?
Ulrich Kubak: Unsere Marktforschung ist da mittlerweile sehr granular. Allgemein formuliert würde ich mal sagen: Über 40, gutes bis hohes Bildungsniveau, mittleres bis hohes Einkommen, reise- und konsumfreudig. Wir bewegen uns so zusagen im Speckgürtel der Republik.
teltarif.de: Wie unterscheiden Sie sich konkret von den Klassik- und Kulturwellen der öffentlich-rechtlichen Sender?
Ulrich Kubak: Der größte Unterschied ist, dass diese sich zu 100 Prozent aus den öffentlichen Rundfunkgebühren finanzieren. Wir hingegen finanzieren uns zu 100 Prozent selbst. Wir erzielen selbst in Corona-Zeiten positive Zahlen, sind seit Jahren schuldenfrei und mussten während der Pandemie nicht einen einzigen Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Zweitens verstehen wir Klassik nicht als Spartenprogramm, sondern als populäres Angebot für viele. Dass man damit viel mehr Menschen erreicht, hat sich mittlerweile auch bei den Öffentlich-Rechtlichen herumgesprochen, die unser Konzept zu Beginn milde belächelt haben und es heute teils schamlos kopieren. Das Gute ist: Wenn der Markt mit dem immergleichen Konzept überfrachtet wird, tendieren die Menschen zum Original. Unsere Hörerzahlen entwickeln sich, auch im digitalen Bereich, prächtig.
teltarif.de: Mit DAB+ und Streaming verliert der analoge Verbreitungsweg UKW zunehmend an Bedeutung. Was bedeutet dies für Klassik Radio?
Ulrich Kubak: Wir haben das frühzeitig erkannt, UKW-Frequenzen bereits vor etlichen Jahren als erster Sender überhaupt an die Landesmedienanstalten zurückgegeben und voll auf Digitalisierung gesetzt – und damit wohlgemerkt keinen einzigen Hörer verloren. Als einziger Privatsender in Europa sind wir mittlerweile über DAB+ mit einem Programm in drei Ländern vertreten: Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz. Mit Klassik Radio Select betreiben wir seit 2018 einen eigenen Streamingservice auf Abo-Basis. Diesen haben wir gerade einem kompletten Relaunch unterzogen und die Software dafür komplett inhouse entwickelt. Dieser Invest ist für mich eine wesentliche Säule der Zukunft von Klassik Radio als digitales Medienunternehmen.
teltarif.de: "Klassik Radio Select" ist ein kuratierter Musikdienst. Wie unterscheidet sich das Angebot von Spotify, Deezer & Co.?
Ulrich Kubak: Auch hier haben wir einen radikalen Schritt gemacht: wir bieten unser Live-Radioprogramm werbefrei an. Klassik Radio Select ist damit der nach meiner Kenntnis einzige Streamingservice, der sowohl einen Live-Radiosender wie auch eine Vielzahl an kuratierten Channels anbietet. Es ist also ein hybrides Modell, das sich ganz bewusst an den Bedürfnissen unserer Hörerinnen und Hörer orientiert: Wer nur den Livesender ohne Werbung abonnieren will, kann das für einen kleinen Preis von 2,99 Euro im Monat tun. Wer dazu noch über 100 situative, perfekt kuratierte Channels abonnieren will, zahlt 5,99 Euro im Monat. Dazu bieten wir im Service komplette Alben an, wenn also Ludovico Einaudi sein neues Werk auf den Markt bringt, kann man es bei uns direkt anhören. Es ist ein hybrides, maßgeschneidertes Angebot, das ganz bewusst auch auf Linearität und Leanback setzt. Wer unseren Service nutzt, muss nicht ewig nach der richtigen Playlist suchen. Er oder sie bekommt, was draufsteht: perfekt kuratierte Musik für alle Lebenssituationen und Geschmäcker.
teltarif.de: Planen Sie einen weiteren Ausbau von "Klassik Radio Select"?
Ulrich Kubak: Wir wachsen kontinuierlich. Und diesem Wachstum ist aus meiner Sicht zunächst mal keine natürliche Grenze gesetzt. Klassik Radio Select ist auch der Einstieg in die strategische Internationalisierung der Marke Klassik Radio.
teltarif.de: In Ihren Webstreams finden sich neben dem Kerngenre zahlreiche Musikstile, wie beispielsweise Latin oder auch ein Kanal mit Filmmusik und Dinner Jazz. Warum ist es Ihnen wichtig, viele weitere musikalische Facetten abzudecken?
Ulrich Kubak: Wir wissen aus 20 Jahren Erfahrung, was unsere Hörerinnen und Hörer lieben. Klassik und gute Musik, die entspannt. Dazu gehört auch unser Lounge-Angebot, mit angenehmen elektronischen Klängen von unter anderem dem Superstar Schiller exklusiv gemixt. Und natürlich Filmmusik und Jazz. Mit der Till Brönner Show haben wir immer Freitag- und Samstagabend die wahrscheinlich reichweitenstärkste Sendung für populären Jazz in Europa im Programm, moderiert von Brönner selbst.
teltarif.de: Ist in Zukunft eine Verbreitung über weitere Plattformen bzw. Partnerschaften mit Drittanbietern geplant?
Ulrich Kubak: Mit Sicherheit. Wir bieten mit unserem neuen Select-Modell jetzt auch Industriepartnerschaften und gebrandete Kooperationen an.
teltarif.de: Welche Rolle spielen Smart Speaker für Sie?
Ulrich Kubak: Eine sehr große. Wir haben alle notwendigen Schnittstellen implementiert.
teltarif.de: Im Audio-Bereich etablieren sich zunehmend Podcast-Plattformen. Ist das aus Ihrer Perspektive ein Bereich, der für Klassik Radio zunehmend relevant sein könnte?
Ulrich Kubak: Wir halten den Podcast-Markt schon seit ein, zwei Jahren für überreizt. Es ist ja fast schon inflationär, was da alles angeboten wird. Nichtsdestotrotz beobachten wir die Entwicklungen am Markt genau. Ich vermute, dass es auf Anbieterseite eine Bereinigung geben wird. Vielleicht stoßen wir dann mit einem qualitativ hochwertigen Angebot in die sich auftuende Lücke.
teltarif.de: Herr Kubak, vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person: Ulrich Kubak
Ulrich Kubak ist Vorstand und CEO der Klassik Radio AG und ist seit seinem 22. Lebensjahr im Mediengeschäft tätig. Bereits 1987 war er alleiniger Gesellschafter von Radio Fantasy, zwei Jahre später folgte die FM Radio Network GmbH. Mit Firstnews gründete der gebürtige Augsburger im Jahr 1993 die erste webbasierte Nachrichtenagentur.