Interview

Klassik Radio: Verstehen Klassik nicht als Spartenprogramm

Dass Privat­radio abseits von Popmusik wirt­schaft­lich funk­tio­niert, beweist Klassik Radio seit vielen Jahren. Konkur­renz mit Spotify und Apple Music scheuen die Hamburger nicht. Darüber spre­chen wir mit CEO Ulrich Kubak.
Von Björn König

Klassik Radio hat bewiesen, dass sich auch abseits von Main­stream-Popmusik ein wirt­schaft­lich erfolg­rei­ches Hörfunk­format betreiben lässt. Was zeichnet den Sender aus und mit welchen Plänen geht es in den Wett­bewerb mit Musik­strea­mern sowie dem öffent­lich-recht­lichen Rund­funk?

Darüber spre­chen wir mit Klassik Radio-CEO Ulrich Kubak.

teltarif.de: Herr Kubak, in der stark forma­tierten Hörfunk­land­schaft ist ein Privat­sender mit Schwer­punkt klas­sischer Musik nach wie vor eher die große Ausnahme. Sie sind mit Klassik Radio nun seit 1990 erfolg­reich auf Sendung. Was macht den Erfolg dieses Konzepts auch mit Blick auf die Werbe­wirt­schaft aus?
Ulrich Kubak: Leider muss ich Sie gleich zu Beginn bei der Jahres­zahl korri­gieren, so alt bin ich noch nicht (lacht). Als ich den Sender Anfang des Jahres 2000 über­nommen habe, war der Sender hoch­defi­zitär und der Markt zu diesem Zeit­punkt über­haupt nicht für ein solches, man muss fast sagen radi­kales neues Radio­kon­zept bereit. KIassik als kura­tiertes Musik­angebot für moderne Menschen? Man darf nicht vergessen, das war die Zeit der immer­glei­chen Main­stream-Pop-Radio­ange­bote und Klassik führte bei den Öffent­lich-Recht­lichen ein muffiges Nischen­dasein. Was wir getan haben, nämlich Klassik nicht als Werke, sondern als kurze Titel zu spielen, war radikal und viel­leicht ein biss­chen zu früh. Heute hören bis zu sechs Millionen Menschen unseren Sender. Klassik-Radio-CEO Ulrich Kubak Klassik-Radio-CEO Ulrich Kubak
Foto: Klassik Radio

teltarif.de: Welche Kern­ziel­gruppe spre­chen Sie mit Ihrem Angebot an?
Ulrich Kubak: Unsere Markt­for­schung ist da mitt­ler­weile sehr granular. Allge­mein formu­liert würde ich mal sagen: Über 40, gutes bis hohes Bildungs­niveau, mitt­leres bis hohes Einkommen, reise- und konsum­freudig. Wir bewegen uns so zusagen im Speck­gürtel der Repu­blik.

teltarif.de: Wie unter­scheiden Sie sich konkret von den Klassik- und Kultur­wellen der öffent­lich-recht­lichen Sender?
Ulrich Kubak: Der größte Unter­schied ist, dass diese sich zu 100 Prozent aus den öffent­lichen Rund­funk­gebühren finan­zieren. Wir hingegen finan­zieren uns zu 100 Prozent selbst. Wir erzielen selbst in Corona-Zeiten posi­tive Zahlen, sind seit Jahren schul­den­frei und mussten während der Pandemie nicht einen einzigen Mitar­beiter in Kurz­arbeit schi­cken. Zwei­tens verstehen wir Klassik nicht als Spar­ten­pro­gramm, sondern als popu­läres Angebot für viele. Dass man damit viel mehr Menschen erreicht, hat sich mitt­ler­weile auch bei den Öffent­lich-Recht­lichen herum­gespro­chen, die unser Konzept zu Beginn milde belä­chelt haben und es heute teils schamlos kopieren. Das Gute ist: Wenn der Markt mit dem immer­glei­chen Konzept über­frachtet wird, tendieren die Menschen zum Original. Unsere Hörer­zahlen entwi­ckeln sich, auch im digi­talen Bereich, prächtig.

teltarif.de: Mit DAB+ und Strea­ming verliert der analoge Verbrei­tungsweg UKW zuneh­mend an Bedeu­tung. Was bedeutet dies für Klassik Radio?
Ulrich Kubak: Wir haben das früh­zeitig erkannt, UKW-Frequenzen bereits vor etli­chen Jahren als erster Sender über­haupt an die Landes­medi­enan­stalten zurück­gegeben und voll auf Digi­tali­sie­rung gesetzt – und damit wohl­gemerkt keinen einzigen Hörer verloren. Als einziger Privat­sender in Europa sind wir mitt­ler­weile über DAB+ mit einem Programm in drei Ländern vertreten: Deutsch­land, Öster­reich und der deutsch­spra­chigen Schweiz. Mit Klassik Radio Select betreiben wir seit 2018 einen eigenen Strea­ming­ser­vice auf Abo-Basis. Diesen haben wir gerade einem kompletten Relaunch unter­zogen und die Soft­ware dafür komplett inhouse entwi­ckelt. Dieser Invest ist für mich eine wesent­liche Säule der Zukunft von Klassik Radio als digi­tales Medi­enun­ter­nehmen.

teltarif.de: "Klassik Radio Select" ist ein kura­tierter Musik­dienst. Wie unter­scheidet sich das Angebot von Spotify, Deezer & Co.?
Ulrich Kubak: Auch hier haben wir einen radi­kalen Schritt gemacht: wir bieten unser Live-Radio­pro­gramm werbe­frei an. Klassik Radio Select ist damit der nach meiner Kenntnis einzige Strea­ming­ser­vice, der sowohl einen Live-Radio­sender wie auch eine Viel­zahl an kura­tierten Chan­nels anbietet. Es ist also ein hybrides Modell, das sich ganz bewusst an den Bedürf­nissen unserer Höre­rinnen und Hörer orien­tiert: Wer nur den Live­sender ohne Werbung abon­nieren will, kann das für einen kleinen Preis von 2,99 Euro im Monat tun. Wer dazu noch über 100 situa­tive, perfekt kura­tierte Chan­nels abon­nieren will, zahlt 5,99 Euro im Monat. Dazu bieten wir im Service komplette Alben an, wenn also Ludo­vico Einaudi sein neues Werk auf den Markt bringt, kann man es bei uns direkt anhören. Es ist ein hybrides, maßge­schnei­dertes Angebot, das ganz bewusst auch auf Linea­rität und Lean­back setzt. Wer unseren Service nutzt, muss nicht ewig nach der rich­tigen Play­list suchen. Er oder sie bekommt, was drauf­steht: perfekt kura­tierte Musik für alle Lebens­situa­tionen und Geschmä­cker.

teltarif.de: Planen Sie einen weiteren Ausbau von "Klassik Radio Select"?
Ulrich Kubak: Wir wachsen konti­nuier­lich. Und diesem Wachstum ist aus meiner Sicht zunächst mal keine natür­liche Grenze gesetzt. Klassik Radio Select ist auch der Einstieg in die stra­tegi­sche Inter­natio­nali­sie­rung der Marke Klassik Radio.

teltarif.de: In Ihren Webstreams finden sich neben dem Kern­genre zahl­reiche Musik­stile, wie beispiels­weise Latin oder auch ein Kanal mit Film­musik und Dinner Jazz. Warum ist es Ihnen wichtig, viele weitere musi­kali­sche Facetten abzu­decken?
Ulrich Kubak: Wir wissen aus 20 Jahren Erfah­rung, was unsere Höre­rinnen und Hörer lieben. Klassik und gute Musik, die entspannt. Dazu gehört auch unser Lounge-Angebot, mit ange­nehmen elek­tro­nischen Klängen von unter anderem dem Super­star Schiller exklusiv gemixt. Und natür­lich Film­musik und Jazz. Mit der Till Brönner Show haben wir immer Freitag- und Sams­tag­abend die wahr­schein­lich reich­wei­ten­stärkste Sendung für popu­lären Jazz in Europa im Programm, mode­riert von Brönner selbst.

teltarif.de: Ist in Zukunft eine Verbrei­tung über weitere Platt­formen bzw. Part­ner­schaften mit Dritt­anbie­tern geplant?
Ulrich Kubak: Mit Sicher­heit. Wir bieten mit unserem neuen Select-Modell jetzt auch Indus­trie­part­ner­schaften und gebran­dete Koope­rationen an.

teltarif.de: Welche Rolle spielen Smart Speaker für Sie?
Ulrich Kubak: Eine sehr große. Wir haben alle notwen­digen Schnitt­stellen imple­men­tiert.

teltarif.de: Im Audio-Bereich etablieren sich zuneh­mend Podcast-Platt­formen. Ist das aus Ihrer Perspek­tive ein Bereich, der für Klassik Radio zuneh­mend rele­vant sein könnte?
Ulrich Kubak: Wir halten den Podcast-Markt schon seit ein, zwei Jahren für über­reizt. Es ist ja fast schon infla­tionär, was da alles ange­boten wird. Nichts­des­totrotz beob­achten wir die Entwick­lungen am Markt genau. Ich vermute, dass es auf Anbie­ter­seite eine Berei­nigung geben wird. Viel­leicht stoßen wir dann mit einem quali­tativ hoch­wer­tigen Angebot in die sich auftu­ende Lücke.

teltarif.de: Herr Kubak, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Ulrich Kubak
Ulrich Kubak ist Vorstand und CEO der Klassik Radio AG und ist seit seinem 22. Lebens­jahr im Medi­enge­schäft tätig. Bereits 1987 war er allei­niger Gesell­schafter von Radio Fantasy, zwei Jahre später folgte die FM Radio Network GmbH. Mit First­news grün­dete der gebür­tige Augs­burger im Jahr 1993 die erste webba­sierte Nach­rich­ten­agentur.

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