Interview

Uplink: "DAB+ wird niemals an UKW anknüpfen können"

Einst verfügte die heutige Freenet-Tochter Media Broad­cast über eine Mono­pol­stel­lung unter den Sender­netz­betrei­bern in Deutsch­land. Mit dem Einstieg von Uplink Network hat sich dies geän­dert. Wir spre­chen mit Geschäfts­führer Michael Radomski.
Von Björn König

Foto: UPLINK Network Michael Radomski ist CEO des Sendernetzbetreibers UPLINK Network
Foto: UPLINK Network
Der Digi­tal­radio­stan­dard DAB+ ist die Zukunft. Zumin­dest hört man dies immer wieder von Medi­enpo­liti­kern oder auch dem Sender­netz­betreiber Media Broad­cast. Konkur­rent Uplink Network sieht dies offenbar anders, für die Düssel­dorfer bleibt das Digi­tal­radio besten­falls eine Brücken­tech­nologie, welche poli­tisch etabliert werden soll, sich aber ökono­misch kaum lohne. Darüber spre­chen wir mit CEO Michael Radomski.

teltarif.de: Herr Radomski, im Oktober vergan­genen Jahres ging der zweite DAB+-Bundesmux auf Sendung. Welche Bedeu­tung hat dies auch mit Blick auf Ihr bestehendes UKW-Netz?
Michael Radomski: Insge­samt passiert aktuell einiges bei der Radio-Infra­struktur. Für den WDR, MDR und SWR bauen wir in mehreren Bundes­län­dern DAB+-Antennen auf und betreiben ab Ende des Jahres selbst neun DAB+-Stand­orte in NRW. Eben­falls in NRW wird gerade auch noch eine große UKW-Kette mit über 20 Frequenzen neu ausge­schrieben, da wird auch nochmal richtig inves­tiert. Lang­fristig werden UKW und DAB+ im direkten Wett­bewerb zum Online-Strea­ming aber das Nach­sehen haben, das zeigen uns alle Studien. Für die nächsten zehn oder 20 Jahre wird das analoge UKW, ergänzt um DAB+, seine Stärken in der Reich­weite noch ausspielen. Danach werden wir einen sehr zerklüf­teten Audio­markt haben, in dem Strea­ming klar domi­niert.

teltarif.de: Mit Uplink Network gibt es in Deutsch­land erst­mals Wett­bewerb im Sender­netz­betrieb, welcher bislang maßgeb­lich von der Freenet-Tochter Media Broad­cast kontrol­liert wird. Zeigen sich hier bereits konkrete Auswir­kungen auf den Markt?
Michael Radomski: Uplink ist seit 2018 der größte Sender­netz­betreiber in Deutsch­land und mit Blick auf die Anzahl der betrie­benen Sende­sta­tionen mit Abstand auch größter terres­tri­scher Anbieter, selbst im Vergleich zu den einzelnen ARD-Anstalten und unter Einbezug von DAB+ und DVB-T2. Bei DAB+ sehen wir über die beiden Bundes­muxe aller­dings eine system­bedingte Allein­stel­lung der Media Broad­cast bzw. ihrer Betei­ligung "Antenne Deutsch­land". Echter Wett­bewerb ist hier aus mehreren Gründen schwierig, auch wenn es verein­zelt regio­nale Alter­nativen gibt.

teltarif.de: Ein wich­tiges Ziel des zweiten Bundesmux war vor allem mehr Programm­viel­falt. Man hat aber schon den Eindruck, dass sich zuneh­mend inhalt­liche Ange­bote über­schneiden. Jazz und Lounge oder auch ein News- bzw. Talk­radio hätten den Bundesmux sicher­lich berei­chert. Wie bewerten Sie dies?
Michael Radomski: Genau das ist ja das struk­turelle Problem von DAB+. Es gibt hier über­haupt keinen echten Vorteil gegen­über UKW, außer, dass es neue freie Programm­plätze bietet. Insge­samt gibt es ja auch keine beson­ders hohe Nach­frage nach Plätzen in den beiden Bundes­muxen bzw. auch den Regio­nal­muxen, die meisten sind jeweils nur mit viel Mühe belegt worden. Ohne jetzt ganz tief in die Markt­mecha­nismen gehen zu wollen: Bei den privaten Anbie­tern dreht sich am Ende alles um Werbe­erlöse und die sind bei UKW, genauso wie die Reich­weite in der Bevöl­kerung, nach wie vor beein­dru­ckend. DAB+ bietet dagegen keinen Auto­matismus zum Geld­ver­dienen, da muss scharf kalku­liert werden.

Foto: UPLINK Network Michael Radomski ist CEO des Sendernetzbetreibers UPLINK Network
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Aktuell werden daher freie DAB+ Programm­plätze oft nur zusätz­lich gebucht, da die komplexe Vertei­lung von Werbe­gel­dern in Verbin­dung mit Syner­gien bei der Programm­erzeu­gung bestehende Anbieter stark bevor­teilen. Für neue Anbieter ist es sehr schwer, sich zu etablieren; das Poten­zial, das sich ihnen bietet, birgt gleich­zeitig ein gewisses Risiko. Bei den Öffent­lich-Recht­lichen ist der Paral­lel­betrieb von UKW und DAB+ finan­ziell eben­falls proble­matisch, ganz abge­sehen davon, dass nun auch noch zuneh­mend in Online-Inhalte inves­tiert werden muss. Insge­samt sind neue DAB+ Programme daher kein Selbst­läufer.

teltarif.de: Sehen Sie mit Blick auf das bundes­weite DAB+-Sender­netz noch weiteren Ausbau­bedarf?
Michael Radomski: Insge­samt fragen wir uns, ob sich über­haupt die beiden Bundes­muxe lang­fristig kommer­ziell tragen werden. Der Mehr­wert für den Hörer gegen­über UKW ist einfach zu gering. Online-Strea­ming gehört die Zukunft und der Werbe­kuchen im Radio­markt wird durch zusätz­liche Ange­bote ja auch nicht größer. Selbst unter dem Gesichts­punkt des stra­tegi­schen Ziels, dauer­haft eine terres­tri­sche Infra­struktur in Deutsch­land vorzu­halten, wird die tatsäch­liche Reich­weite von DAB+ niemals an die von UKW anknüpfen können. Es ist und bleibt eine Brücken­tech­nologie. Aus dieser Situa­tion kommt ja auch erst die Forde­rung eines UKW-Ausstieges, denn im derzeit bestehenden Markt kann sich DAB+ offen­sicht­lich nicht nach­haltig durch­setzen.

teltarif.de: Welche Chancen räumen Sie dem Thema 5G-Broad­cas­ting ein?
Michael Radomski: Eine span­nende Tech­nologie, viel­leicht der sinn­vollste terres­tri­sche Nach­folger von UKW und DAB+. Wir sehen ja gerade die poli­tische Diskus­sion um Cell Broad­cas­ting, also den Massen­ver­sand von Infor­mationen zu Warn­zwe­cken an Smart­phones. Da ist eine zentrale Rund­funk­lösung auf Basis der Mobil­funk­netze für die Grund­ver­sor­gung der Bevöl­kerung ja eben­falls nahe­lie­gend. Aber bis sich diese Tech­nologie etabliert haben kann, wird die Art der Kommu­nika­tion und die Technik unserer Smart­phones sicher­lich noch einmal eine ganz andere sein.

teltarif.de: Auch in NRW bekommt der Hörfunk­markt mit einem weiteren DAB+-Multi­plex neuen Schwung. Wie wichtig ist Regio­nali­sie­rung aus Ihrer Perspek­tive für einen nach­hal­tigen Erfolg des Digi­tal­radios?
Michael Radomski: Der Kern der heutigen Radio­nut­zung ist doch gerade die Regio­nali­sie­rung. Die Masse der Bevöl­kerung will möglichst orts­nahe Infor­mationen, selbst lokale Stau­mel­dungen sind ein wich­tiger Programm­bestand­teil. Bundes­weite Programme sind dort stark, wo sie einheit­liche, große Ziel­gruppen bedienen. Das ist auch das einzige wirk­lich starke Metier von DAB+. Wir haben in Deutsch­land durch die föde­rale Medi­enpo­litik eine sehr hete­rogene Radio­land­schaft, die z. T. aus extrem kleinen Lokal­sen­dern besteht. Das ist kommer­ziell nicht immer optimal, aber die Verwur­zelung und Bindung bei der Hörer­schaft ist enorm. DAB+ ist system­tech­nisch kaum in der Lage, dies abzu­bilden.

teltarif.de: Hätte man den Erfolg von DAB+ durch einen schnel­leren UKW-Ausstieg beschleu­nigen können?
Michael Radomski: Die Gegen­frage könnte lauten: "Wäre der Verzicht auf DAB+ volks­wirt­schaft­lich nicht sogar besser?" Oder, um es auf die Spitze zu treiben: "Sollte man dann jetzt nicht auch den Ausstieg aus dem Online-Strea­ming fordern?" Die Forde­rung nach einem künst­lichen UKW-Ausstieg zeigt ein proble­mati­sches Verhältnis zur freien Markt­wirt­schaft und unserer Medi­enviel­falt oder offen­bart ziem­lich durch­sich­tige Parti­kular­inter­essen. In der Schweiz ist die Idee für die UKW-Abschal­tung quasi im Hinter­zimmer erfolgt, und das erregt jetzt gerade massive Gegen­wehr der Bevöl­kerung. In Deutsch­land gibt es diese Hinter­zimmer natür­lich auch, aber öffent­lich traut sich wohl kein Poli­tiker, der Bevöl­kerung das täglich meist­genutzte Medium wegzu­nehmen. Abge­sehen davon wäre die gezielte Unter­bin­dung der UKW-Verbrei­tung meiner Meinung nach auch ein elemen­tarer Verstoß gegen Artikel 5 des Grund­gesetzes, wo die Gewähr­leis­tung der Rund­funk­frei­heit ausdrück­lich abge­sichert ist. Da kann doch die bestehende Rund­funk­land­schaft nicht einfach per Dekret und ohne Not zerschlagen werden.

teltarif.de: Betei­ligt sich Uplink Network derzeit auch am Sender­netz­pro­jekten im Ausland?
Michael Radomski: Wir haben derzeit, außer einiger klei­neren Koope­rationen, keine größeren Radio­pro­jekte im Ausland. Das ist auch schwierig, denn die natio­nalen Märkte sind sehr unter­schied­lich struk­turiert und regu­liert. Wir haben das bei der Libe­rali­sie­rung des deut­schen Marktes gesehen. Es sind z. B. Firmen aus Öster­reich und den Nieder­landen, die in ihren Heimat­län­dern extrem erfolg­reich waren, zu uns gekommen und wollten ihre Modelle eins zu eins auf Deutsch­land über­tragen. Die haben sich in der Folge so ziem­lich in allen Punkten verrechnet. Diesen Fehler wollen wir selbst nicht machen. Es gibt zwar immer mal wieder attrak­tive Ange­bote für Inves­titionen in auslän­dische Radio­netze, aber unser Schwer­punkt liegt mitt­ler­weile in anderen Infra­struk­tur­berei­chen.

teltarif.de: Auf Ihrer Home­page findet sich auch der Live­stream von Uplink Radio. Was war die Inten­tion hinter diesem Angebot?
Michael Radomski: Wir brauchten für den Start unserer Strea­ming-Produkte und auch für tech­nische Lang­zeit­tests ein indi­viduell ange­passtes Programm. Ein dyna­misches 24-Stun­den­pro­gramm in profes­sio­neller Qualität, inklu­sive dyna­mischer Mode­ration und aktu­eller Nach­richten, ist ja heut­zutage keine große Heraus­for­derung mehr. Die Wert­schöp­fung für ein erfolg­rei­ches Privat­radio besteht eher in der Erschlie­ßung der Ziel­grup­pen­reich­weite, der lokalen Verwur­zelung und vor allem in der Werbe­ver­mark­tung. Das können wir nicht und über­lassen diese Exper­tise weiterhin gerne unseren Kunden.

teltarif.de: Ihre Prognose: Wie wird sich die Rund­funk­land­schaft in den kommenden Jahren verän­dern?
Michael Radomski: Ange­nommen, die Radio­land­schaft wäre ab sofort keinen externen Einflüssen - also keiner will­kür­lichen Regu­lie­rung und auch nicht dem Spar­druck der öffent­lich-recht­lichen Sender - ausge­setzt, würden wir für die nächsten 5 oder 10 Jahre noch eine Stabi­lität der Hörer­zahlen auf hohem Niveau bei UKW sowie vergleichs­weise moderat stei­genden Zahlen bei DAB+ beob­achten können. Danach wird Online-Strea­ming mehr oder weniger schnell beide Wege deut­lich abhängen. Ich schätze mal, dass das so Mitte oder Ende der 2030er Jahre durch­schlagen wird. Je hekti­scher jetzt versucht wird, die Hörer von UKW zu DAB+ zu ziehen, desto schneller wird der Über­gang zum Strea­ming verlaufen. Der Hörer entscheidet sich ja nicht bewusst für eine spezi­elle Über­tra­gungs­technik, sondern für den für ihn einfachsten Weg zu den gewünschten Inhalten. Die Gefahr ist ziem­lich groß, dass wir uns unsere einma­lige Radio­land­schaft in Deutsch­land in den kommenden Jahren kaputt sparen und auch kaputt regu­lieren. Am Ende wird jeden­falls - wie in vielen anderen Bran­chen auch - das Internet als Sieger dastehen.

teltarif.de: Herr Radomski, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Michael Radomski
Michael Radomski ist Geschäfts­führer des Sender­netz­betrei­bers Uplink Network und bereits seit 2013 für das Unter­nehmen tätig. Zuvor arbei­tete er unter anderem in verschie­denen Führungs­posi­tionen für die Dril­lisch AG, darunter insbe­son­dere in der Geschäfts­füh­rung von simply Commu­nica­tion. Zudem baute er die stra­tegi­sche Geschäfts­ein­heit Distri­bution der dama­ligen Victorvox AG auf.

In einem weiteren Inter­view spra­chen wir mit Freenet-TV-Chefin Francie Petrick über DVB-T2.

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