Interview

Radio ffn: "Frequenzen nicht zu schnell an Mobilfunk vergeben"

Der analoge UKW-Stan­dard bleibt für Radio ffn weiterhin wichtig, darüber hinaus will die Sender­gruppe aber im Bereich DAB+ und Strea­ming wachsen. Darüber spre­chen wir im Inter­view mit Geschäfts­führer Harald Gehrung.
Von Björn König

Foto: Radio ffn Radio ffn-Geschäftsführer Harald Gehrung
Foto: Radio ffn
In Nieder­sachsen geht es mit dem Digi­tal­radio­stan­dard DAB+ weiter voran, dennoch setzt die Sender­gruppe ffn dort vor allem für das landes­weite Haupt­pro­gramm Radio ffn weiterhin auf UKW. Skep­tisch zeigt sich Sender­geschäfts­führer Harald Gehrung mit Blick auf even­tuelle weitere Neuord­nungen der Frequenz­bänder im Rahmen einer "digi­talen Divi­dende". Diese sollten nicht zu schnell an Mobil­funk­anbieter vergeben werden.

teltarif.de: Herr Gehrung, der Digi­tal­radio­stan­dard DAB+ hat sich in Nieder­sachsen vom Schluss­licht zum Motor entwi­ckelt. Wo steht die Tech­nologie aus Ihrer Sicht hier­zulande auch im inter­natio­nalen Vergleich?
Foto: Radio ffn Radio ffn-Geschäftsführer Harald Gehrung
Foto: Radio ffn
Harald Gehrung: Für unser Haus kann ich zumin­dest sagen, dass wir dann bei DAB+ einsteigen, wenn es eine "rele­vante" Nutzung gibt. Und das ist erst jetzt der Fall, war aber vor 20 Jahren eben nicht so. Als Unter­nehmer muss ich vor allem wirt­schaft­lich handeln. Und da wir als Privat­sender ohne Einnahmen aus Rund­funk­bei­trägen am Markt auskommen müssen, ist es notwendig, dass sich die Mehr­kosten eines Simul­cast-Betriebes auch rechnen. Erfolg­reiche Dinge setzen sich ja bekannt­lich auch ohne Subven­tionen und poli­tischen Druck am Markt durch. Ein schönes Beispiel ist das iPhone, dafür wurde 2007 auch keine staat­liche Förde­rung aufge­legt. Durch die EU-Richt­linie ist DAB+ in Deutsch­land mitt­ler­weile als Stan­dard ange­kommen. Im inter­natio­nalen Vergleich ist Deutsch­land in abso­luten Nutzungs­zahlen sicher­lich weit vorn, auch wenn es der Mehr­heit der Nutzer immer noch voll­kommen egal ist, wie sie ihren Lieb­lings­sender empfangen. Als Betreiber von RADIO BOLLERWAGEN würden wir uns natür­lich auch über einen DAB+-Mux auf Mallorca freuen, dort ist die UKW-Versor­gung scheinbar in den 80ern stehen geblieben.

teltarif.de: An welchen Stellen sehen Sie sowohl regional als auch auf natio­naler Ebene noch Opti­mie­rungs­bedarf?
Harald Gehrung: Ich denke, dass wir national mit den beiden "Bundes­muxen" gut aufge­stellt sind. Regional und landes­weit gibt es aber tatsäch­lich noch Opti­mie­rungs­poten­tial. Insbe­son­dere in Süddeutsch­land sind bereits jetzt alle Muxe ausge­lastet. Auch in Städten über 500.000 Einwoh­nern ist die Nach­frage nach einem Programm­platz aktuell größer als das Angebot.

teltarif.de: Stich­wort Ener­gie­krise: Derzeit geht es darum, insbe­son­dere im öffent­lichen Bereich Strom einzu­sparen. Welchen Beitrag können dabei zum Beispiel digi­tale DAB+-Rund­funk­netze im Vergleich zu UKW oder Strea­ming leisten?
Harald Gehrung: Aus unserer Sicht wenig. Wir sind Teil der KRITIS (kriti­schen Infra­struktur) und daher ist es zwin­gend erfor­der­lich, das UKW als einfa­cher Über­tra­gungs­stan­dard erhalten bleibt. Dieser benö­tigt nun einmal Strom. Der "verkorkste" bundes­weite Warntag am 10.9.2020 und die Flut­kata­strophe im Ahrtal im Juli 2021 zeigen, wozu man UKW-Radios braucht. Wenn alles andere ausfällt, ist das gute alte Koffer­radio immer noch funk­tions­fähig und kann im Zweifel Leben retten. Da wir selbst auch Sender­netz­betreiber sind, tauschen wir dort, wo es vertrag­lich möglich ist, natür­lich Sende­anlagen aus, um diese durch neuere zu ersetzen. Aber das geht eben nicht immer.

teltarif.de: ffn betreibt ein umfas­sendes Strea­ming-Angebot. Welche Maßnahmen ergreifen Sie dort für mehr Ener­gie­nach­hal­tig­keit bei der Server- bzw. Cloud-Infra­struktur?
Harald Gehrung: Wir reden mit unseren Dienst­leis­tern nach­haltig zu wirt­schaften und bench­marken hier auch von Zeit zu Zeit. Da eine opti­male Verbrei­tung unserer Programme einer der Haupt-Assets unseres Unter­neh­mens ist, können wir an dieser Stelle nicht wirk­lich sparen, ohne unsere Geschäfts­grund­lage zu gefährden. Es ist für uns jetzt schon eine Heraus­for­derung über immer mehr Platt­formen erreichbar zu sein.

teltarif.de: Gene­rell waren die vergan­genen drei Jahre für private Medien alles andere als einfach. Zunächst trübte die Corona-Pandemie den Werbe­markt ein, nun folgen Infla­tion und Rezes­sion durch den Ukraine-Krieg und die Ener­gie­krise. Vor allem Zeitungs­ver­leger sehen Notwen­dig­keiten für staat­liche Beihilfen, wie sieht es in der (regio­nalen) Radio­branche aus?
Harald Gehrung: Da wir ja kein Vertriebs­geschäft haben – Radio ist ja überall kostenlos empfangbar - kann dieser Teil der Einnahmen – anders als im Verlags­bereich - bei uns auch nicht wegfallen. Außer Strom haben wir auch weniger Rohstoff­kosten (z.B. Papier) als Verlage, die sich ja teil­weise verdrei­facht haben. Dennoch, durch mehr Wett­bewerb und den demo­gra­phi­schen Wandel gehen auch unsere Einschalt­quoten zurück. Um diese zu halten, müssen wir also mehr als früher in Content inves­tieren. Die Heraus­for­derungen am Werbe­markt steigen gleich­zeitig und ja, die kommenden 12 Monate werden nicht einfa­cher. Aber, die Rund­funk­frei­heit und staat­liche Unab­hän­gig­keit ist ein hohes Gut. Daher sind wir i.S. Forde­rung von staat­lichen Beihilfen derzeit zurück­hal­tend. Das kann sich aller­dings ändern, wenn die Ener­gie­preise noch weiter "durch die Decke gehen".

teltarif.de: Ganz auf UKW werden die Privat­sender auf mitt­lere Sicht wohl nicht verzichten können. Wie sieht aktuell das Verhältnis der drei Ausspiel­wege (UKW, DAB+ und Strea­ming) bei ffn aus und welchen sehen Sie lang­fristig vorn?
Harald Gehrung: UKW 95%, 3% regio­naler DAB-Mux in HH und Bremen, 2% Strea­ming. Wir sehen UKW noch auf lange Zeit vorn; insbe­son­dere im "Inhouse-Bereich". Im Auto wird sich DAB+ sicher in den nächsten fünf Jahren etablieren und 50 bis 60% der Nutzung ausma­chen. Lang­fristig sehen wir UKW aber immer noch als Ausspielweg Nummer 1 für unser Haupt­pro­gramm "radio ffn". Unsere Spar­ten­kanäle – wie z.B. RADIO BOLLERWAGEN – sehen wir jedoch lang­fristig ausschließ­lich im DAB+ und im Strea­ming Bereich.

teltarif.de: Was bedeutet ein Ende von StreamOn und Voda­fone Pass für die privaten Radio­sender? Schließ­lich war dies bislang vor allem eine Option in Fahr­zeugen, die noch nicht mit DAB+ aufge­rüstet wurden.
Harald Gehrung: Das ist (noch) schwer vorher­zusagen. Die Kosten für Daten­volu­mina sind ja in den letzten Jahren deut­lich gesunken. Viele Autos haben bereits eine SIM, eSIM oder auch WLAN inte­griert. Und Audio verbraucht ja auch etwas weniger Daten­volumen als Video. Man wird also abwarten müssen.

teltarif.de: In NRW startet mit NRW 1 nun ein neues landes­weites Privat­radio auf UKW. Ein Novum in der NRW-Radio­land­schaft. Macht jedoch der UKW-Neustart aus heutiger Perspek­tive wirt­schaft­lich noch Sinn?
Harald Gehrung: Die ffn-medi­engruppe ist bewusst und mit Verve davon über­zeugt, dass das Sinn machen wird. Unser Haupt­pro­gramm radio ffn sendet in Nieder­sachsen, das von neun angren­zenden Bundes­län­dern mit einstrah­lenden UKW-Sendern versorgt wird. Dazu kommen die öffent­lich recht­lichen Programme vom NDR und von Radio Bremen. Bei so einer Markt­situa­tion - also mit sehr vielen Ange­boten - könnte man sich die Frage nach dem wirt­schaft­lichen Sinn eines Privat­sen­ders durchaus stellen. Und doch haben wir hier sogar drei landes­weite Privat­sender und über 20 nicht-kommer­zielle und kommer­zielle Privat­sender, und alle funk­tio­nieren schon sehr lange recht erfolg­reich. In NRW jedoch, mit wenig einstrah­lenden Sendern und dem WDR als einzigem öffent­lich-recht­lichen Angebot, gibt es bis heute keinen landes­weiten privaten Sender. Daher sind wir von der wirt­schaft­lichen Sinn­haf­tig­keit über­zeugt. Ein Break-Even wird sicher länger dauern als in den 90er Jahren, da wir es im Jahr 2022 ja mit viel nicht-linearer Konkur­renz zu tun haben. Aber mittel­fristig werden wir Erfolg haben.

teltarif.de: Der persön­liche Kontakt zum Hörer ist für eine Sender­marke wie ffn zwei­fels­ohne wichtig. Dafür sind auch eigene Apps rele­vant, die mehr als nur das lineare Programm und Webra­dios streamen. Man denke zum Beispiel an regio­nale Infor­mationen, Gewinn­spiele, Aktionen etc. Wie wollen Sie Hörer vom Wechsel auf eigene Senderapps über­zeugen, wenn hingegen Aggre­gatoren wie Radio.de, TuneIn & Co. deut­lich mehr Sender­viel­falt bieten?
Harald Gehrung: Der Kontakt zu den Hörern wird von uns in erster Linie über unsere Social-Media-Kanäle gehalten v.a. über Face­book, Insta und TikTok. Unsere App bietet natür­lich auch einen Mehr­wert. In erster Linie natür­lich exklu­siven Content und Infos zu den Programmen unserer Familie, aber auch eine Kontakt­mög­lich­keit direkt zu uns. Wir müssen hier aber auch ehrlich sein. Der Haupt­ver­brei­tungsweg unserer Programme läuft nicht über unsere App, sondern über Smart-Speaker und hier insbe­son­dere über Alexa. Wir waren mit die Ersten, die beim Radio-Skill-Kit von Amazon dabei waren und haben damit sehr gute Erfah­rungen gemacht. Ich wieder­hole mich auch an dieser Stelle: Den Nutzer ist die tech­nische Ausspiel­platt­form heute ziem­lich egal. Für uns ist es wichtig, dass wir einfach und schnell über jeden Ausspielweg für den Hörer auffindbar sind, um auch digital eine maxi­male Reich­weite zu gene­rieren. Kompli­zierte Menü­füh­rungen oder Wake Words in einer Customer Journey beim eigenen Skill, die zu kompli­ziert sind, vergessen die Menschen schnell wieder. Daher heißt die Formel "Instant need­full filling" oder auf Deutsch: Ich will mein Lieb­lings­pro­gramm hören, und zwar jetzt sofort - und eben ohne Umwege.

teltarif.de: In der Vergan­gen­heit gab es stetige Diskus­sionen über die soge­nannte "digi­tale Divi­dende", also neu zu verge­bende Frequenz­kapa­zitäten durch die Digi­tali­sie­rung des Rund­funks. Sehen Sie dies­bezüg­lich weitere Risiken für DAB+? Schließ­lich gibt es von Mobil­funk­betrei­bern bis hin zu Behörden immer wieder Forde­rungen nach Neuver­tei­lungen spezi­fischer Frequenz­bänder.
Harald Gehrung: Das ist im Moment nach meinem Erachten noch nicht abschlie­ßend zu bewerten, da DAB+ ja noch nicht bundes­weit flächen­deckend am Start ist. Dennoch sollte man hier natür­lich darauf achten, dass hier nicht zu schnell frei­wer­dende Frequenz­bänder an den Mobil­funk gegeben werden. Die Nach­frage nach DAB+ Programm­plätzen ist aktuell sehr hoch. Der Ausbau der Netze ist noch nicht abge­schlossen. Daher sollten wir Rund­funk­anbieter auf der Hut bleiben, da ange­sichts der aktu­ellen wirt­schaft­lichen und welt­poli­tischen Entwick­lungen sich das Nutzungs­ver­halten unser Hörer nur schwer prognos­tizieren lässt. Aber Fakt ist auch, dass die Konsum­nei­gung der Menschen aktuell gegen Null geht. Davon wird sicher­lich auch der Verkauf von DAB+ Endge­räten betroffen sein.

teltarif.de: Herr Gehrung, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Harald Gehrung
Harald Gehrung studierte BWL an der Univer­sität des Saar­landes und arbei­tete schon während seines Studiums als Mode­rator für Radio Salü in Saar­brü­cken. Danach wech­selte der Diplom-Kauf­mann als Geschäfts­führer zu 100,5 DAS HITRADIO nach Eupen. Seit 2003 ist er Geschäfts­führer der ffn-Medi­engruppe und verant­wortet unter anderem ffn, Energy Bremen sowie Radio Roland.

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