Bundestag: Funklochzahlen zu optimistisch?
Im Deutschen Bundestag stand das Thema Netzausbau kürzlich auf der Tagesordnung. Auslöser war eine "kleine Anfrage" der CDU/CSU-Fraktion, die das Aktenzeichen Bundestagsdrucksache 20/4959 trägt und am 13.12.2022 beantwortet wurde.
Flächendeckend bis 2030?
Die Bundesregierung hatte sich mit der am 13. Juli 2022 veröffentlichten Gigabitstrategie das Ziel einer flächendeckenden Versorgung mit dem neuesten Mobilfunkstandard gesetzt, „überall dort, wo Menschen leben, arbeiten und unterwegs sind – auch in ländlichen Gebieten“ - bis 2030.
Diese Aussage nimmt die Opposition genüsslich aufs Korn und stellte dazu einige knackige Fragen.
Laut Statistik sind 99,9 Prozent aller deutschen Haushalte mit Mobilfunk versorgt. In der Wirklichkeit fühlt es sich anders an.
Foto: Picture Alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Knackige Fragen
Etwa, wie oft die "Frequenzzuteilungsinhaber" seit der 5G-Auktion aufgefordert wurden, über ihren Netzausbau zu berichten.
Die Antwort: Die Mobilfunknetzbetreiber mussten zunächst quartalsweise über den Netzausbau berichten, seit dem 1. Juni 2022 sogar monatlich, und das tun sie auch.
Alle Haushalte sind versorgt? Wirklich?
Bei der Versorgungsstatistik nennt die Bundesregierung eine Versorgung aller Haushalte mit mindestens 100 MBit/s von 97,7 Prozent bei Telekom, 98,1 Prozent bei Vodafone) und 98,2 Prozent bei Telefónica (o2), was in der Summe 99,8 Prozent entspreche. Der geneigte Leser reibt sich die Augen.
Berlin, Hamburg und Bremen voll versorgt?
In der Länderstatistik liegen Berlin, Bremen und Hamburg mit 100,0 Prozent an der Spitze. Die Telekom versorgt demnach Nordrhein-Westfalen zu 99,8 Prozent und als Schlusslicht Thüringen "nur" zu 94,7 Prozent.
Für Vodafone sind es 99,8 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen oder 97,8 Prozent in Thüringen, Rheinland-Pfalz oder Hessen.
Telefónica (o2) nennt 99,5 Prozent für Nordrhein-Westfalen oder 96,6 Prozent für Rheinland-Pfalz oder am "schlechtesten" 96 Prozent für Thüringen.
Nur die Haushalte zählen!
Wohlgemerkt: Diese Zahlen beziehen sich auf Haushalte. Wo wenig Menschen leben oder wo nur wichtige Straßen oder Bahnstrecken sind, kann es Netz geben, oder auch nicht.
Bei den Autobahnen nennt Telekom 99,8 Prozent, während Vodafone 100 Prozent und Telefónica 98,6 Prozent für sich reklamieren. Kann das sein?
Bei Bundesstraßen sind es 98 respektive 97,7 und 98 Prozent (Telekom, Vodafone, Telefónica/o2).
Bei Schienenstrecken werden 97,8 oder 98,8 oder 97,9 Prozent genannt, in gleichen Reihenfolge der Anbieter.
Ausbau der weißen Flecken
Bundesweit sollen in weißen Flecken 500 Stationen neu aufgestellt werden. Davon hat die Telekom schon 28, Vodafone 12 und Telefónica 45 Stationen wirklich gebaut. Dabei bleibt unklar, ob das nur eigene Sendestationen oder Masten/Standorte sind, die von den anderen Anbietern mitgenutzt werden können.
Für 5G wurden 1000 Stationen vorgegeben, die Telekom meldet aber bereits 4070, Vodafone 1167 und Telefónica 4217. Das entspricht in etwa dem von vielen Lesern "gefühlten" Netzqualitätsverhältnis im Lande.
Bundesregierung lobt Kooperation
Dass die Netzbetreiber in "grauen" Regionen sich neuerdings gegenseitig aushelfen, wird von der Regierung begrüßt, konkrete Zahlen zu der Menge von Stationen und der gestopften Löcher gibt es dazu leider nicht.
Funklöcher im Zug? Keine Schuld der Netzbetreiber
Schlussendlich kommt die entscheidende Passage für Funkloch-geplagte Bahnfahrer: Die Netzbetreiber können nicht dafür "verurteilt" werden, dass es in Zügen nicht richtig klappt, weil die Züge ja der Deutschen Bahn (oder ihren privaten Mitbewerbern) gehören und diese dort das "Hausrecht" haben. Die Bahnen müssen durch passende Fensterscheiben und/oder den Einbau von Repeatern für Funkversorgung in Zügen sorgen.
Das bedeutet konkret, dass ein Netzbetreiber für den Wanderer, der neben einem Ferngleis steht und dem vorbeifahrenden Zug zuschaut, ein gutes Netz bieten muss. Der Reisende im Zug allerdings, kann nur hoffen und beten, dass die Repeater in seinen Zug bereits eingebaut sind und auch funktionieren oder es im Zug ein WLAN gibt, das dann noch ein brauchbares Signal liefert.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Was die Steigerung von "Lüge"? Die Antwort: "gemeine Lüge", und dann folgt "Statistik". Liest man 99,9 Prozent Abdeckung, könnte man sich ja zurücklehnen und sagen, Aufgabe erfüllt. Und es wurde in der letzten Zeit wirklich viel neu gebaut, das ist Fakt.
Doch gerade innerhalb von Gebäuden ist die Versorgung oft weniger als ausreichend. Draußen vor der Tür mag das vielleicht schon eher hinkommen. Steigt man ins Auto oder gar in den Zug und fährt los oder geht in die Natur, weiß man schnell, wie "flächendeckend" Deutschland wirklich versorgt ist. Ob am Nordsee- oder Ostseestrand, ob im Pfälzer-, Teutoburger-, Thüringer- oder Bayrischen Wald, ob im Erz- oder Voralpengebirge, da reiht sich Funkloch an Funkloch. Sicher - es gibt oft Gründe für fehlende Sender, die nicht immer bei den Netzbetreibern liegen. Da gibt es ängstliche Anwohner, langsame Bürokraten, fehlende Techniker oder fehlendes Material. Es bleibt noch sehr viel zu tun.
Gegen Funklöcher gibt es eine Firma. Wir erklären, was sie tut.