Themenspezial: Verbraucher & Service Fernsehen

Nebenkostenprivileg: Für Kabelkunden kann es teurer werden

Ob Kabel, Satel­liten, Antennen oder Internet: Um fern­zusehen, gibt es unter­schied­liche Über­tra­gungs­wege. Eine wirk­lich freie Wahl hatten viele Mieter bisher aber nicht, schließ­lich mussten sie für das Kabel-TV ohnehin bezahlen. Das ändert sich bald.
Von dpa /

Millionen Mieter müssen spätes­tens in einem halben Jahr vertrag­lich neue Wege gehen, um in ihrer Wohnung weiter fern­sehen zu können. Am 1. Juli läuft eine gesetz­liche Frist aus - ab dann dürfen Vermieter die TV-Gebühren nicht mehr auf die Neben­kosten umlegen. Jahre­lang betraf diese Praxis circa 12 Millionen Mieter. Nun endet das in den 80-ern einge­führte Neben­kos­ten­pri­vileg, das den Kabel­netz­betrei­bern Voda­fone und Tele Columbus einen Vorteil beschert hat. Eine Alter­native zum Kabel­fern­sehen ist die TV-Über­tra­gung über das Internet, Anbieter wie Magenta TV von der Deut­schen Telekom sowie Waipu und Zattoo sehen sich nun im Aufwind.

Die Platz­hir­sche müssen sich auf Kunden­ver­luste einstellen, denn ein Teil der Mieter will heraus aus der bishe­rigen Pflicht­zah­lung. Die Kabel­gebühren musste jeder Mieter zahlen, dessen Vermieter das so wollte - selbst wenn der Mieter das lineare Fern­sehen gar nicht mehr nutzt. Manche Mieter zahlten zwar doppelt - also für den unge­nutzten Kabel­anschluss und für einen anderen Über­tra­gungsweg, der mehr Möglich­keiten bot. Viele dürften aber vor so einer Doppel­zah­lung zurück­geschreckt haben - wenn die Pflicht­zah­lung für Kabel wegfällt, wird die Nach­frage nach den Konkur­renz­ange­boten wohl steigen.

Den Kabel­anbie­tern drohen Einbußen

2024 endet das Nebenkostenprivileg (Symbolbild) 2024 endet das Nebenkostenprivileg (Symbolbild)
Foto: Image licensed by Ingram Image, Montage: teltarif.de
In einer Inves­toren­prä­sen­tation geht Voda­fone auf die Folgen der Geset­zes­ände­rung ein und nennt hierbei eine Jahres­umsatz­zahl von circa 800 Millionen Euro. Darüber hatte zuvor die "Frank­furter Allge­meine Zeitung" berichtet. Diese Zahl bezieht sich auf 8,5 Millionen TV-Kunden, die über Wohnungs­bau­gesell­schaften kommen. Insge­samt hat Voda­fone nach eigenen Angaben 13 Millionen Kabel­kunden - dessen größter Teil muss nun also vertrag­lich neu gere­gelt werden.

"Es wird sicher­lich heraus­for­dernd", sagt Voda­fone-Manager Marc Albers mit Blick auf die drohenden Einbußen. "Wir sind dennoch opti­mis­tisch, dass wir mit unseren Ange­boten die Mieter auch künftig über­zeugen." Von Tele Columbus heißt es, es gebe "gewisse geschäft­liche Risiken".

Für Kabel­kunden wird es etwas teurer

Die Firmen bieten nun neue Verträge und Verein­barungen an, mit denen Mieter außer­halb der Neben­kosten weiterhin von relativ güns­tigen Kondi­tionen profi­tieren können. Hierfür sind die Kabel­anbieter Koope­rationen mit Wohnungs­bau­gesell­schaften einge­gangen. Denn das war ein Vorteil der bishe­rigen Umla­gefä­hig­keit: Weil die Vermieter mit den Kabel­anbie­tern große Verträge mit vielen Nutzern abschlossen, war der Durch­schnitts­preis pro Wohnung niedrig - bei Voda­fone waren es Firmen­angaben zufolge bislang sieben bis neun Euro.

Künftig sollen es acht bis zehn Euro sein - voraus­gesetzt, es wird eine dieser neuen Verein­barungen genutzt, die eine gewisse Menge an Abneh­mern enthält. Liegt hingegen kein Rahmen­ver­trag vor und ist der Mieter als Einzel­kunde auf sich allein gestellt, muss er bei Voda­fone künftig monat­lich knapp 13 Euro berappen.

Im Kampf um die Kunden­gunst setzt Voda­fone auch auf die Macht der Gewohn­heit. "Die Markt­for­schung zeigt, dass viele Mieter eher "Fernseh-Puristen" sind, denen ihre gewohnten Programme wich­tiger sind als Strea­ming-Dienste oder Inter­net­fern­sehen", sagt Albers. "Niemand möchte Kabel umste­cken, zusätz­liche Geräte instal­lieren, eine zweite Fern­bedie­nung verwenden oder Programme neu sortieren. Beim Fern­seh­emp­fang über Kabel bleibt alles so, wie es ist."

Konkur­renten wittern ihre Chance

Bei der Telekom sieht man das anders, der zustän­dige Manager Arnim Butzen verweist auf die verän­derten Gewohn­heiten vieler Menschen. "Anders als beim Kabel­fern­sehen sind Magenta-TV-Kunden nicht an einen Ort wie das Wohn­zimmer gebunden", sagt er. "Sie sehen fern, wann und wo sie möchten: zuhause auf dem TV-Gerät, in der Bahn auf dem Smart­phone oder auf dem Balkon mit dem Tablet."

Die Wett­bewerber hoffen auf einen möglichst großen Anteil am Markt, der bisher fest in der Hand von Voda­fone & Co. ist. "Nach unserer Einschät­zung könnten die Kabel-Anbieter bis zu zwei Drittel ihrer TV-Haus­halte verlieren", sagt Telekom-Mann Butzen. "Der Wegfall des Neben­kos­ten­pri­vilegs ist für unser TV-Angebot eine große Chance, wir können nur gewinnen." Man rechne mit einem deut­lichen Kunden­zuwachs. Voda­fone hingegen verweist auf eine selbst in Auftrag gege­bene Umfrage, der zufolge die meisten Kabel-Kunden eigent­lich keine Ände­rungen wollen.

Frank Lilie vom Satel­liten-TV-Anbieter Astra hält viele Markt­pro­gnosen zwar für speku­lativ. "Klar ist aber: Es wird eine Bewe­gung weg vom Kabel geben - und davon wird der TV-Empfang über Satellit profi­tieren." Ein Fern­seh­zugang über eine Satel­liten­schüssel am Balkon oder auf dem Dach ist eine Alter­native zum Kabel-Fern­sehen. Außerdem gibt es noch Anten­nen­fern­sehen sowie besagte Online­dienste.

Wer einen Inter­net­anschluss hat, kann zum Beispiel über Waipu.tv Zugriff auf eine Viel­zahl an Fern­seh­sen­dern und Strea­ming­diensten bekommen. Firmen­angaben zufolge hat Waipu bereits 1,3 Millionen zahlende Abokunden, Tendenz stei­gend. Auch Konkur­rent Zattoo ist nach eigenen Angaben auf dem aufstre­benden Ast. Man sehe in dem Auslaufen der gesetz­lichen Frist "enorme Chancen" und gehe davon aus, von den wech­sel­wil­ligen bishe­rigen Kabel­kunden «einen signi­fikanten Anteil von unserem Angebot über­zeugen zu können», heißt es von Zattoo.

Bisher nur wenige "Cable-Cutter"

Beim Kabel­anbieter Tele Columbus mit seiner Marke Pyur gibt man sich gelassen. "Wir gehen davon aus, dass die Kundinnen und Kunden ihre Entschei­dung zur Wahl des Verbrei­tungs­weges bereits getroffen haben", sagt Pres­sespre­cher Sebas­tian Arty­miak. Die Kunden­ver­luste hielten sich nach seiner Darstel­lung bisher noch in Grenzen: "Der Anteil der so genannten Cable-Cutter ist immer noch gering." Das Gesetz, das den Abschied vom Neben­kos­ten­pri­vileg besie­gelte, trat im Dezember 2021 in Kraft, inklu­sive der Über­gangs­frist bis Mitte 2024.

Und was passiert, wenn bis zum 1. Juli nichts passiert - wenn die Frist verstreicht und noch keine vertrag­liche Neure­gelung oder noch kein Wechsel auf einen anderen Über­tra­gungsweg erfolgt ist? Die Abschal­tungen erfolgten sicher­lich "nicht auf einen Schlag", sagt Arty­miak. "Richtig ist aber, Kabel­anschlüsse ohne Vertrag werden schluss­end­lich still­gelegt."

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