Erfolgreiche Landung

Editorial: Gratulation SpaceX!

Eine Rakete ist bei einem Testflug wieder gelandet. Doch bis zur echten Wiederverwendung ist noch ein weiter Weg. Telefonieren wir dann künftig alle per Satellit?
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Kurz vor Weihnachten am 21. Dezember 2015 hat der Raketenhersteller SpaceX mit dem erfolgreichen Start seiner Weltraumrakete Falcon 9 gleich fünf Schlagzeilen auf einmal geliefert:

  • Es war der erste Flug von SpaceX nach dem Fehlschlag vom 28. Juni 2015. Bei diesem war auf einer Versorgungsmission zur ISS die Oberstufe plötzlich explodiert, bevor sie überhaupt gezündet hatte. Als wahrscheinlichste Ursache wurde später eine defekte Strebe ermittelt. Mit der schnellen und erfolgreichen Rückkehr zum Flugbetrieb zeigt SpaceX, dass sie die Technologie grundsätzlich unter Kontrolle haben, auch, wenn ihnen Fehler passieren, wie die mangelnde Qualitätssicherung der genannten Strebe. Start der Rakete Start der Rakete
    Bild: SpaceX
  • Es war der erste Flug einer überarbeiteten Version der Rakete, die intern wohl "Falcon 9 v1.1 voller Schub" genannt wird, in den Medien teils aber auch als "Falcon 9 v1.2", "verbesserte Falcon 9" oder ähnlich bezeichnet wird. Die Rakete ist um etwa 2 Prozent länger geworden, die Startmasse wurde um 7 Prozent erhöht, der Startschub gar um 15 Prozent. Nach einem solchen Upgrade gleich wieder erfolgreich zu starten, ist alles andere als selbstverständlich: Als bei der europäischen Ariane-5-Rakete 2002 der Schub des Haupttriebwerks um 18 Prozent und die Masse der Hauptstufe um 10 Prozent gesteigert wurde, kam es wegen Triebwerksversagen zum Fehlschlag.
  • Erstmalig wurden bei einer großen Weltraumrakete beide Komponenten des Treibstoffs unterkühlt. Die vorgenannte Gewichtssteigerung der Rakete ist nämlich vor allem auf zusätzlichen Treibstoff zurückzuführen. Damit in eine nur 2 Prozent größer gewordene Rakete aber (nach Gewicht gemessen!) gut 7 Prozent zusätzlichen Treibstoffs passen, muss der Treibstoff auf viel tiefere Temperaturen gekühlt werden, als es bisher üblich war. Dadurch zieht sich der Treibstoff etwas zusammen. So passen in einen Liter bei der normalerweise verwendeten Temperatur von -183 °C ungefähr 1,14 kg Flüssigsauerstoff, bei -207 °C hingegen schon 1,26 kg. Allerdings verkompliziert sich durch diese Maßnahme die Betankung der Rakete deutlich. Insbesondere kann die bisher übliche Verdunstungskühlung nicht mehr verwendet werden. Tatsächlich verzögerten Betankungsprobleme auch den vor dem Start jeweils durchgeführten kurzen Triebwerkstest ("static fire") und damit den eigentlichen Start der Falcon 9 um einige Tage.
  • Auch das Kerosin (in der Fachsprache "RP-1") wurde auf -7 °C unterkühlt. Insofern war durchaus fraglich, ob SpaceX nach dem erfolgreichen Start und dem Aussetzen der Satelliten ein weiterer Test gelingen würde, bei dem die Oberstufe nach ca. einer halben Stunde Flug erneut gezündet wird. Bei diesem Test wurde die Oberstufe durch die Wiederzündung wieder abgebremst, um sie gezielt in der Erdatmosphäre verglühen zu lassen, so dass sie nicht als Weltraumschrott um die Erde kreist. Bei anderen Missionen ist diese Fähigkeit zur Wiederzündung nach einer Freiflugphase kritisch, da ohne die Wiederzündung überhaupt nicht der richtige Orbit erreicht werden würde. Und bei einem früheren Test von SpaceX war die Wiederzündung schonmal gescheitert, weil die Treibstoffleitung im Weltraum eingefroren war. Insofern ist es auch eine Schlagzeile, dass trotz unterkühlter Treibstoffe die Wiederzündung der Oberstufe weiterhin funktioniert.
  • Und schließlich gelang SpaceX der Rückflug der Unterstufe der Falcon 9 in die Nähe des Startplatzes, und die sichere Landung dort. Es ist das erste Mal überhaupt, dass die Hauptstufe einer Orbitalrakete sanft gelandet ist.
In mancher Hinsicht hat die Firma Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos SpaceX die Show gestohlen, indem sie schon einen Monat vorher ihre Rakete New Shepard vertikal starten, eine Höhe von 100 Kilometer (ab da beginnt offiziell der Weltraum) erreichen und dann in der Nähe des Startplatzes wieder landen ließ. Nur hat "New Shepard" bei diesem Flug keinerlei Nutzlast transportiert, während die Unterstufe der Falcon 9 noch eine Oberstufe trug, auf der wiederum die Satelliten montiert waren. Zudem hat die später gelandete Unterstufe der Falcon 9 die Oberstufe bis zu deren Aussetzen auf eine Geschwindigkeit beschleunigt, die auch ohne Zündung der Oberstufe zum Erreichen einer Höhe von fast 200 km gereicht hätte - also deutlich höher als New Shepard.

Lesen Sie auf der 2. Seite, warum es noch ein weiter Weg bis zur echten Wiederverwendung ist. Zudem werden sich anfangs durch die Landung der Rakete nur wenig Kosten sparen lassen.

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