Interview

Radioplayer: Amazon sollte Radiosender direkt ansteuern

Mit dem Radio­player Deutsch­land haben sich die natio­nalen Radio­sta­tionen in einem Aggre­gator zusam­men­geschlossen. Die App ist auf nahezu allen wich­tigen Platt­formen verfügbar. Wie das Angebot weiter­ent­wickelt wird, bespre­chen wir mit Geschäfts­füh­rerin Caro­line Grazé.
Von Björn König

Caroline Grazé ist Geschäftsführerin von Radioplayer Deutschland Caroline Grazé ist Geschäftsführerin von Radioplayer Deutschland
Foto: Radioplayer Deutschland GmbH
Der Radio­player Deutsch­land ist hier­zulande eine der meist­genutzten Radio-Apps. Wie behauptet sich das Angebot im Wett­bewerb mit den US-Musik­strea­mern und warum ist es speziell eine Alter­native zu Aggre­gatoren wie TuneIn oder Radio.de? Unter anderem darüber spre­chen wir mit Caro­line Grazé, Geschäfts­füh­rerin von Radio­player Deutsch­land.

teltarif.de: Frau Grazé, der Audio­markt wird immer viel­fäl­tiger. Während auch in Deutsch­land die lineare Sender­viel­falt durch DAB+ zunimmt, tut sich ebenso im Netz viel. Zu nennen wären hier einer­seits Strea­ming-Dienste wie Spotify und Deezer, unzäh­lige Webra­dios und neuer­dings Podcast-Apps, wie beispiels­weise "AUDIO NOW" von Bertels­mann oder "FYEO" von ProSiebenSat.1. In welchem Bereich sehen Sie in den kommenden Jahren einen Trend?
Caroline Grazé ist Geschäftsführerin von Radioplayer Deutschland Caroline Grazé ist Geschäftsführerin von Radioplayer Deutschland
Foto: Radioplayer Deutschland GmbH
Caro­line Grazé: Mit der stei­genden Anzahl der Ange­bote und deren Viel­falt schreiten meiner Meinung nach unwei­ger­lich auch die Perso­nali­sie­rungs­mög­lich­keiten voran, um den indi­vidu­ellen Enter­tain­ment- und Infor­mati­ons­bedarf optimal abzu­decken. Die Nutzer werden bald müde sein zwischen den verschie­denen Platt­formen und Apps aktiv hin- und herzu­wech­seln. Findet sich hierzu keine einfache, tech­nisch getrie­bene Lösung, um die Inhalte zusam­men­zuführen, werden sich manche Hypes auch wieder etwas beru­higen. Schon zugunsten der Bequem­lich­keit sehe ich den Trend daher eher dahin­gehend Platt­form- oder viel­mehr Betriebs­sys­tem­über­grei­fende Lösungen zu schaffen und weiter­zuent­wickeln. Die Down­load-Ange­bote der Musik­labels Anfang der 2000er haben gezeigt, dass es dem Nutzer letzt­lich egal ist, woher sein Inhalt kommt. Deswegen wurden iTunes oder in Deutsch­land auch Musi­cload damals schnell erfolg­reich, Content-Inseln werden wieder verschwinden oder ihre Grenzen für den Hörer verwi­schen. Das ist nur eine Frage der Umset­zung.

teltarif.de: Mit dem Radio­player Deutsch­land verfügen die deut­schen Radio­sender nun über eine eigene Aggre­gator-Platt­form. Warum war dies über­haupt nötig, schließ­lich gibt es ja bereits mit Radio.net oder TuneIn attrak­tive Ange­bote, die für alle Sender offen sind.
Caro­line Grazé: Mit dem Radio­player in Deutsch­land seit 2015 aktiv, stellen wir die Auffind­bar­keit von Radio­sen­dern über alle Platt­formen hinweg her und lang­fristig sicher. Das kann ein externer Partner mit eigenem Geschäfts­modell nicht leisten und man würde sich davon auch nicht abhängig machen wollen. Wenn ein Laut­spre­cher-Anbieter plötz­lich von einem Verzeichnis auf ein anderes wech­selt, stehen auf einmal tausende Hörer ohne ihre Sender da. Das sehen wir nur allzu oft. Der Radio­player agiert daher in allen Ländern als ein tech­nischer Dienst­leister der Broad­caster und in Deutsch­land sind wir daher zum Beispiel auch von der GEMA befreit. Wir schalten weder zusätz­liche Werbung noch handeln wir etwa mit den Daten der Hörer. Vor allem aber agieren wir rechts­sicher und das schätzen auch unsere vielen Partner in der Zusam­men­arbeit mit uns.

teltarif.de: Musik ist immer noch einer der zentralen Gründe, warum Radio einge­schaltet wird. Doch dort sind ja gerade die US-Streamer stark. Vor allem Apple Music, Spotify und Amazon Music Unli­mited sind starke Player, zumal Amazon sich sogar zusätz­lich noch im Bereich Live-Sport­über­tra­gungen profi­liert.
Caro­line Grazé: Radio ist eine gene­rati­ons­über­grei­fende und tech­nisch sehr einfache Möglich­keit Musik zu konsu­mieren, es bedarf weder eines Abon­nements noch einer Kredit­karte, um es zu nutzen. Vor allem aber ist es ein mensch­liches Medium, das über mehrere Song­titel hinweg auch Nach­richten und redak­tio­nelle Inhalte liefert und mich als Hörer teils sehr persön­lich mit lokalen Infor­mationen aus meiner Region versorgen kann. Wie rele­vant dies ist, hat der Beginn der Corona-Krise deut­lich gemacht. Selten wurde soviel Lokal­radio gehört wie in dieser Zeit. Live-Sport­über­tra­gungen sind ein einfa­cher, aber unzu­rei­chender Weg sich dem annä­hern zu wollen. Musik zu streamen ist ein beque­merer Hörge­nuss, als alle halbe Stunde die Platte umdrehen zu müssen, und trotzdem haben die Vinyl-Verkäufe die der CD nach 30 Jahren gerade über­holt. Radio vereint das Bedürfnis nach Musik mit der persön­lich rele­vanten Infor­mation seit über 100 Jahren so gut, wie es Siri & Co. noch lange nicht können. Da haben wir also noch einiges vor uns.

teltarif.de: Das Sender­angebot im Radio­player ist im Vergleich zu Mitbe­wer­bern noch über­schaubar. Planen Sie weitere Programme aufzu­nehmen?
Caro­line Grazé: Der Radio­player deckt in Deutsch­land bereits 98 Prozent aller UKW- und DAB+-Ange­bote ab, hinzu kommen viele Webradio-Ange­bote, sodass aktuell insge­samt über 2000 Sender über uns zu finden sind. Weitere Sender kommen in den anderen Radio­player-Ländern hinzu, und diese werden stetig mehr.

teltarif.de: Macht ein rein natio­nales Radio­angebot aus Ihrer Sicht über­haupt Sinn? Schließ­lich ist das Netz gren­zenlos und andere Aggre­gator-Apps bieten Radio­sender aus aller Welt.
Caro­line Grazé: Das Netz mag gren­zenlos sein, die Lizenz­rechte zur Ausstrah­lung von Musik­titeln sind es aber (noch) nicht. Recht­lich macht es einen Unter­schied, ob ich als Hörer aktiv auf die Webseite eines beispiels­weise fran­zösi­schen Radio­sen­ders gehe, oder ob dieser fran­zösi­sche Sender aktiv für seine Verbrei­tung in Deutsch­land sorgt, etwa weil er seine App dort verfügbar macht. Aus Nutzer­per­spek­tive nach­voll­ziehbar unver­ständ­lich, trotzdem glaube ich, dass die lokale Infor­mation in "meinem" Radio­sender eben doch meiner vorüber­gehenden Laune nach proven­zali­schem Flaire oder portu­gie­sischem Smooth-Jazz über ist. Der Stau zwischen Lyon und Marseille inter­essiert mich an den meisten Tagen ja dann eher doch nicht.

teltarif.de: Eine wich­tige Frage ist natür­lich auch, wie die Radio­sender selbst das Thema Aggre­gatoren bewerten. Zumin­dest macht es den Eindruck, dass sie Hörer lieber in ihre eigenen Apps "locken". Schließ­lich bieten sich hier indi­vidu­ellere Möglich­keiten im Hinblick auf Hörer­kon­takt und Marke­ting.
Caro­line Grazé: Es gibt genü­gend Hörer, die ihr Herz und ihre Zeit nur einem einzigen Sender widmen. Die sind auf dessen Webseite oder App gold­richtig. Als wech­sel­wil­liger Hörer sieht es da schon anders aus. Daher haben sich die Radio­sender in Deutsch­land nicht umsonst entschieden, einem eigenen Aggre­gator ihr Vertrauen zu schenken und gemeinsam darin zu koope­rieren. Zudem – ich komme zurück zu unserer Rolle als tech­nischer Dienst­leister – jeder Sender in Deutsch­land könnte es selbst und allein gar nicht leisten jedes Endgerät zu bespielen und seine Aufschal­tung darin auch dauer­haft zu pflegen. Das ist dann unser Job.

teltarif.de: Bei den Amazon Echo-Laut­spre­chern ist TuneIn als Stan­dard­dienst für Radio­sender akti­viert. Es wäre sicher­lich für andere Anbieter von Aggre­gatoren wie Radio.de oder auch den Radio­player Deutsch­land inter­essant, wenn man den Stan­dard-Dienst austau­schen könnte. Gibt es dies­bezüg­lich von Ihrer Seite Gespräche mit Amazon?
Caro­line Grazé: In einer perfekten Welt nutzt Alexa gar kein Verzeichnis, sondern greift direkt auf die Skills der Radio­sender zu, die es ja mitt­ler­weile zu Hauf gibt. Erst danach sollte der alter­native Weg über ein alter­natives Verzeichnis gewählt werden. Hierzu stellt Amazon – auch nach langem Drängen der diversen Verbände – nun die Weichen. Natür­lich würden wir es begrüßen, wenn dann ein Verzeichnis gewählt wird, welches für die deut­sche Sprach­anwahl best­mög­lich aufge­stellt ist und die Inhalte platt­form­neu­tral zur Verfü­gung stellt.

teltarif.de: Aktuell hat Amazon nun auch ein Podcast-Angebot aus dem Boden gestampft. Wie stehen Sie dazu?
Caro­line Grazé: Das war ebenso abzu­sehen wie über­fällig. Inter­essant ist viel­leicht noch, dass dies in Amazon Music geschah und nicht in Audible. Im Hinblick auf die Nutzung via Alexa macht es aber natür­lich viel mehr Sinn und zeichnet den Spotify- oder Apple Music-Weg nach. Stellt man die Musik-Streamer gegen­ein­ander, lässt sich zudem noch eine span­nende Paral­lele zum Radio ziehen: Nur Musik reicht auf Dauer eben doch nicht aus. Ich bin gespannt, wann die Podcaster als Inhalte-Hersteller dann hier mehr Rechte einfor­dern, und wie sich das Angebot der Origi­nals auf den einzelnen Platt­formen entwi­ckelt und von den anderen wirk­lich abheben soll.

teltarif.de: Mit der ARD Audio­thek haben die öffent­lich-recht­lichen Sender eben­falls ein durchaus attrak­tives Hörfunk­angebot geschaffen. Gibt es hier aus Ihrer Perspek­tive Syner­gien mit dem Radio­player der privaten Radio­sender?
Caro­line Grazé: Wir sind von Beginn an als der offi­zielle Aggre­gator der privaten und der öffent­lich-recht­lichen Sender ange­treten. Alle Radio­sender der ARD sind über uns genauso im Audi A8 inte­griert wie die der privaten Sender, die ihre eigenen Apps und Webseiten pflegen. Ich sehe da keinen Unter­schied.

teltarif.de: Es gibt auf Ihrer Platt­form durchaus einige spezi­elle Funk­tionen, wie zum Beispiel die Bosch-Falsch­fahrer­warn­funk­tion. Wie wird diese Funk­tion bei den Nutzern ange­nommen?
Caro­line Grazé: Sehr gut. Die Kollegen von Bosch haben da ein tolles Tool entwi­ckelt, was wir – gemeinsam mit anderen Part­nern – in unsere Apps inte­grieren durften, und ich freue mich, dass wir mit einigen Warnungen schon dabei helfen konnten Schlim­meres zu verhin­dern. Ich kann nur anraten, dass weitere Navi­gations- oder Musik­anbieter ihn inte­grieren: Er rettet Leben.

teltarif.de: Apropos Auto. Wie entwi­ckelt sich die mobile Nutzung des Radio­players, auch mit Blick auf Android Auto und Apple CarPlay?
Caro­line Grazé: Vornehm­lich wollen wir den Radio­player direkt in die Enter­tain­ment-Systeme der KFZ inte­grieren, idea­ler­weise auch für den hybriden Empfang von UKW/DAB und IP. Die Produk­tions­zyklen sind aber lang und komplex, sodass mittel­fristig in der Tat Anbin­dungen via Android Auto und CarPlay – die wir beide schon seit Jahren unter­stützen – in den Vorder­grund rücken. Mobil gewinnen wir aktuell aber auch über die Weara­bles, die sich immer größerer Beliebt­heit erfreuen, auch seit sie mit eSIM-Funk­tio­nalität erlauben das Smart­phone zuhause zu lassen. Ein Podcast auf der Hunde­runde oder den Fitness-Channel beim Joggen ist etwas, was ich persön­lich genauso gern höre wie unsere Nutzer es immer öfter tun.

teltarif.de: Planen Sie für die kommenden Monate weitere inno­vative Features?
Caro­line Grazé: In diesem Jahr unter­ziehen wir noch einige unserer Smart-TV-Apps einer kleinen Frisch­zel­lenkur, und wir gehen weiter auf die Weara­bles. 2021 wird – parallel zu unseren Bemü­hungen in Sachen Android Auto­motive – dann das Jahr der HiFi-Anlagen und Konsolen. Zudem erhalten die Sender von uns noch flexi­blere Desktop-Player und unsere inter­natio­nale Daten­bank-Struktur wird komplett über­arbeitet. Die eingangs erwähnten Trends sind etwas, mit denen wir uns aktiv beschäf­tigen und die wir für unsere Sender auch best­mög­lich möglich machen wollen.

teltarif.de: Frau Grazé, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Caro­line Grazé
Caro­line Grazé ist Geschäfts­füh­rerin der Radio­player Deutsch­land GmbH mit Sitz in Hamburg und verant­wortet dort die Weiter­ent­wick­lung des Dienstes. Zuvor leitete sie unter anderem acht Jahre den inter­natio­nalen stra­tegi­schen Ansatz zu Online & New Busi­ness bei Radio ENERGY und war im Bereich Content Syndi­cation, Program­mie­rung und Entwick­lung digi­taler Stra­tegien für Edel Records, Voda­fone und Sony Net Services tätig.

In einem weiteren Inter­view spra­chen wir mit RTL Radio Deutsch­land-CEO Stephan Schmitter über die App "AUDIO NOW".

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