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Nebenkostenprivileg: Viele würden Kabelanschluss kündigen

Das Neben­kos­ten­pri­vileg beim Kabel­anschluss ist umstritten. Doch wie viele Mieter würden ihren Kabel­anschluss tatsäch­lich kündigen, wenn das Neben­kos­ten­pri­vileg fällt? Das Markt­for­schungs­institut Kantar hat im Auftrag von Zattoo nach­gefragt.
Von Björn König

Zattoo Content-Chef Jörg Meyer Zattoo Content-Chef Jörg Meyer
Foto: Zattoo AG
Wer per Kabel online geht, spart in der Regel gegen­über Glas­faser oder DSL. Das liegt nicht nur daran, dass es teil­weise beson­ders güns­tige Tarife für Internet per TV-Kabel gibt, sondern auch weil der TV-Kabel­anschluss nicht selten als obli­gato­rischer Bestand­teil des Miet­ver­trages rabat­tiert wird. Dennoch möchten viele Mieter ihren Kabel­anschluss gar nicht nutzen, weil sie lieber auf eine andere Netz­tech­nologie zurück­greifen und auch ihr Fern­seh­pro­gramm auf alter­nativem Wege empfangen. Das soge­nannte Neben­kos­ten­pri­vileg beim Kabel­anschluss ist nicht nur vielen Mietern, sondern auch Verbrau­cher­schüt­zern und der Politik ein Dorn im Auge. Doch wie viele Mieter würden nun tatsäch­lich ihren Kabel­anschluss kündigen, wenn sie nicht über ihren Miet­ver­trag daran gebunden wären? Offenbar sehr viele, fand das Markt­for­schungs­institut Kantar im Auftrag des Strea­ming-Anbie­ters Zattoo heraus.

Online-reprä­sen­tative Umfrage

Zattoo Content-Chef Jörg Meyer Zattoo Content-Chef Jörg Meyer
Foto: Zattoo AG
Kantar befragte im Auftrag von Zattoo deut­sche Inter­net­nutzer im Alter zwischen 16 und 69 Jahren. 39 Prozent der befragten Inter­net­nutzer, die von dieser Umla­gefä­hig­keit betroffen sind, würden ihren Kabel­anschluss kündigen, sollte dieser nicht mehr Teil des Miet­ver­trages sein. Wenn man die von der Bundes­regie­rung genannten 12,4 Millionen betrof­fenen Miet­ver­hält­nisse als Berech­nungs­grund­lage nehme, würden rund fünf Millionen Haus­halte in Deutsch­land ihren Kabel­anschluss kündigen.

Weitere 29 Prozent gaben an, dass sie sich noch unschlüssig bezüg­lich einer Kündi­gung seien. Nur 32 Prozent sind über­zeugt, dass sie ihren Anschluss auch nach Wegfall der Umla­gefä­hig­keit behalten würden. Die Zahlen sind somit ein starkes Indiz, dass der Kabel­anschluss für Millionen von Mietern als obsolet ange­sehen wird. Das sind sicher­lich insbe­son­dere für Voda­fone keine guten Nach­richten, denn der Düssel­dorfer Tele­kom­muni­kati­ons­kon­zern setzt in seiner Stra­tegie stark auf das Kabel­netz, zuletzt hatte das Unter­nehmen nach langen Verhand­lungen die ehema­ligen Unity­media-Netze in Nord­rhein-West­falen, Hessen und Baden-Würt­tem­berg über­nommen und inte­griert.

Zattoo sieht neue Erkennt­nisse

Jörg Meyer, Chief Content Officer bei Zattoo, sieht im Kantar-Studi­energebnis erst­mals auch ein Meinungs­bild aus Perspek­tive der betrof­fenen Mieter, welche in der bishe­rigen Debatte gar nicht zu Wort kamen: "In der Diskus­sion um das Neben­kos­ten­pri­vileg argu­men­tieren Politik, Verbände und Unter­nehmen zwar mit dem, was aus ihrer Sicht für die Mieter am besten ist, umfang­reiche Befra­gungen und Studien zur Sicht der Mieter waren uns bisher jedoch nicht bekannt", so Jörg Meyer.

"Die vorlie­gende Studie liefert uns hierzu nun klare Erkennt­nisse: Millionen von direkt betrof­fenen Haus­halten würden den bestehenden Kabel­anschluss kündigen, wenn sie könnten." Aus der Analyse geht auch hervor, dass die Mehr­heit der befragten Inter­net­nutzer mehr als 10 Euro pro Monat für den Kabel­anschluss über die Neben­kosten bezahlt. Ein großer Teil der Befragten kann keine genauen Angaben zum tatsäch­lichen Betrag machen, da sie nicht wissen, wie viel sie dafür bezahlen. Ein weiteres Drittel zahlt aktuell weniger als 10 Euro im Monat.

Eine Einschät­zung (von Björn König)

Es sollte zwischen Politik, Tele­kom­muni­kati­ons­kon­zernen aber auch Vermie­tern mitt­ler­weile Konsens sein, dass nur der Glas­faser­ausbau bis in die Wohnungen (FTTH) wirk­lich lang­fristig zukunfts­sicher ist. Ein auf (alten) Koaxi­alka­beln bestehendes Netz kann auch mit moderner Aufrüs­tung kein Glas­faser ersetzen. Es ist allein schon deshalb nicht nach­voll­ziehbar, wenn einzelne Akteure aus Politik sowie Netz­betrei­bern das Kabel­netz immer noch vor dem Tech­nolo­gie­wett­bewerb schützen wollen. Zumal auch mit vorhan­denen Kabel­netzen ein Ausbau der Nodes sowie der weitere Rollout von DOCSIS 3.1 bzw. sogar 4.0 aufwändig und kosten­intensiv ist.

Die aktu­elle Kantar-Studie zeigt außerdem, dass Mieter kein "Zwangs­kabel" wollen. Das Argu­ment, der Kabel­anschluss wäre durch das Neben­kos­ten­pri­vileg auch für Menschen mit gerin­gerem Einkommen erschwing­lich, kann hier nicht zählen. Viel­mehr sollte das poli­tische Inter­esse darin bestehen, Menschen mit gerin­gerem Einkommen mit Glas­faser­anschlüssen zu versorgen. Denn eben diese sind momentan noch deut­lich teurer, als Kabel und DSL. Wenn güns­tige Preise für den Kabel­anschluss aber dazu führen, dass Glas­faser unat­traktiv wird, hat das am Ende nur eine Konse­quenz: Deutsch­land fällt beim Netz­ausbau inter­national noch weiter zurück.

In seinem Edito­rial disku­tiert teltarif.de-Heraus­geber Kai Petzke das Neben­kos­ten­pri­vileg.

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