Urteil

Werden Links zum unkalkulierbaren Risiko?

Das LG Hamburg nimmt kommerzielle Webseitenbetreiber für die Verlinkung von Webseiten in Haftung, auf denen gegen das Urheberrecht verstoßen wird.
Von Marie-Anne Winter

Justizia auf dem Frankfurter Römer Justizia auf dem Frankfurter Römer
Bild: teltarif.de / Daniel Molenda
Das Landgericht Hamburg hat ein alarmierendes Urteil gefällt, das die bisherige Verlinkungspraxis im Internet komplett auf den Kopf stellen könnte: Wenn eine kommerziell betriebene Internetseite einen Link auf eine andere Internetseite setzt, auf der ein Verstoß gegen das Urheberrecht begangen wird, haftet der Betreiber der verlinkenden Seite künftig für die auf der anderen Seite begangenen Rechtsverstöße Justizia auf dem Frankfurter Römer Justizia auf dem Frankfurter Römer
Bild: teltarif.de / Daniel Molenda
(Az.: 310 O 402/16). Das berichten unter anderem die Kanzlei Dr. Bahr und die Kanzlei Spirit Legal LLP auf ihren Internetseiten.

Verhängnisvolles Foto

Passiert ist folgendes: Der Beklagte hatte einen Link auf die Homepage eines Dritten gesetzt, auf der ein Foto benutzt wurde, für dessen Benutzung der entsprechende Rechteinhaber keine Einwilligung erteilt hatte. Der Antragsgegner hatte das Foto nicht auf seiner Webseite eingebunden, sondern lediglich einen Textlink auf die Seite gesetzt, auf der das Foto abgebildet war.

Der Rechteinhaber ging aber gegen den Verlinkenden vor und begehrte Unterlassung - zu Recht wie das LG Hamburg per einstweiliger Verfügung entschied. Das Landgericht Hamburg hat damit als erstes deutsches Gericht die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten neuen Grundsätze im deutschen Recht angewendet. Mit seinem Urteil vom 8. September (Az. C-160/15 – GS Media) hatte der EuGH entschieden, dass auch das Setzen eines Links eine Urheberrechtsverletzung sein kann, wenn sich auf der verlinkten Webseite ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne die Einwilligung des Urhebers befindet. Entsprechend dieser Vorgaben sei der Verlinkende mitverantwortlich für die von dem Dritten begangene Urheberrechtsverletzung.

Verfahrenes Musterverfahren

Die Leipziger Sozietät Spirit Legal LLP hatte für jenen Fotografen ein Musterverfahren betrieben, um zu klären, wie deutsche Gerichte die europäischen Vorgaben in der Praxis umsetzen. Im jetzt vorliegenden Beschluss bestätigte das Landgericht Hamburg die Rechtsprechung des EuGH und entschied, dass schon die bloße Verlinkung auf ein nicht lizenziertes Foto eine eigene Urheberrechtsverletzung sein kann. Hier war allerdings ausschlaggebend, dass der Webseiten-Betreiber mit Gewinnerzielungsabsicht handelte. Nach Ansicht des Landgerichts Hamburg kommt es dabei nicht auf die Gewinnerzielungsabsicht bezüglich des konkreten Links, sondern auf die der verlinkenden Webseite als Ganzes an.

Verschärfte Prüfpflicht

An die Betreiber kommerzieller Webseiten werden damit verschärfte Anforderungen gestellt: Sie müssen künftig jede Seite, die sie verlinken möchten, vorher auf etwaige Urheberrechtsverletzungen überprüfen. Unterlassen sie das, setzen sie sich selbst dem Risiko aus, aufgrund ihrer Linksetzung von einem Urheber auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. In der Praxis läuft das dann wohl darauf hinaus, dass man im Zweifelsfall - also eigentlich immer - eben keinen Link mehr setzt. Wobei noch nicht geklärt ist, wie weit diese Prüfpflichten im Einzelnen tatsächlich reichen: Das Landgericht Hamburg hat offengelassen, ob man sich um eine Klärung der Rechte auf der verlinkten Website lediglich bemühen muss oder ob man sich tatsächlich davon überzeugen muss, dass die verlinkte Seite ihrerseits alle Rechte eingeholt hat.

Mit einem Bein im Haftungsrisiko

Die Anforderung ist allerdings nicht nur völlig lebensfremd, sondern praktisch gar nicht zu leisten. Was aber faktisch drauf hinausliefe, dass eine kommerzielle Webseite ab sofort nicht mehr verlinken kann, weil sie ja immer mit einem Bein im Haftungsrisiko steht. Die Linksetzung ist nun aber eines der elementaren Elemente des Internets. Wenn sich diese Rechtsansicht durchsetzen sollte, hätte das massive Auswirkungen auf die Informations- und Kommunikationsfreiheit im Internet.

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