Peinliche Panne

Fataler Fehler: Zoom kennt deutsche Vorwahlen nicht

Zoom wurde als Pandemie-Gewinner gefeiert - doch von der Tele­kom­muni­kation in Deutsch­land scheint das Unter­nehmen wenig Ahnung zu haben. teltarif.de deckt einen schweren Abrech­nungs­fehler auf.
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Schwerer Abrechnungsfehler bei Zoom Schwerer Abrechnungsfehler bei Zoom
Bild: dpa
Während der Pandemie wurde Zoom lange als "Krisen­gewinner" gefeiert - zahl­reiche Firmen, Privat­leute und Vereine verwenden das Konfe­renz-System zur Kommu­nika­tion. Zoom nutzte dies, um sein Port­folio an kosten­pflich­tigen Diensten auszu­bauen und mehr Schnitt­stellen zu klas­sischen Tele­fon­netzen zu schaffen. Das lockte auch deut­sche Kunden an.

Doch nun zeigt sich: Offenbar hat Zoom in Deutsch­land expan­diert, ohne sich über den hiesigen Tele­kom­muni­kati­ons­markt ausrei­chend zu infor­mieren. Nicht einmal das deut­sche Vorwahlen-System scheint Zoom vor der Einfüh­rung seiner Produkte geläufig gewesen zu sein. Das Ergebnis sind vermut­lich zahl­reiche falsche Abrech­nungen und ein hoher Schaden bei einigen Kunden. Ein betrof­fener Kunde hat teltarif.de darüber infor­miert. Schwerer Abrechnungsfehler bei Zoom Schwerer Abrechnungsfehler bei Zoom
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Ausnahmen-Liste für "Sonderrufnum­mern"

Insbe­son­dere Privat­leute und Vereine dürften ausschließ­lich die kosten­freie Vari­ante von Zoom nutzen und daher von dem Problem bislang nichts mitbe­kommen haben. Der betrof­fene teltarif.de-Leser, der zahlender Kunde bei Zoom ist, hat dort das Produkt "Zoom United with Global Select Inter­national Calling Add-on" gebucht. Zoom United kostet in der güns­tigsten Vari­ante 279 Euro pro Benutzer und Jahr, das Add-on für inter­natio­nale Anrufe gibt es ab 112 Euro zusätz­lich pro Jahr.

Im Add-on für inter­natio­nale Anrufe sind unbe­grenzte Anrufe in die folgenden Länder/Gebiete enthalten: Austra­lien, Belgien, Deutsch­land, Däne­mark, Frank­reich, Irland, Italien, Kanada, Neusee­land, Nieder­lande, Öster­reich, Portugal, Puerto Rico, Schweden, Schweiz, Spanien, USA und Verei­nigtes König­reich. Wie bei deut­schen Provi­dern auch sind natür­lich Sonderrufnum­mern von der Flat­rate ausge­schlossen. Welche Vorwahl­bereiche nicht in der Flat enthalten sind, hat Zoom auf einer Ausnahmen-Liste der Vorwahlen fest­gelegt. Der Preis bei Zoom für einen Anruf zu diesen Vorwahl­berei­chen beträgt 0,6346 Euro, also satte 63,46 Cent pro ange­fan­gener Minute. Ausnahmen-Liste: Zoom kennt deutsches Vorwahlen-System nicht Ausnahmen-Liste: Zoom kennt deutsches Vorwahlen-System nicht
Bild: Zoom, Screenshot: teltarif.de

Falsch­abrech­nung: Schaden von über 150 Euro

Beim Blick auf diese Liste zeigt sich sofort, was Zoom eigent­lich ursprüng­lich wollte - und welcher fatale Fehler dahin­ter­steckt. Für Deutsch­land nennt Zoom die Vorwahl­bereiche 18, 19, 32, 70, 80, 115 und 90 als Ausnahme. Jedem Kenner der deut­schen Tele­kom­muni­kati­ons­land­schaft ist natür­lich klar, dass Vorwahl­bereiche wie 0180, 019x, 032, 0700, 0900 oder die Behör­den­ruf­nummer 115 nicht in Flat­rates enthalten sind. Proble­matisch ist aber schon die Angabe 80, da Zoom eigent­lich für die ganzen Free­call-Bereiche 0800 und 00800 keine Gebühren berechnen dürfte.

Noch fataler ist der Fehler natür­lich bei den Angaben 70, 80 und 90, da sich dahinter zahl­reiche Orts­vor­wahlen im deut­schen Fest­netz verbergen, die eigent­lich alle in die Flat­rate einge­schlossen sein sollten. Der Fehler befindet sich aber nicht nur in der Liste, sondern auch im Abrech­nungs­system von Zoom.

Der Leser, der sich bei unserer Redak­tion gemeldet hatte, tele­fonierte beispiels­weise in die Vorwahl­bereiche 07031 (Böblingen, Sindel­fingen und Umge­bung), 08031 (Rosen­heim und Umge­bung) oder 09072 (Lauingen/Donau und Umge­bung). Für jedes dieser Tele­fonate wurde dem Kunden 63,46 Cent pro ange­fan­gener Minute berechnet. Insge­samt ist ihm dadurch bislang ein Schaden von über 150 Euro entstanden.

Kunden­ser­vice versteht das Problem nicht

Zu der ganzen Misere kommt noch die Tatsache, dass der Zoom-Kunden­ser­vice so schlecht geschult ist, dass er das Problem nicht versteht. Die Kommu­nika­tion mit Zoom kann auch nur auf Englisch erfolgen, da es offenbar noch keinen deutsch­spra­chigen Support bei Zoom gibt.

Laut den teltarif.de vorlie­genden Unter­lagen hat der Kunde sehr oft versucht, den Kunden­ser­vice-Mitar­bei­tern von Zoom das deut­sche Vorwahl-System zu erklären, und zwar per Chat und per Mail. Immer wieder sandte er seine falschen Rech­nungen und beispiels­weise Über­sichten der deut­schen Vorwahl­bereiche bei Wiki­pedia an den Support, um zu erklären, dass es sich bei den ange­rufenen Nummern um regu­läre Fest­netz­num­mern gehan­delt habe.

Trotzdem konnte oder wollte der Support das Problem nicht verstehen und schickte ihm immer wieder den Link zur Ausnahmen-Liste der Vorwahlen, verbunden mit dem Hinweis, dass er eben kosten­pflich­tige Sonderrufnum­mern in Deutsch­land ange­rufen habe.

Zoom gesteht Fehler ein und entschul­digt sich

Nachdem teltarif.de sich mit den Unter­lagen des Kunden an die euro­päi­sche Pres­sestelle von Zoom gewandt hatte, gab es offenbar ein Einsehen. Dem Kunden gegen­über wurde bestä­tigt, dass er nicht der einzige sei, der von dem Problem betroffen ist. Bislang seien die falsch berech­neten Beträge aber noch nicht erstattet worden. An unsere Redak­tion schrieb eine Spre­cherin von Zoom:

[...] Vielen Dank für Ihre Anfrage - und auch, dass Sie uns erneut auf den Fall von Herrn [...] aufmerksam gemacht haben. Dieser ist Zoom bereits bekannt und wir kümmern uns aktiv um das Anliegen von Herrn [...] sowie den dahin­ter­lie­genden Fehler. Sollte der Support nicht zufrie­den­stel­lend gewesen sein, tut uns dies leid, da die Zufrie­den­heit der Kunden bei Zoom an oberster Stelle steht. Zoom verfügt in Deutsch­land über eine Carrier Lizenz. Darüber hinaus bauen wir konti­nuier­lich unsere lokalen Kapa­zitäten für Kunden­sup­port und darüber hinaus aus. Für weitere Rück­fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfü­gung.
Betrof­fene zahlende Kunden von Zoom sollten also unbe­dingt alle ihre bishe­rigen Abrech­nungen kontrol­lieren und alle Unge­reimt­heiten mit Verweis auf diesen Artikel sofort an den Kunden­ser­vice melden. Bis wann die zu Unrecht abge­buchten Kosten erstattet werden, konnte oder wollte uns Zoom bislang nicht mitteilen.

Inzwi­schen gibt es weitere Neuig­keiten in dem Fall: Der betrof­fene Zoom-Kunde wurde nun sogar unberech­tig­ter­weise zeit­weise gesperrt.

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