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Editorial: Internet bald "wegen Überfüllung geschlossen"?

Langsames Upgrade auf IPv6 bringt Probleme
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Weil die oben genannte Entwicklung schon lange absehbar war, haben die Internet-Standardisierungsgremien auch schon früh nach einer Lösung gesucht. Diese besteht im Internet-Protokoll Version 6 (kurz IPv6), die die aktuelle Version 4 ablösen soll. Dank Vervierfachung der Adresslänge können im IPv6 nun 4 Milliarden mal 4 Milliarden mal 4 Milliarden mal 4 Milliarden IP-Adressen vergeben werden. Das sind so viele, dass man selbst bei der Standard-DSL-Einwahl künftig gleich ein ganzes Netz zugewiesen bekommt, so dass künftig alle Geräte hinter dem DSL-Router individuell erreichbar sind. Zumindest dann, wenn der Nutzer es auch will, denn Masquerading, bei dem der Router alle Geräte hinter sich versteckt, bleibt selbstverständlich weiterhin möglich.

Ein weiterer Vorteil von IPv6 ist die Autokonfiguration lokaler Netze. Es wird also nicht mehr unbedingt nötig sein, jedem Rechner eine eigene IP-Adresse zu geben. Auch dann nicht, wenn kein Router im Netz steht, der die Adressen per DHCP zuweist. Und dass aus dem IPv6-Netz auch normale IPv4-Adressen erreichbar sind, versteht sich von selbst. Nur anders herum gibt es, aus offensichtlichen Gründen, Probleme.

Unverbundene IPv6-Inseln

Angesichts der Vorteile fragt man sich, warum IPv6 nicht längst etabliert ist. In allen gängigen Betriebssystemen (Windows, Linux, FreeBSD etc.) ist es verfügbar, auch die großen Internet-Router (Cisco, Juniper etc.) können es. Und die kleinen Router kommen ebenfalls hinterher, zum Beispiel jüngst die AVM Fritz!Box 7270. Die Kabel bleiben dieselben. Einzig die Konfiguration muss geändert bzw. erweitert werden. Und hier liegt wohl der Haken. Nicht umsonst lautet der Lieblingsspruch vieler Systemverwalter: "Never change a running system".

Denn durch die vorgenannte gute IPv6-Unterstützung in den wesentlichen Betriebssystemen und Routern und durch die automatische IPv6-Konfiguration gibt es zahlreiche IPv6-Inseln, von deren Existenz die jeweiligen Anwender jedoch zumeist mehr als nur etwas überrascht sein dürften. Die Folge: Schließt zum Beispiel ein Inhalteanbieter seinen Webserver an das IPv6-Netz an und veröffentlicht ab dann neben der IP- auch die IPv6-Adresse, werden die Computer der Nutzer in den zitierten IPv6-Inseln versuchen, den Web-Server über IPv6 zu erreichen, aber dank der Unverbundenheit der jeweiligen Insel mit einer für den Nutzer unverständlichen Fehlermeldung abbrechen.

Warum sollten also Web-Server-Betreiber IPv6-Adressen schalten und veröffentlichen, wenn es ohne IPv6 derzeit besser klappt? Und warum sollten dann Nutzer auf IPv6 migrieren, wenn es dort nichts Neues gibt? Das typische Henne-Ei-Problem. Noch verschärft durch das oben zitierte Wissen, dass es neue Provider und Diensteanbieter am härtesten treffen wird. Profitieren werden hingegen die Hersteller von NAT-Routern und Service-Gateways.

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