Editorial: Mehr Geld fürs günstigere Netz!?
Auch in Deutschland beginnt nun das 5G-Zeitalter.
Bild: picture alliance/Clara Margais/dpa
Mit dem
bevorstehenden 5G-Start beginnt nun die
heiße Phase für die Produkt- und Marketing-Manager der Tk-Unternehmen.
Schließlich sollen die hohen Investitionen möglichst schnell wieder
reingeholt werden. Doch dadurch kommt es zu einigen
Widersprüchlichkeiten.
Wer beispielsweise exklusiver Kunde des Tarifs Magenta Mobil XL Premium der Deutschen Telekom ist, wird nach aktueller Planung nicht automatisch für 5G freigeschaltet. Das ist angesichts des Monatspreises von 200 Euro für diesen Tarif schlicht und einfach unverständlich. Schließlich soll nach aktueller Planung der teuerste 5G-Tarif namens Magenta Mobil XL Special nämlich "nur" 84,95 Euro monatlich kosten und damit zwar 5 Euro mehr als der bekannte Magenta Mobil XL, aber eben nicht mal die Hälfte des XL Premium.
Anders als beim XL Premium, dessen Daten-Flatrate nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU, der Schweiz, der Türkei, den USA und Kanada unlimitiert genutzt werden kann, gilt beim "normalen" XL und beim XL Special im EU-Roaming die Fair-Use-Policy mit einem maximalen monatlichen Datenvolumen von 30 bzw. 33 GB. Nur innerhalb Deutschlands ist bei diesen Tarifen der Datenverbrauch unlimitiert. Über die Gründe, nicht auch den XL Premium mit 5G upzugraden, kann ich an dieser Stelle nur spekulieren. Möglicherweise kann die Telekom die unlimitierte 5G-Flat im Ausland derzeit nicht kalkulieren und bietet sie deswegen nicht an. Oder Magenta Mobil XL Premium wird bereits jetzt von den Kunden zu intensiv genutzt, als dass die Telekom diesen Tarif noch attraktiver machen wollen würde.
Eigentlich unlogisch: 5G-Aufpreis
Auch in Deutschland beginnt nun das 5G-Zeitalter.
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Aber auch sonst ist ein 5G-Aufpreis eigentlich unlogisch: Eine
der Triebkräfte hinter 5G war ja, für den Netzbetreiber die Kosten pro
Bit auch im Vergleich zu 4G nochmals drastisch zu reduzieren. Dank
üppigerer Frequenzausstattung erreicht 5G in der Basisstation
vom Start weg höhere Gesamtbitraten als 4G. Folglich können bei
gleicher Nutzung (z.B. YouTube-Streams) mehr 5G-Nutzer gleichzeitig
in einer Zelle aktiv sein als 4G-Nutzer.
Die Netzbetreiber sollten also ein sehr starkes Interesse daran haben, dass die Kunden sich überall dort, wo 5G verfügbar ist, auch bevorzugt ins 5G-Netz einbuchen. Klar kommt es im schlimmsten Fall dann an Hotspots schon recht bald zu Überlastungen im neuen 5G-Netz. Doch auch dann sollte ein weiterer Ausbau des Netzes an dieser Stelle mit 5G-Technik im Verhältnis günstiger sein als der alternativ benötigte Ausbau mit 4G-Technik. Zudem ist der 5G-Ausbau auch zukunftssicherer.
Verständlich ist, dass die Netzbetreiber das neue Netz nicht für lau verschenken wollen. Wer explizit neue 5G-Features nutzen will, und dazu gehört für Smartphone-Nutzer vor allem die im Vergleich zu 4G nochmals deutlich gesteigerte Maximalbitrate, der sollte auch bereit sein, dafür zu bezahlen. Wem aber typische LTE-Bitraten von 100 MBit/s reichen, dem sollten die Netzbetreiber, wenn nicht gleich zum Start, dann zumindest in absehbarer Zeit, auch die 5G-Netze zum 4G-Speed öffnen.
Das alte Netz versauern lassen?
Natürlich klingt es betriebswirtschaftlich erstmal am besten, einen Aufpreis für 5G zu verlangen und zugleich die Investitionen in die bestehenden 4G-Netze zurückzufahren. Dann laufen die 4G-Netze dank weiter steigendem Datentraffic zunehmend voll, sodass die Kunden immer stärker unter Druck geraten, das 5G-Upgrade zu kaufen. Doch auf diesem Weg die alten Netze "versauern" zu lassen, hat einen unangenehmen Nebeneffekt: Die Kunden versauern auch. Und werden folglich eher nicht einen noch teureren Vertrag kaufen, in der Hoffnung, dass es damit ein bisschen besser wird, sondern das Geld für andere Dinge ausgeben.
Die Abwärtsspirale aus schlechten Netzen und zahlungsunwilligen Kunden hat Deutschland in Europa bereits einen der hintersten Plätze in Sachen "Netzqualität" beschert. Es liegt an den Netzbetreibern, diese Spirale zu durchbrechen. Zögerliche 5G-Freischaltungen sind da sicher das falsche Signal.