Mobilfunk

Editorial: 5G-Frequenzen vergeben statt versteigern?

Die Netzbetreiber wollen teure Lizenzversteigerungen vermeiden. Doch was bringen die als Alternative vorgeschlagenen Ausbauverpflichtungen den Kunden wirklich?
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Im konkreten Fall kommt noch hinzu, dass die Mobilfunkbranche beim Start von 4G das großspurige Versprechen gegeben hatte, die vielen weißen Flecken von der DSL-Landkarte zu tilgen. Immer wieder wurde betont, wie Bewohner ländlicher Gebiete vom kommenden LTE profitieren würden. Passiert ist dann aber so gut wie nichts.

Rückwirkend betrachtet muss man aber wohl sagen, dass die vielen Reden über den Nutzen der "digitale Dividende" damals vor allem dazu dienten, die Fernsehsender davon zu überzeugen, mehr oder weniger freiwillig auf einen Teil des bisher von Ihnen genutzten terrestrischen Spektrums zu Gunsten der Mobilfunkanbieter zu verzichten, und weniger dazu, das bisherige Geschäftsmodell der Mobilbranche (die sich immer als Premium-Dienst zu Premium-Preisen im Vergleich zum Festnetz verstanden hatte!) für die Zukunft in Frage zu stellen!

So kam es, wie es kommen musste, die weißen Flecken blieben weiß. Dennoch stellte die Bundesnetzagentur nach und nach die Erfüllung der Auf- uns Ausbaupläne für die einzelnen Bundesländer fest. Doch die Tarife wie LTE Zuhause und Call&Surf Comfort via Funk glänzten zwar mit für (damalige Verhältnisse) recht hohen Bitraten, aber schreckten die Mehrzeit der Verbraucher mit hohen Preisen und kleinen Inklusivvolumina ab. So blieben die Kunden zähneknirschend bei DSL Lite und Co., und setzten alle Lobbyhebel in Bewegung, um auf eine Verbesserung des Festnetzausbaus zu drängen!

Die - für die Mobilfunkbranche bittere - Konsequenz: Die Einnahmen der letzten Frequenzauktion wurden zum großen Teil für den ländlichen Festnetzausbau verwendet, und bei der nächsten Auktion ist das erneut geplant. Für die Deutsche Telekom mag das sogar ein gutes Geschäft sein - sie erhält im besten Fall mehr Subventionen für die Festnetzsparte zurück, als sie in der Mobilfunksparte ausgibt. Vodafone, die mit ihrem Kabelnetz in den dünn besiedelten Gebieten nicht sonderlich gut aufgestellt sind, und erst recht die Festnetz-losen o2 stehen hingegen definitiv auf der Verliererseite.

Ernsthafte Ausbauverpflichtung!?

Nochmal: Das Ziel, mit der kommenden 5G-Auktion nicht 10 Milliarden Euro in die Staatskasse zu spülen (wie es Dobrindt erwartet), die dann nach dem Gutdünken der Großen Koalition "bestmöglich" in den Festnetz-Ausbau gesteckt werden, sondern stattdessen das Geld in den 5G-Netzausbau zu investieren, ist sehr zu begrüßen! Damit könnten alle Netzbetreiber von Anfang an mit hohem Tempo jeweils ein leistungsstarkes 5G-Netz aufbauen, das das bestehende 4G-Netz weit in den Schatten stellt, und das nicht nur für Smartphone-User geeignet ist, sondern zumindest bei Kunden mit niedrigem bis mittlerem Datenbedarf auch als Festnetzersatz taugt.

Nur: Die Netzbetreiber haben überhaupt kein Interesse, derart viel zu investieren. Telekom und Vodafone betreiben beide ein umfangreiches Festnetz, warum sollten sie sich dieses Geschäft gefährden, indem sie ihr Mobilnetz bis zu einem Punkt ausbauen, an dem sie in großem Umfang Festnetzersatztarife anbieten müssen, um das Mobilfunknetz rentabel betreiben zu können? o2 ist hingegen der Billiganbieter, sie haben in der Vergangenheit nur dort investiert, wo es für sie lukrativ war. So verzichtete o2 jahrelang komplett auf Basisstationen auf dem Land und setzte stattdessen auf nationales Roaming mit der Telekom. Warum sollte o2 diese Investitionsstrategie ändern? Sicher werden sie Festnetzersatz via 5G anbieten - aber genau dort, wo sich das für sie besonders rechnet und damit sicher nicht bundesweit.

Ohne staatliche Kontrolle wird es also nichts werden, wenn Lizenzgelder gegen Ausbauverpflichtungen getauscht werden, und mit staatlicher Kontrolle wird es auch nichts, weil die Kontrolle selber auf den üblichen Lobbypfaden unterlaufen wird. Ein Teil des Problems ist dabei sicher, dass keinem Staat daran gelegen ist, eine zwar schlechte, aber doch wesentliche Ressource kaputtzumachen: Wenn man dem Unternehmen, das beim Ausbau zurückfällt, die Lizenz wegnimmt, dann stehen die Kunden anschließend mit einem Mobilfunknetz weniger da. Berechnet man die Lizenz nach, treibt man das Unternehmen womöglich in den Bankrott, mit demselben Ergebnis, dass die Lizenz nutzlos wird. Das will kein Staat!

Hinzu kommt, dass der aktuell in Brüssel diskutierte Vorschlag eine Kontrolle überhaupt erst nach 15 Jahren vorsieht. Bis dahin ist die Mobilfunkwelt freilich eine andere: Statt 5G steckt dann sicherlich schon 6G in den Endgeräten und 7G in der Entwicklung. Bedenkt man dann noch, dass ein Gerichtsverfahren nach eine Widerspruch gegen die Einziehung einer Lizenz wegen nicht erfüllter Ausbauverpflichtung auf dem Instanzenweg locker fünf Jahre in Anspruch nehmen kann, und eh nicht mehr als 20 Jahre als Laufzeit vorgesehen sind, kann man sich die Prüfung nach 15 Jahren auch ganz sparen.

Ernsthafte Ausbauverpflichtung!?

Somit bleibt nur eines: Wenn die Lizenzvergabe via Ausbauverpflichtung erfolgt, dann muss die Verpflichtung konkret bis ins letzte Detail festgelegt und mit Klagerecht für die Kunden ausgestattet werden. "Bis ins letzte Detail" beinhaltet dabei auch, welche Mindestbitraten erreicht werden und was der 5G-Anschluss kosten darf. Und damit es realistisch wird, darf ein Festnetzersatz auf 5G-Basis mit 50 MBit/s down (zu 99% der Zeit garantiert), 500 MBit/s down (peak) und 20 MBit/s up (zu 99% garantiert) bei 1 TB monatlichem Volumen dann höchstens 50 Euro kosten. Denn sonst harren die Kunden doch weiter mit DSL 16000 aus, bis der Glasfaseranschluss für 60 bis 70 Euro monatlich auch zu ihnen kommt, der dann 100 MBit/s down und up (zu 100% der Zeit garantiert) und 1000 MBit/s down (peak) bringt, und bei dem auch nach mehreren Terabyte im Monat keine Drossel zuschlägt. Ja, 4K-Streams können Bandbreite ziehen, und 2025 läuft bei einem typischen Festnetz-Haushalt abends womöglich nicht nur ein Stream. Deswegen macht es keinen Sinn, ein Festnetzersatz mit weniger als 1 TB/Monat zu spezifizieren.

"Klagerecht für den Kunden" bedeutet, dass der Kunde, der im Ausbauplan vorgesehen ist, zum geplanten Ausbauzeitpunkt aber keinen Zugang mit den festgelegten Konditionen erhält, eine finanzielle Kompensation erhält, zum Beispiel die Höhe der Grundgebühr, die er sonst bezahlt hätte. Nur so lässt sich einigermaßen sicherstellen, dass die Anbieter die Ausbauverpflichtung auch ernst nehmen. Weil frustrierte Kunden klagen werden.

Vermutlich würden beide Auflagen recht schnell dazu führen, dass die Netzbetreiber dann doch lieber die klassische Auktion wählen. Das ist aber nicht schlimm, das für die Lizenzen investierte Geld bleibt der Telekommunikationsbranche erhalten, es fließt in den weiteren Festnetzausbau. Worst Case wäre, wie gesagt, eine Windelweich-Ausbauverpflichtung im Gegenzug zum Erlass der Lizenzgebühren: Dann gäbe es kein Geld für den Festnetz-Ausbau, und (mit hoher Wahrscheinlichkeit) ebenfalls keinen vernünftigen Festnetzersatz via 5G.

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