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Telekom-Chef Obermann im Kreuzfeuer der Kritik (aktualisiert)

Vorwürfe: "Falsche Prioritäten" und "kein Gespür für politische Dimension"
Von AFP / dpa / ddp / Björn Brodersen

Die Bundesregierung trägt die Sanierungspolitik von Telekom-Chef René Obermann anders als in einem Focus-Bericht dargestellt grundsätzlich mit. "René Obermann hat das Vertrauen der Bundesregierung", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums heute. Telekom-Aufsichtsratschef Ulrich Lehner bekräftigte nach einer Aufsichtsratssitzung die eingeschlagene Strategie des Vorstands. Der "Focus" zitierte dagegen wie heute morgen berichtet den Aufsichtsratsvize Lothar Schröder mit den Worten: "Obermann fehlt das Gespür für die politische Dimension des Unternehmens." In der derzeitigen Lage um die Schließung von Callcentern gebe es "keine Partei in Deutschland, die sich nicht gegen die Telekom" stelle. Auch in Kreisen der Bundesregierung werde Obermanns Sanierungskurs äußerst kritisch gesehen, schreibt das Magazin weiter.

Die Telekom habe die Unterstützung des Bundesfinanzministeriums bei dem Bemühen, die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu stärken, sagte der Ministeriumssprecher weiter. Aufsichtsratschef Lehner erklärte in Berlin: "Der Aufsichtsrat setzt ausdrücklich auf die Weiterverfolgung der bekannten Konzernstrategie. Wir appellieren ausdrücklich an alle Beteiligten, weiter konstruktiv mitzuarbeiten." Der Telekom-Vorstand habe unter der Führung Obermanns 2007 eine Strategie zur Entwicklung des Unternehmens erarbeitet und erfolgreich mit der Umsetzung begonnen. "Dazu gehört auch ein notwendiger Personalabbau, der so sozialverträglich wie möglich vorgenommen wird", fügte Lehner hinzu.

Aufsichtsrats-Vize und ver.di-Vorstandsmitglied Schröder sagte dagegen dem "Focus": "Dieser Vorstand macht seine Mitarbeiter zu Gegnern." Die Gewerkschaft ver.di hatte dem Konzern erst kürzlich vorgeworfen, die Arbeitnehmervertreter beim geplanten weiteren Konzernumbau umgehen zu wollen. Die Telekom hatte vor gut einer Woche bekanntgegeben, dass sie in 39 von bislang 63 Städten ihre Callcenter schließen und zudem die Technikzentren in eine externe Gesellschaft auslagern will. Rund 8 000 der 18 000 Mitarbeiter von Servicezentren sollen demnach an anderen Standorten unterkommen. Die bundesweit 6 000 Beschäftigten der Technikzentren müssten bei einer Auslagerung länger arbeiten und würden weniger verdienen.

Nächster Umbau steht bei T-Systems an

Der "Focus" berichtete ohne Angabe von konkreten Quellen, auch in Kreisen der Bundesregierung werde Obermanns harter Sanierungskurs äußerst kritisch gesehen. Der seit 21 Monaten amtierende Vorstandsvorsitzende sei "strategisch falsch aufgestellt" und setze die "falschen Prioritäten", zitierte das Magazin aus Kabinettskreisen, in denen es auch heiße: "Das wird langsam zu einem Witz mit diesem Herrn."

Das Blatt schreibt weiter, die Telekom plane schon die nächste große Umstrukturierung. Danach solle die Geschäftskundensparte T-Systems ihr Mittelstandsgeschäft an T-Home abgeben, inklusive der 10 000 Mitarbeiter. T-Systems wäre danach nur noch für 400 Großkunden des Konzerns zuständig.

Bespitzelungsaffäre: Obermann entschuldigt sich bei Betriebsrat

In der Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom hat sich unterdessen Vorstandschef René Obermann beim Vorsitzenden des Konzernbetriebsrats und Aufsichtsrat Wilhelm Wegner für die "missbräuchliche Nutzung von Verbindungsdaten" entschuldigt. Das teilte die Deutsche Telekom jetzt in Bonn mit. Die Telekom steht im Verdacht, Journalisten und Aufsichtsräte bespitzelt zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall.

Die mit der Untersuchung der Bespitzelungs-Affäre beauftragte Anwaltskanzlei hat der Mitteilung zufolge einen Zwischenbericht vorgelegt. Darin wird auf Verfehlungen hingewiesen: "Zwar genügte die Organisation des Sicherheitsbereiches im untersuchten Zeitraum bis Ende 2006 durchschnittlichen Anforderungen, wies aber deutlich zu wenig Schutzmechanismen gegen regelwidriges Verhalten von Mitarbeitern auf", sagte Michael Oppenhoff, Partner der beauftragten Kanzlei. Die Situation habe sich zwar verbessert, es bestehe allerdings weiteres Verbesserungs-Potenzial.

Ein erster Baustein für den Schutz vor einer Wiederholung

Der stellvertretende Aufsichtsratschef Schröder betonte, der Bericht sei "ein erster wichtiger Baustein" beim Schutz vor einer Wiederholung des Skandals. "Wir, die Arbeitnehmervertreter fühlen uns in Gänze als potenziell Betroffene, die damit rechnen müssen, bespitzelt worden zu sein. Wir hoffen in dieser Hinsicht auf baldige Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Die Deutsche Telekom muss alles dafür tun, damit sich dies nie wiederholen kann."

Der Bericht befasse sich vorrangig mit der früheren Organisation der Sicherheitsabteilung der Deutschen Telekom und mache Vorschläge für eine weitere Verbesserung der Strukturen und Prozesse, teilte die Telekom weiter mit. Um die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft abzuwarten, werde der Bericht auf Beschluss des Aufsichtsrates nicht veröffentlicht.

Vorschläge zur Verbesserung der Organisation des Sicherheitsbereiches

Der Bericht enthalte weitreichende Vorschläge zur Verbesserung der Organisation des Sicherheitsbereiches, etwa die Überprüfung der Datenzugriffsrechte der Mitarbeiter, eine Arbeitsplatzgestaltung, die eine Nutzung von Speichermedien und den Versand von Daten an Dritte nicht zulasse, die Erhöhung der Nachkontrollen durch den konzerneigenen Datenschutz, die Protokollierung und strukturierte Ablage von Ermittlungshandlungen und einen jährlichen Bericht des Datenschutzbeauftragten an den Aufsichtsrat.

Der Vorstand werde darüber befinden, welche Konsequenzen aus dem Bericht und den Vorschlägen gezogen werden. Zum Teil entsprächen die Vorschläge bereits in der Deutschen Telekom eingeleiteten Projekten der Neuausrichtung des Sicherheitsbereichs.

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