eineindeutig

Editorial: Ein Land in zwei Ländergruppen: Geht das?

Unverständliche Zuordnung im Roaming-Tarif T-Mobile Weltweit
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Mit dem Handy im Ausland zu telefonieren, im Fachjargon Roaming genannt, galt lange als unerschwinglich teuer und unnötiger Luxus. Preise von einem oder mehr Euro pro abgehender Gesprächsminute waren hier leider eher die Regel als die Ausnahme. Seit gerade einmal eineinhalb Jahren ist dies zumindest innerhalb der europäischen Union Geschichte - hier gilt dank Regulierung auf Initiative der EU-Kommission aktuell eine Preisobergrenze von knapp 55 Cent pro im EU-Ausland abgehender Gesprächsminute, bei im EU-Ausland eingehenden Gesprächen gilt eine Obergrenze von 26 Cent pro Minute. Neben den gesunkenen Preisen konnte sich der Verbraucher zudem über einen zweiten Vorteil freuen: Der lange und von den Mobilfunkanbietern in mühseliger Kleinarbeit aufgebaute Dschungel aus verschiedensten Preisen, abhängig vom heimatlichen Netz und Vertrag, dem genutzten Mobilfunknetz im Ausland, der Tages- oder Nachtzeit des Gespräches etc. wurde ebenso radikal abholzt.

Ländergruppen sind übersichtlich und einfach - oder auch nicht!

Schon lange vor den für die Mobilfunkbranche sicherlich schmerzlichen Regulierungsmaßnahmen der EU entdeckten einige Netzbetreiber das Thema Telefonieren im Ausland und wollten den oben dargestellten Preis- und Angebotsdschungel für den Kunden übersichtlicher gestalten, so z. B. T-Mobile. Der Bonner Netzbetreiber stellte sein Roaming-Preissystem zum Sommer 2004 auf sogenannte Ländergruppen um. In der Pressemitteilung vom 10. Mai desselben Jahres schrieb T-Mobile unter anderem: "Mit T-Mobile Weltweit bietet T-Mobile ab dem 1. Juni 2004 einen besonders transparenten Roaming-Tarif für Privat- und Geschäftskunden mit Laufzeitverträgen: Hier gelten für abgehende Mobilfunkgespräche im Ausland rund um den Globus nur noch drei, nach Ländergruppen gestaffelte Minutenpreise." Weiter heißt es: "Hohe Preistransparenz mit der Option T-Mobile Weltweit – keine Unterscheidung nach Netzbetreibern mehr."

Als Kunde denkt man sich dann: "Toll, es wird übersichtlicher." Auch wenn es gefühlt vielleicht immer noch sehr oder auch zu teuer ist, im Ausland zu telefonieren, so weiss man wenigstens vorher, welche Kosten im Land auf einen warten und das, ohne im Vorfeld aufwendig die jeweiligen Partnernetze zu recherchieren und im Ausland per manueller Netzwahl ins Handy zu programmieren. Entsprechend überrascht war ein Leser von teltarif.de nach dem Sommerurlaub auf der Atlantikinsel Island in diesem Jahr, dass einzelne Gespräche von der Insel nach Hause am einen Tag in der Ländergruppe 1 und am anderen Tag anders, nämlich deutlich teurer abgerechnet wurden.

Eine schriftliche Nachfrage beim Kundenservice ergab, dass nach Ansicht von T-Mobile alles korrekt und im Sinne der veröffentlichten Preislisten abgelaufen sei - als Kunde möge man doch bitte per manueller Netzwahl sicherstellen, dass man in einem Partnernetz der T-Mobile telefoniere.

Liest man die Versprechungen von T-Mobile aus dem Jahre 2004 wird man sich verwirrt die Augen reiben. Ebenso wird man reagieren, wenn man sich das Wort Ländergruppe auf der Zunge zergehen lässt und die Bedeutung dieses Wortes genauer überlegt. So ist es absurd zu erwarten, dass ein Kunde darauf kommt, ein Land könnte in der Preisliste in mehreren Ländergruppen einsortiert sein. Wo in anderen Branchen ebenso Preislisten mit Ländergruppen konstruiert werden, so sind auch dort wie z. B. beim Briefversand der Deutschen Post [Link entfernt] überschneidungsfreie Ländergruppen üblich. In besagter Posttabelle wird eine Ländergruppe "Europa" definiert, die weit mehr Länder als die EU enthält. Die Ländergruppe "Welt" wird dann als Ausschlussmenge definiert, dort sind alle Gebiete, die nicht in der Ländergruppe "Europa" enthalten sind, zusammengefasst.

T-Mobile Weltweit: Nicht nur Island gehört zu zwei Ländergruppen

Anders stellt sich die Situation allerdings bei T-Mobile dar: In der aktuellen Broschüre [Link entfernt] zum Standard-Roamingtarif T-Mobile Weltweit liest man auf Seite 8, dass Island tatsächlich sowohl in Ländergruppe eins als auch in Ländergruppe zwei einsortiert ist. Interessanterweise steht aber dort nicht erklärt, welche Netzbetreiber zu den jeweiligen Einträgen gehören. Den "wertvollen" Tipp der Hotline, den billigeren Netzpartner manuell einzustellen, kann man also auch mit dieser Information nicht befolgen. Island ist auch nicht der einzige Fall, in dem es solche Überschneidungen gibt, auch Liechtenstein und Norwegen findet man in zwei Ländergruppen.

Fazit: Übersichtlichkeit muss vor einigen Euros mehr Umsatz gehen!

Ehrlich gesagt war die teltarif-Redaktion überrascht, als wir diese "interessante" Abrechnung des Lesers zu Gesicht bekommen haben und dann im Rechercheverlauf darauf stießen, dass die Abrechnung der Gespräche in Island und die Sortierungsregeln kein Einzelfall sind. Selbst wenn unterschiedliche Einkaufskonditionen bei den unterschiedlichen Netzbetreibern vor Ort nicht einheitliche Endkundenpreise betriebswirtschaftlich rechtfertigen können, so gebieten es die selbst gesteckten Ziele "Preistransparenz" und "Fairness" hier nur einen einzigen, nämlich den niedrigeren, Preis zu veröffentlichen und zu berechnen. Wegen einiger tausend Euro Mehr-Umsatz pro Jahr dieses Kundenversprechen aufs Spiel zu setzen, können am Ende ein Vielfaches der Mehreinnahmen kosten - weil die Kunden am Ende gar nicht mehr telefonieren, wenn sie davon ausgehen müssen, dass am Ende doch höhere Preise berechnet werden.

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