Themenspezial: Verbraucher & Service Frisiert

Editorial: Meine Bewertung manipulier mir heute

Die perfiden Methoden der Bewertungs-Spammer: Warum es immer schwieriger wird, unerwünschte Fake-Bewertungen auszufiltern. Am Ende muss der Nutzer selber filtern, welchen Bewertungen er vertraut.
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Fake-Bewertunge durch Smartphone-Masse? Fake-Bewertunge durch Smartphone-Masse?
Quelle: Twitter-Nutzer @simonpang (https://twitter.com/simonpang/status/562095677975441408/photo/1)
Ob die 100 Smartphones, die wie auf einer Orgeltastatur vor einer Chinesin aufgebaut sind, wirklich dazu dienen, Fake-Bewertungen für Apps abzugeben, sei dahingestellt. Aber selbst, wenn sich das Foto und nicht der mit den Smartphones verbundene Zweck als Fake herausstellen würde: Das Problem mit gefälschten App-Bewertungen ist real. Das geht in beide Richtungen: Entwickler verbessern durch gute Noten die Position ihrer eigenen Anwendungen in den Rankings oder drücken die vermeintliche Konkurrenz mit schlechten Noten nach unten.

Klar wehren sich die App-Shop-Betreiber gegen den Bewertungs-Spam mit Filtern. Wer wiederholt binnen einer Minute, nachdem er eine App heruntergeladen und installiert hat, diese mit nur einem Stern verreißt oder der Maximalzahl an Sternen in den Himmel lobt, hat diese App wahrscheinlich nicht wirklich getestet. Doch die Spammer rüsten offensichtlich - so denn das Foto stimmt - ebenfalls auf: Die vielen Smartphones dienen dann dazu, ein realistisches Nutzungsszenario zu simulieren. Mal eine App installieren, dann mit ihr spielen, ein oder zwei Tage später sie schließlich bewerten und die nächste ausprobieren. Wenn auf jedem der 100 Smartphones ein anderes Zufallsmuster gespielt wird, dann ist das für die Filter schwer zu erkennen. Es sei denn, die Netzbetreiber würden den App-Shop-Betreibern die Zell-IDs übermitteln, in denen die Smartphones zum Zeitpunkt der Bewertungsabgabe eingebucht sind. Dann würde auffallen, dass die vielen guten Bewertungen für App A und die vielen schlechten Bewertungen für App B bis F alle aus derselben Ecke kommen.

Restaurant-Spam lässt sich nicht über Geo-IP filtern

Fake-Bewertunge durch Smartphone-Masse? Fake-Bewertunge durch Smartphone-Masse?
Quelle: Twitter-Nutzer @simonpang (https://twitter.com/simonpang/status/562095677975441408/photo/1)
Das Problem betrifft nicht nur App-Stores. Auf dem Restaurant-Portal Yelp weisen die meisten Restaurants gerade mal eine zweistellige Zahl an Bewertungen auf. Um einen Konkurrenten von hervorragenden viereinhalb Sternen auf eher schwache dreieinhalb Sterne zurechtzustutzen, reicht dann oft schon eine Hand voll an glaubhaften 1-Sterne-Verrissen. Und nein, der Spam lässt sich hier auch nicht anhand der geographischen Ballung der IP-Adressen erkennen. Im Gegenteil, es wäre merkwürdig, wenn nicht die Mehrzahl der Bewertungen von Leuten kommt, die nicht im Umkreis der jeweiligen Gaststätte wohnen.

Hinzu kommt das Problem, dass unterschiedliche App-Nutzer oder Dienstleistungskunden auch unterschiedliche Wünsche und Anforderungen haben. In der Folge lässt sich das Profil einer App oder eines Urlaubshotels eh nicht auf eine Einzelnote zusammenpressen. "Aufdringliche Animation" mag für eine Familie, bei der die Eltern schon genug mit den zwei jungen Kindern zu tun haben, und die während der wenigen ruhigen Momente, die sie am Pool haben, nicht auch noch von den Animateuren aufgeschreckt werden wollen, ein absolutes No-Go sein. Für einen schüchternen, aber an Kontakten interessierten Single stellt sich das genau anders herum da. Er möchte aktiv in Spiele eingebunden werden.

Fazit: Nur Texte detailliert durchlesen hilft

So bleibt nur eines: Sich nicht nur an Sternen orientieren, sondern die Bewertungstexte im Detail lesen, und sich am Schluss an den Bewertungen der Nutzer orientieren, die dem eigenen Anforderungsprofil am nähesten kommen. Freilich ist genau das mit erheblichem Zeiteinsatz verbunden. Die von den Sternchen-Systemen eigentlich ausgehende Hoffnung, sich mit ein paar Blicken schnell einen genauen Überblick verschaffen zu können, erfüllt sich also nicht.

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