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Editorial: Merkwürdige Transaktion

Die Grünen fordern den Verkauf der Deutschen Telekom zur Förderung des Breitbandausbaus: Ist diese Kombination wirklich sinnvoll? Oder werden so nur kurzfristige Aktionärsprofite erzeugt?
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Glasfaserkabelbündel Bild: Versatel Derzeit schlägt die Grünen-Fraktion vor, dass der Bund seine Anteile an der Deutschen Telekom verkauft und das dabei erlöste Geld in den Breitbandausbau investiert. Zwar sind beides grundsätzlich sinnvolle Maßnahmen. Sie zu kombinieren, erscheint mir aber wenig sinnvoll. Denn das gesamte Geld, das aus dem Telekom-Verkauf erlöst wird, in den Breitbandausbau zu stecken, würde aus einer sinnvollen Investition eine unsinnige Subvention machen! Das würde zwar den Aktienkurs der Deutschen Telekom, die von dieser Subvention überwiegend profitieren würde, deutlich nach oben treiben, aber der Bund hätte davon nichts mehr, denn er hat die Anteile ja verkauft.

Fest steht: In der Mehrzahl der Gebiete Deutschlands kann der Breitbandausbau problemlos aus den mit der Vermarktung von Breitbandanschlüssen erzielten Erlösen finanziert werden. Hier braucht der Staat nicht helfend einzugreifen. Und wenn er es nicht muss, dann sollte er es auch nicht tun! In bestimmten ländlichen Gebieten ist die Situation schwieriger, weil bisher wenig Telekommunikationsinfrastruktur vorhanden ist und große Entfernungen überbrückt werden müssen. Viele dieser Gebiete sind zudem von Bevölkerungsflucht und Ausverkauf geprägt. Indem der Staat hier investiert, kann er wichtige Signale an die Bevölkerung senden, die diese zum Bleiben motiviert. Nur: Es handelt sich dabei um eine soziale Maßnahme. Und diese muss mit anderen sozialen Maßnahmen abgewogen werden. Was nutzt zum Beispiel Gigabit-Internet an einem Ort, an dem derzeit schon 16 bis 25 MBit/s verfügbar sind, aber keinerlei öffentlicher Nahverkehr, um auch mal ohne Auto irgendwohin zu kommen? Dann bringt eine Buslinie möglicherweise mehr.

Breitband-Ausbau mit der Gießkanne, am Bedarf der Bevölkerung vorbei, nutzt somit allenfalls Bundespolitikern, die sich später mit der Planerfüllung brüsten wollen. Klar muss dort was getan werden, wo nur Bitraten von wenigen Megabit pro Sekunde oder gar darunter verfügbar sind. Aber überall auf Teufel komm raus den Ausbau auf 100 MBit/s und mehr zu betreiben, ohne, dass man sicher weiß, dass die Bevölkerung das auch braucht und will, macht keinen Sinn. Im Gegenteil, es besteht so die Gefahr, dass man Blasen erzeugt, die anschließend zu Jobverlust und Firmenpleiten führen. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden beispielsweise überall öffentliche Schwimmbäder gebaut, und ab den 80er Jahren wurden diese reihenweise wieder geschlossen, weil der Bedarf eben doch nicht so hoch war.

Vor zehn Jahren war es hingegen die solare Stromerzeugung, die exzessiv gefördert wurde. Als die garantierte Einspeisevergütung für Solarstrom dann 2010 auf ein marktkonformes Maß reduziert wurde, gingen auf einen Schlag zig Solarunternehmen pleite. Eine übermäßige Förderung des Breitbandausbaus, nur, um bestimmte Geschwindigkeiten zu bestimmten Stichtagen zu erreichen, könnte denselben Effekt haben: Erst hohe Ausbaukosten, und dann zahlreiche Firmenpleiten und arbeitslose Telekom-Techniker, sobald die Ziele erreicht sind und die Förderung zurückgefahren wird.

DSL immer besser und 5G als Konkurrenz

Glasfaserkabelbündel Bild: Versatel Beim Festnetzausbau ist zudem zu bedenken, dass auch die Mobilnetze nicht untätig sind und sich der Abstand zum Festnetz zunehmend reduziert. Schon 4G/LTE erreicht dieses oder nächstes Jahr Download-Raten von 1 Gigabit pro Sekunde in der Spitze. 5G treibt die Entwicklung noch weiter voran, so dass eine gut ausgestattete 5G-Basisstation über eine Gesamtbandbreite von weit über 100 Gigabit pro Sekunde verfügen wird. Und eine solche wird es im Innenstadtbereich möglicherweise alle 100 Meter geben. Wozu also überhaupt noch Strippen aus Kupfer oder Glasfaser ziehen?

Auch die Leistungsfähigkeit der herkömmlichen Kupferleitungen erhöht sich in gewaltigen Schritten. Bisher ist noch jede Prognose, dass bei N Megabit pro Sekunde für DSL endgültig Schluss sein werde, von der Wirklichkeit überholt worden. Warum soll das künftig anders laufen?

Die Folge ist, dass ein Netzausbau mit Planung auf dem Reißbrett mit schematischen Vorgaben für alle nicht das Ziel sein kann. Das gilt sowohl für herkömmliche Kupfer- wie künftige Glasfasernetze. Besser ist, man baut jede Region aus, wenn der Bedarf wirklich da ist, und wählt die zu dem Zeitpunkt dann passende Technologie. So wird kontinuierlich gebaut, es gibt dauerhaft Jobs für Netzwerktechniker, und die Kunden bekommen im regelmäßigen Schritten ein besseres Netz.

Sicher wird es immer Fälle geben, wo es mit der heute verfügbaren Technologie keine Lösung gibt, um das Netz sinnvoll auszubauen, und wo die aktuellen Bitraten nicht mehr akzeptabel sind. Dort sind nach Einzelfallprüfung auch punktuell Subventionen sinnvoll. Doch dafür stehen bereits Milliarden aus der letzten Frequenzauktion bereit. Von denen ist bis jetzt nur ein kleiner Teil überhaupt abgerufen worden, überwiegend für die Planung von Breitbandprojekten, noch wenig für den konkreten Ausbau. Wir sollten erstmal abwarten, dass ein erheblicher Teil dieses Geldes investiert worden ist, und evaluieren, was es gebracht hat, bevor wir großzügig noch viel größere Summen in den Fördertopf werfen!

Das hat jetzt alles nichts mit dem Verkauf der Telekom-Anteile zu tun. Der Aktienkurs der Deutschen Telekom steht seit einem Jahr vergleichsweise gut, deutlich höher als beispielsweise von 2009 bis 2014. Es könnte also ein guter Zeitpunkt für einen Verkauf der beim Bund verbliebenen Telekom-Anteile sein, um mit den Einnahmen Altschulden zu tilgen oder das Geld in die Bildung zu investieren. Zugleich verschärft die endgültige Trennung von Bund und Telekom die Konkurrenz-Situation in Deutschland im Telekommunikations-Bereich - und kommt damit ebenfalls den Kunden zu gute.

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