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Ericsson: Die nächste große mobile Anwendung

Die Vernetzung (fast) aller Computer und Smartphones war erst der Anfang: Als nächstes gehen alle Autos online. Sie werden dann zum Beispiel Unfälle automatisch melden - und es gibt weitere gute Gründe für die Vernetzung. Welche das sind, erfahren Sie in diesem Artikel.
Vom MWC in Barcelona berichtet

Beispielhafte Statusanzeige in einer Verkehrsleitzentrale Beispielhafte Statusanzeige in einer Verkehrsleitzentrale
Bild: teltarif.de
Der weltweit führende Netzwerk-Ausrüster Ericsson hat auf dem Mobile World Congress 2015 eine neue Serie besonders kleiner und effizienter Basisstationen vorgestellt, sowie die Inbetriebnahme von Netzen, die auf der bereits vorgestellten, besonders kleinen aktiven Indoor-Antenne radio dot basieren. Der künftige Fokus Ericssons liegt jedoch auf besonders großen mobilen Geräten: Autos.

Beispielhafte Statusanzeige in einer Verkehrsleitzentrale Beispielhafte Statusanzeige in einer Verkehrsleitzentrale
Bild: teltarif.de
Zahlreiche Städte unterhalten bereits Verkehrsmanagement-Systeme, die beispielsweise mithilfe von Kameras oder Induktionsschleifen in der Straße den Verkehrsfluss überwachen. Diese Daten können von den Verkehrsleitzentralen verwendet werden, um zum Beispiel Ampelschaltungen zu beeinflussen (besonders lange Grünphasen für die Straßen, aus denen der meiste Verkehr kommt) oder Tempolimits zu setzen (bei niedrigerer Geschwindigkeit läuft der Verkehr meist gleichmäßiger, so dass mehr Autos pro Zeiteinheit durchkommen).

Vielerorts werden die behördlich gesammelten Verkehrsfluss-Daten auch bereits an Navigationssysteme (TomTom, Google Maps, Here Maps usw.) weitergegeben, die diese bei der Berechnung der optimalen Route berücksichtigen. Ist nach einem größeren Unfall eine Straße (so gut wie) nicht mehr passierbar, können die Navigationslösungen diese Stelle entsprechend umfahren.

Immer mehr Daten

Volvo, einer der Partner von Ericsson für die Connected Traffic Cloud Volvo, einer der Partner von Ericsson für die Connected Traffic Cloud
Bild: teltarif.de
In den kommenden Jahren werden zahlreiche weitere Sensoren hinzukommen: Autos werden Unfälle automatisch melden. Aber auch weniger drastische Ereignisse können von den Sensoren eines Autos registriert und an die Cloud gemeldet werden. Wenn beispielsweise das ESP- oder ABS-System eine rutschige Straßenoberfläche detektiert, kann diese Information an die Fahrer nachfahrender Fahrzeuge weitergemeldet werden, damit diese ihre Geschwindigkeit an der Gefahrenstelle entsprechend anpassen. Die Latenz, mit der eine solche Warnung von einem Fahrzeug zum nächsten übertragen wird, beträgt unter einer halben Sekunde in 3G-Netzen, bzw. bei einer Zehntelsekunde in 4G-Netzen.

Mit der Connected Traffic Cloud möchte Ericsson diese Daten zusammenführen und den Verkehrsbehörden einer Stadt zur Verfügung stellen. Diese können ihre Maßnahmen entsprechend optimieren: Der winterliche Räumdienst kann direkt dorthin geschickt werden, wo besonders viele Autos eine besonders rutschige Stelle melden. Und wenn die Daten signalisieren, dass nach der Räumung einer Unfallstelle der Verkehr wieder läuft, kann die Verkehrsleitstelle den zugehörigen Straßenabschnitt auch wieder zügig allgemein freigeben.

Wichtig ist Ericsson zudem der Rückkanal von der Verkehrsleitzentrale zu den Autofahrern. Bisher stehen hierfür meist nur wenige Anzeigetafeln zur Verfügung, die zudem meist nur alle paar Kilometer an den besonders wichtigen Einfallstraßen aufgestellt sind. Künftig können Nachrichten direkt an die eingebauten Navigationssysteme und Smartphone-Navigations-Apps geschickt werden. In den Apps erfolgt dann noch die Selektion, ob eine Warnung vor einer Gefahrenstelle angezeigt wird, in Abhängigkeit davon, ob der Fahrer sich von der Gefahrenstelle entfernt oder auf sie zufährt. Auch historische Daten können für die Anzeige-Entscheidung ausgewertet werden: Nutzt ein Fahrer abends auf dem Nachhauseweg beispielsweise immer eine bestimmte Abfahrt von der Autobahn, wird ihm ein dahinterliegender Unfall auf der Autobahn erstmal verschwiegen. Schließlich soll der Fahrer nicht mit Informationen abgelenkt werden, die für ihn wahrscheinlich keine Relevanz haben.

Herstellerübergreifende Zusammenarbeit

Das Bedienpanel für die Bordelektronik Das Bedienpanel für die Bordelektronik
Bild: teltarif.de
Wichtig ist Ericsson auch, zu betonen, dass die Connected Traffic Cloud keine Insellösung ist, sondern, wie für die Telekom-Branche üblich, mit den Systemen anderer Hersteller interoperabel ist. Auf dem Messestand zeigte man einen Connected-Car-Prototypen von Volvo. Dessen Navigationssystem basiert auf Here Maps des Konkurrenten Nokia. Letzteres kann bereits dynamisch erkannte Gefahrenstellen einem Straßenabschnitt zuordnen, und via Here Maps Warnungen an nachfolgende Fahrzeuge verschicken. Via Ericssons Connected Traffic Cloud können diese Daten nun auch an Verkehrsbehörden übermittelt werden - oder aktuelle Warnungen der Verkehrsbehörden zurück an die Fahrer.

Die genannte Datensammlung soll anonym und sicher erfolgen. Die Anonymität sei wichtig, um das Vertrauen der Fahrer zu gewinnen. Besonders wichtig ist auch die Datensicherheit bei den im Auto verbauten Systemen - Hacker und Cracker dürfen hier keine Chance haben.

Lohnende Investition für die Behörden?

Auf die Frage, warum Verkehrsbehörden in einen Anschluss an die Connected Traffic Cloud investieren sollte, nannte Ericsson zwei Gründe: Die Verkehrsbehörden wollen die Sicherheit erhöhen, also die Unfallzahlen senken, und zugleich den Verkehrsfluss flüssiger gestalten. Und die Investitionen in die Sicherheit können erheblich sein: Um ein berüchtigtes Nebelloch, die Münchberger Senke an der A9 Nürnberg-Berlin, zu entschärfen, wurden 70 Millionen Euro investiert, insbesondere in eine Brücke, so dass der Nebel nun unter der Autobahn hindurchziehen kann, statt über sie hinweg. Dadurch sollen sich die Unfallraten halbiert haben. Künftig kann eine "Achtung-Nebel"-App vielleicht denselben Sicherheitsgewinn ermöglichen - für einen Bruchteil der Kosten.

Mittelfristiges Ziel: Selbstfahrendes Auto

Zudem steht das selbstfahrende Auto quasi vor der Tür. Egal, ob Google, Daimler oder Audi: Viele Größen aus der IT- und Automobilbranche haben bereits Prototypen entwickelt. Anfangs werden diese vor allem auf den langen Geradeaus-Strecken der Autobahnen den Fahrer entlasten. Mittelfristig sollen die Fahrzeuge aber auch auf der Landstraße oder in der Stadt selber fahren können. Doch je kleinteiliger das Verkehrsgeschehen wird, desto wichtiger wird für die Selbstfahrfahrzeuge, dass sie zeitnah über Störungen und Änderungen informiert werden. Kein Wunder, dass Ericsson ein großes Geschäft darin erwartet, diese Daten zu sammeln, aufzubereiten und nach Bedarf zu übermitteln.

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