Ununterscheidbar

Editorial: Spam oder nicht?

Manche echte E-Mail sieht Spam täuschend ähnlich. Was tun private und berufliche Nutzer dagegen? Und welche Schritte werden folgen?
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Spam oder nicht Spam? Diese Frage kann über Gewinn und Betrug entscheiden. Spam oder nicht Spam? Diese Frage kann über Gewinn und Betrug entscheiden.
Bild: Irina Smolina - Fotolia.com
Wer kennt Sie nicht: Die E-Mails, die einem versprechen, dass man 100 000 Euro oder mehr gewonnen hat. Man müsse nur bei dieser oder jener Organisation anrufen und seine Kontodaten mitteilen, dann würde der Gewinn in den folgenden Tagen überwiesen. Ruft man dann tatsächlich an, landet man bei kaum deutsch sprechenden Personen, die einem was von "Formalitäten" mitteilen, die noch zu erledigen seien. Das Konto müsse geprüft werden, und dazu solle man doch bitteschön erstmal 100 Euro vom eigenen Konto an den Gewinnspielbetreiber überweisen. Oder - vor allem bei einem kleineren Gewinn - wird einem doch die Teilnahme an der zweiten Runde derselben Lotterie empfohlen. Der Gewinn der ersten Runde könnte dazu als Einsatz verwendet werden, wenn man noch etwas Geld drauflegt.

Egal, welche Masche läuft: Den vermeintlichen Gewinn erhält man natürlich nie. Der Gewinn war vorgegaukelt. Das zusätzlich investierte Geld ist hingegen tatsächlich weg. Hinter den Spam-E-Mails stehen nun einmal Betrüger, die den eigenen Kontostand mehren wollen.

Angesichts des zahlreichen Gewinnspiel-Spams ist es um so erstaunlicher, wenn tatsächlich mal eine echte Gewinnbenachrichtigung in der Inbox landet. Entsprechend groß ist die Gefahr, dass man sie übersieht, oder sie gar automatisch in den Spam-Ordner absortiert wird, der von den meisten E-Mail-Nutzern überhaupt nur dann auf neue Nachrichten geprüft wird, wenn man eine bestimmte E-Mail erwartet, aber partout nicht erhält.

Die australische Autorin Helen Garner hat genau das erlebt und dabei fast übersehen, dass sie den mit 150 000 Dollar dotierten Windham-Campbell-Literaturpreis erhalten hatte. Der Absender sendete die E-Mail von einem Account an der Uni Yale aus, und erklärte in der E-Mail, dass er "gute Nachrichten" habe. Zudem fragte er Garner nach ihrer Telefonnummer. Sie dachte daher zuerst, das sei Spam, fragte dann aber doch bei Ihrem Verlag nach, ob es den Windham-Campbell-Preis gibt, was der Verlag bejahte. So endete dieser Spamverdachtsfall dann doch noch gut.

Auch teltarif.de hatte schon wiederholt das Problem, dass sich bei Gewinnspielen der Sieger nicht meldete. Brachte dann auch eine erneute Nachfrage keine Antwort des Gewinners, dann haben wir jeweils den Preis neu ausgelost. Das ist schade für den eigentlichen Gewinner, dem der Preis möglicherweise nur deswegen entgangen ist, weil er oder sie eben einen zu scharfen Spam-Filter in der E-Mail-Software oder im Kopf hatte.

Wieder mehr Spam

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Bild: Irina Smolina - Fotolia.com
In den letzten Jahren hat zumindest im Privatbereich die Bedeutung von E-Mail als Kommunikationsmittel nachgelassen. Immer mehr Benutzer stellen um auf Instant Messaging wie WhatsApp. Dessen Erfolg hängt sicherlich auch mit dem vergleichsweise geringen Anteil an Spam zusammen, den man darüber erhält.

Mit dem Bedeutungsverlust des E-Mail-Dienstes ging in den letzten Jahren auch das Spam-Niveau in der Inbox gefühlt zurück. Seit einigen Monaten steigt es aber wieder an. In E-Mails, die wie typische Geschäftsvorfälle aussehen, zum Beispiel eine Rechnung, eine Zahlungserinnerung, eine Mahnung oder eine Kundenbeschwerde, befindet sich ein Anhang mit gefährlicher Fracht: Ransomware, die, einmal aktiviert, wichtige Daten auf dem PC des Anwenders verschlüsselt. Den Schlüssel zur Entschlüsselung erhält der Nutzer nur gegen Zahlung eines Lösegelds.

Die Folge von Locky & Co. wird sein, dass der offene und dezentrale Dienst "E-Mail" weiter an Bedeutung verliert, und zwar künftig auch bei den geschäftlichen Nutzern. Auch ohne das Spam- und Trojaner-Problem bieten zentrale Plattformen zur Abwicklung von Geschäftsvorfällen etliche Vorteile, da weniger Daten manuell in Überweisungsformulare oder Buchhaltungsprogramme eingegeben werden müssen. Jetzt kommt als weiterer Vorteil die Authentifizierung der Absender und damit der Schutz von Spam hinzu. Mit der Etablierung solcher Dienste wächst dann aber auch die Abhängigkeit der Bürger und der Gewerbetreibenden, und die Kontrollmöglichkeiten durch Staaten und Geheimdienste nehmen zu. Es geht mal wieder in die falsche Richtung.

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