Facebook-Prozess

Reutlinger Richter lädt Facebook-Lobbyistin als Zeugin (Update)

Prozess könnte zum Vorbild für weitere Verfahren werden
Von mit Material von dpa

Reutlinger Richter lädt Facebook-Lobbyistin als Zeugin Reutlinger Richter lädt
Facebook-Lobbyistin als Zeugin
Foto: Rafa Irusta - Fotolia.com. Logo: Facebook. Montage: teltarif.de
Ein Reutlinger Richter, der als erster in Deutschland die Facebook-Daten eines Angeklagten beschlagnahmen will, kommt im Kampf mit dem Internet-Riesen nicht so recht weiter. Facebook verweise inzwischen darauf, dass die Daten des Angeklagten auf einem Server in den USA gespeichert sind. Dort seien sie dem Zugriff der europäischen Behörden zunächst einmal entzogen, sagte Richter Sierk Hamann heute. Als nächstes werde er deshalb die Cheflobbyistin von Facebook in Brüssel als Zeugin laden. "Das ist im Moment die einzige Möglichkeit, dass man sich mal mit jemandem bei Facebook unterhält", sagte er.

Reutlinger Richter lädt Facebook-Lobbyistin als Zeugin Reutlinger Richter lädt
Facebook-Lobbyistin als Zeugin
Foto: Rafa Irusta - Fotolia.com. Logo: Facebook. Montage: teltarif.de
Hamann erhofft sich von den Facebook-Daten des Angeklagten Hinweise darauf, ob der 20-Jährige an einem Wohnungseinbruch beteiligt war. Juristen hoffen aber zugleich, dass der Prozess zum Präzedenzfall werden könnte. Denn wenn Hamann auf offiziellem Rechtsweg an die Facebook-Daten des Angeklagten herankäme, könnte das Vorbildcharakter für unzählige Strafverfahren in ganz Deutschland haben.

Problem ist in deutscher Rechtspraxis von E-Mail-Accounts bekannt

Der Amtsrichter hat die Beschlagnahme des Facebook-Accounts angeordnet, nachdem sich dieser mit einem Mittäter auf der Plattform des sozialen Netzwerks ausgetauscht haben soll. Vor dem Einbruch war er anscheinend zu Gast im Haus der Opfer und steht im Verdacht, seinem Mittäter den Weg bereitet zu haben, indem er ein Fenster öffnete. Vor dem Einbruch sollen beide per Chat und SMS in Kontakt gestanden haben.

Im Februar kündigte der 20-jährige Angeklagte allerdings an, die Daten aus seinem Facebook-Profil freiwillig herauszugeben. Dem vorausgegangen war eine Drohung von Richter Hamann, dem Angeklagten, der sich auf Facebook "Al Capone" nennt, notfalls die Kosten für die Vorladung einer Facebook-Zeugin aufzubrummen, auch wenn diese aus dem Ausland anreisen muss.

Das Problem ist in der deutschen Rechtsgeschichte übrigens nicht neu: Auch bei der richterlichen Beschlagnahme von E-Mail-Konten stoßen die Justizbeamten mitunter auf dasselbe Problem, wenn der E-Mail-Provider seinen Hauptsitz im Ausland hat. Deutsche Provider sind diesbezüglich meist deutlich kooperativer.

Update 15:00 Uhr: Richter erzählt Vorgeschichte zur Datenermittlung

Facebook verwies heute auf Anfrage darauf, mit Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Man lege die Kontounterlagen aber ausschließlich auf der Basis der Nutzungsbedingungen und nach geltendem Recht offen. Dazu zähle auch ein Bundesgesetz der USA, der "Stored Communications Act". Für die Kommunikation mit den Behörden gebe es ein eingespieltes Verfahren, das man auf der Seite Informationen für Strafvollzugsbehörden auf Facebook auch beschrieben habe. Der Amtsrichter in Reutlingen sei auch nicht der erste Richter in Deutschland, der eine entsprechende Anfrage gestellt habe. Zu den Inhalten auf der persönlichen Seite eines Facebook-Mitglieds könne aber weder Facebook Deutschland noch eine Mitarbeiterin von Facebook in Belgien etwas sagen.

Richter Hamann warf dem Konzern vor, "widersprüchliche und verwaschene Angaben" zu machen. Entscheidend für die Frage, ob das soziale Netzwerk Daten an Justizbehörden herausgeben müsse, seien nicht die Betriebsrichtlinien von Facebook, sondern die Gesetze.

Hamann hatte seinen Beschlagnahme-Beschluss zunächst an Facebook Deutschland geschickt. Von dort bekam er nach eigener Darstellung eine Absage, weil nur die Kollegen in Irland Zugriff auf die Daten des Angeklagten hätten. Daraufhin habe er den Beschluss ins Englische übersetzen lassen und ihn an die Facebook-Europazentrale geschickt. Als er auch nach mehreren Monaten noch keine Antwort bekommen habe, sei er noch einen Schritt weiter gegangen und habe ein Rechtshilfeersuchen an die irischen Behörden gestellt.

Daten-Auskunft bei Facebook: Eine unendliche Geschichte

Die Kollegen dort seien auch sofort tätig geworden, sagte Hamann. Doch von Facebook sei die Antwort gekommen, dass die Daten des Angeklagten auf einem Server in den USA gespeichert seien. Um dort an die Daten heranzukommen, müsste nun ein Rechtshilfeersuchen an die US-Behörden gestellt werden. Außerhalb der Europäischen Union sei das allerdings ein extrem aufwendiges Verfahren, das den Rahmen des Prozesses am Amtsgericht sprengen würde.

Von Facebook jedenfalls hätte er sich etwas mehr Kooperationsbereitschaft gewünscht, sagte Hamann. "Ich habe so den Eindruck, dass Facebook nicht gerade dabei ist, der Wahrheitsfindung in diesem Prozess zu dienen." Auch der Angeklagte, der sich nach eigenen Angaben selbst darum bemüht, seine Daten ausgehändigt zu bekommen, habe bislang noch keine Antwort auf seine Anfrage erhalten.

Einige Hoffnungen setzt der Richter jetzt noch in das Übereinkommen über Computerkriminalität, in dem zahlreiche Staaten eine intensive Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Cyberkriminalität vereinbart haben. Dieses Übereinkommen, das auch die USA unterzeichnet haben, könnte die irischen Behörden autorisieren, die Daten einzusehen und dann an das Amtsgericht Reutlingen zu übermitteln, sagte Hamann.

In einigen Jahren allerdings werde es für die deutschen Behörden ohnehin leichter sein, bei Facebook gespeicherte Daten einzusehen. Das weltgrößte Online-Netzwerk baut in den nächsten Jahren ein Datenzentrum in Schweden - also in der Europäischen Union. "Wenn die ihre Daten erstmal in Schweden haben, dann steht da eben notfalls die Polizei vor der Tür und holt die Daten raus", sagte der Richter.

Gerade mal 30 Minuten hatte Hamann heute für den aufsehenerregenden Fall eingeplant. Kein Wunder: Insgesamt musste der Amtsrichter an diesem Tag neun Prozesse führen. Da ging es um Beleidigung, Diebstahl, Sachbeschädigung und Drogen. Und in der Nacht zuvor hatte die Polizei ihn auch noch aus dem Bett geklingelt, weil er Bereitschaftsdienst hatte. Ein Mann sollte mit 2,8 Promille Alkohol im Blut in die Ausnüchterungszelle - auch nachts um 2.00 Uhr braucht die Polizei dafür einen richterlichen Beschluss. Hamann gähnte heute zwar gelegentlich, nahm es aber ansonsten mit Humor. "Ich bin bloß froh, dass ich kein Arzt bin und jetzt operieren muss", sagte er. Der Facebook-Prozess wird am 29. März fortgesetzt. Im Laufe dieses Verhandlungstages soll auch die Facebook-Mitarbeiterin in den Zeugenstand gerufen werden.

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