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Editorial: Das Kupfer zum Alteisen

Telekom macht ernst mit Glasfaser-Ausbau
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Ehemalige Telefonkabel, vor dem Abtransport zum Kupfer-Recycling
Bild: teltarif.de
Nun wird es also ernst: Diesen Sommer führt die Deutsche Telekom in zehn Städten den angekündigten Aufbau von FTTH-Festnetzen durch. Bei diesen wird statt der gewohnten Kupfer-Telefonleitung ein Glasfaserkabel bis in die Wohnung gelegt. Hauptvorteil für den Kunden sind deutlich höhere Geschwindigkeiten von (anfangs) 100 bis 200 MBit/s. Die Telekom erhofft sich dadurch kurzfristig zusätzliche Umsätze durch geschwindigkeitshungrige Nutzer. Langfristig besteht zudem die Chance, durch passive optische Netze (kurz PON) im Vergleich zu kupferbasierten Telefonnetzen die Zahl der aktiven Netzkomponenten (wie Vermittlungsstellen oder outdoor-DSLAMs) und damit die Wartungskosten deutlich zu reduzieren.

Ehemalige Telefonkabel, vor dem Abtransport zum Kupfer-Recycling
Bild: teltarif.de
Die Telekom beginnt mit dem FTTH-Aufbau reichlich spät. In vielen Ländern Asiens gibt es FTTH-Netze bereits seit einem Jahrzehnt. Doch ist die FTTH-Technologie bis heute alles andere als standardisiert, und so gibt es (mindestens) drei alternative Aufbauvarianten. Wer die Wahl hat, hat die Qual, und so haben sich in Europa nicht nur die deutsche Telekom, sondern auch andere große Telekommunikationsunternehmen bei FTTH auffällig zurückgehalten. Am zügigsten mit der Verlegung von Glasfaserkabeln bis in die Wohnungen waren eher kleine und weniger stark besiedelte Länder wie Litauen, Schweden, Norwegen, Slowenien oder die Slowakei. Viele von diesen verfügen auch über kein besonders gut ausgebautes Festnetz.

Telekom-Konkurrenten versorgen nur einzelne Stadtteile

Zwar haben in Deutschland schon mehrere Telekom-Konkurrenten teils bereits vor Jahren eigene FTTH-Netze verlegt. Doch decken diese jeweils nur einzelne Stadtteile ab, meist Neubaugebiete, in denen eh Telekommunikations-Infrastruktur neu aufgebaut werden musste. Groß angelegte Neubauten von FTTH-Netzen in bestehenden Siedlungsgebieten gab es nicht. Dies ändert sich nun erstmalig mit dem FTTH-Ausbau der Deutschen Telekom.

Allerdings sind die Städte, in denen die Deutsche Telekom erstmalig FTTH anbieten wird, ganz andere als die, die man erwarten würde: Teile von Braunschweig, Brühl, Hannover, Henningsdorf bei Berlin, Neu-Isenburg, Kornwestheim, Mettmann, Offenburg, Potsdam und Rastatt. Insgesamt soll rund 160 000 Haushalten die Möglichkeit verschafft werden, per Glasfaser mit bis zu 200 MBit/s im Internet zu surfen. In den Großstädten setzt die Telekom hingegen anscheinend weiter auf V-DSL, um besonders hohe Bitraten anzubieten, während in dünn besiedelten Gebieten wohl die Mobilfunk-Technologie LTE das Mittel der Wahl ist, das DSL-Reichweitenproblem zu lösen. FTTH wäre ebenfalls geeignet, verursacht aber wahrscheinlich höhere Kosten.

FTTH vorerst nur ein Nischenprodukt

Aus dem Umfang der Ausbaumaßnahme ergibt sich, dass FTTH bei der Deutschen Telekom dieses Jahr lediglich ein Nischenprodukt sein wird. Gerade einmal 4 Promille der deutschen Haushalte bekommen ein Glasfaserkabel vor die Tür gelegt. Von den "bis zu zehn Prozent, die laut Telekom-CTO Olivier Baujard bis Ende 2012 mit FTTH versorgt werden könnten, ist das nur ein kleiner Bruchteil.

Am Ende entscheiden die Kunden: Wenn sich genug finden, die zwischen 54,95 Euro monatlich (100 MBit/s, ohne Entertain) und 79,95 Euro Euro monatlich (200 MBit/s, mit TV-Dienst Entertain) für einen superschnellen Internetanschluss bezahlen, dann wird die Telekom FTTH schnell weiter ausbauen. Finden sich nur wenige, dürften Preise und Ausbautempo sinken. Zum Start gibt es bereits eine Sonderaktion: Wer sich besonders schnell entscheidet, spart sich die Anschlusskosten und zudem 10 Euro bei den monatlichen Grundentgelten.

Ebenso offen ist, ob die Telekom überhaupt und ggfls. wann sie den logisch zweiten Schritt nimmt, und die herkömmlichen Telefonnetze in den Glasfaser-Ausbaugebieten abschaltet. Auch "gewöhnliche" Analog-, ISDN- oder DSL-Anschluss würden dann über Glasfaser samt Zusatz-Box beim Kunden bereitgestellt werden. Den offensichtlichen Kostenvorteilen beim Netzbetrieb stehen aber die hohen Umrüstkosten entgegen, die in diesem Fall die Deutsche Telekom selber zu tragen hätte. Von daher wird es einen längeren Parallelbetrieb geben.

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