Breitbandausbau

Glasfaserausbau: Sorgenkinder aus dem Süden

Es gibt etwas völlig Neues im deut­schen Breit­band­ausbau: ein poli­tisch gesetztes Ziel könnte tatsäch­lich erreicht werden. Der Glas­faser­ausbau legt laut der Markt­ana­lyse des Bundes­ver­bands Breit­band­kom­muni­kation (BREKO) weiter zu.
Von Marc Hankmann

Die Vorgän­ger­regie­rung mit den CSU-Verkehrs- und Digi­tal­minis­tern Alex­ander Dobrindt und Andreas Scheuer ist mit ihren Ziel­set­zungen zum Breit­band­ausbau krachend geschei­tert. Die Ampel-Koali­tion strebt andere Ziele an: Bis 2030 sollen Glas­faser­anschlüsse bis ins Haus (FTTH) flächen­deckend vorhanden sein und bis Ende 2025 soll die Hälfte der deut­schen Haus­halte mit Glas­faser versorgt sein. Letz­teres könnte tatsäch­lich erreicht werden, wie der BREKO heute in seiner Markt­ana­lyse vorstellte. Der Verband rechnet damit, dass in zwei Jahren 45 bis 60 Prozent der Haus­halte über einen Glas­faser­anschluss verfügen könnten.

Ende Juni 2023 lagt laut BREKO die Glas­faser­quote bei 35,6 Prozent. Etwas mehr als ein Drittel aller deut­schen Haus­halte, inklu­sive Unter­nehmen und Behörden, können also einen Glas­faser­anschluss bestellen. Das sind rund 17,3 Millionen Haus­halte. Dabei handelt es sich um „Homes passed“, also um Haus­halte, an denen die Glas­faser entlang­läuft, d. h. sie kann zum Beispiel an der Grund­stücks­grenze enden. Tatsäch­lich ange­schlossen („Homes connected“) sind 8,9 Millionen Haus­halte. Von denen nutzt etwa die Hälfte (4,4 Millionen Haus­halte) den Glas­faser­anschluss („Homes acti­vated“). BREKO-Geschäftsführer Stephan Albers (l.) und Studienautor Prof. Dr. Jens Böcker präsentierten die Daten der jährlichen Marktanalyse. Trotz gutem Wachstums bleiben einige Herausforderungen im Glasfaserausbau. BREKO-Geschäftsführer Stephan Albers (l.) und Studienautor Prof. Dr. Jens Böcker präsentierten die Daten der jährlichen Marktanalyse. Trotz gutem Wachstums bleiben einige Herausforderungen im Glasfaserausbau.
Screenshot: Marc Hankmann
Die Dynamik im Glas­faser­ausbau ist aber deut­lich zu erkennen. Die Homes acti­vated haben im Jahres­ver­gleich um 400.000 Anschlüsse zuge­legt. Das entspricht einem Wachstum von 10 Prozent. Bei den Homes passed kommt die BREKO-Markt­ana­lyse auf ein jähr­liches Wachstum von 25 Prozent. Damit liegt Deutsch­land über dem durch­schnitt­lichen Jahres­wachstum in der EU (17,5 Prozent). Dieses Wachstum zeigt sich auch in den gebuchten Band­breiten. Inter­net­zugänge mit über 100 MBit/s legten im Jahres­ver­gleich um 1,9 Millionen Anschlüsse zu. Ihr Anteil beträgt 45 Prozent. Die Anschluss­zahlen mit Band­breiten unter­halb von 100 MBit/s nahmen hingegen ab. Etwa 2 Millionen Kunden (5 Prozent) buchen sogar 1 GBit/s oder mehr. Unter den BREKO-Mitglie­dern liegt dieser Anteil bei 9,6 Prozent.

TK-Experte Böcker: „Für Baden-Würt­tem­berg inak­zep­table Werte“

Dieses Wachstum verteilt sich aller­dings sehr unter­schied­lich auf die Bundes­länder. Schleswig-Holstein ist und bleibt der Klas­sen­primus, aber die neuen Muster­schüler mit einem Jahres­zuwachs bei der Glas­faser­quote von 31 bzw. 26 Prozent heißen Bran­den­burg und Hessen. Die Sorgen­kinder sind das Saar­land (1 Prozent Zuwachs) sowie Bayern und Baden-Würt­tem­berg (jeweils 6 Prozent). „Für die hohe Indus­tria­lisie­rung, die wir in Baden-Würt­tem­berg haben, sind diese Werte im Grunde inak­zep­tabel“, sagte Studi­enautor Prof. Dr. Jens Böcker. Die Stra­tegie, auf das Betrei­ber­modell zu setzen, sei bislang nicht aufge­gangen.

Hessen scheint hingegen davon zu profi­tieren, dass es als erstes Bundes­land ein eigen­stän­diges Digi­tal­minis­terium ins Leben gerufen hat. Außerdem hat das Land zusammen mit Rhein­land-Pfalz das Breit­band­portal initi­iert, mit dem Geneh­migungs­ver­fahren beschleu­nigt werden. Weitere Bundes­länder haben sich dem Portal ange­schlossen, das laut BREKO-Geschäfts­führer Stephan Albers ein Schlüssel für einen erfolg­rei­chen Glas­faser­ausbau ist. Baden-Würt­tem­berg gehört aller­dings nicht zu den Ländern, die das Portal nutzen.

BREKO in Rich­tung Telekom: „Sind gekommen, um zu bleiben.“

Ange­sichts solcher Zahlen waren Albers und BREKO-Präsi­dent Norbert West­phal bei der Präsen­tation der Markt­ana­lyse durchaus guter Dinge. West­phal sprach von einem „extrem hohen Ausbau­tempo“. Die Inves­titionen von 13,1 Milli­arden Euro im vergan­genen Jahr seien ein „klares Bekenntnis zum Glas­faser­ausbau in Deutsch­land“. Von dieser Summe entfallen 8,4 Milli­arden Euro auf die Wett­bewerber der Deut­schen Telekom, die ihrer­seits 4,7 Milli­arden Euro inves­tierte. Aber: Das Invest der Bonner ist in den vergan­genen Jahren stabil, während das der Wett­bewerber ansteigt. Wirt­schafts­wis­sen­schaftler Böcker vermutet dahinter, dass sich Inves­titionen für die Telekom eher in den USA als in Deutsch­land lohnen. Übersicht Deutschlandkarte mit Glasfaserquoten für die einzelnen Bundesländer Grafik: BREKO Erst kürz­lich kriti­sierte der Telekom-Vorstands­vor­sit­zende Tim Höttges die Rahmen­bedin­gungen für Inves­titionen in den deut­schen Netz­ausbau und pries den ameri­kani­schen Markt an. Das lässt den BREKO aller­dings kalt. „Wir werden diesen Glas­faser­ausbau schul­tern“, sagte Verbands­geschäfts­führer Albers. „Wenn sich Groß­unter­nehmen zurück­ziehen, bleiben wir opti­mis­tisch, dass wir auf einen guten Kurs sind. Wir sind gekommen, um zu bleiben.“ Aller­dings gehört zur Markt­ana­lyse auch, dass sich die Akti­vitäten der Telekom bemerkbar machen. Von den 17,3 Millionen Homes passed entfällt ein Drittel auf den Bonner TK-Konzern. Vor zwei­ein­halb Jahren lag sein Anteil noch bei einem Viertel.

Gigabit-Förde­rung und stra­tegi­scher Überbau

Auch wenn die Markt­ana­lyse durchweg positiv ausfällt, bestehen für die Netz­betreiber doch weiterhin erheb­lich Heraus­for­derungen. Neben dem allge­meinen Fach­kräf­temangel ist das auch die Förde­rung durch den Bund. Bislang wurden mit den ausge­zahlten Mitteln in Höhe von 3,5 Milli­arden Euro 1,4 Millionen Glas­faser­anschlüsse finan­ziert. In Zukunft wird diese Zahl steigen. Mit den bislang vorläufig bewil­ligten Mitteln von 13 Milli­arden Euro ließen sich 3,4 Millionen Glas­faser­anschlüsse finan­zieren. Insge­samt wiegt das Bundes­för­der­pro­gramm 17 Milli­arden Euro, obwohl die Poten­zial­ana­lyse des Bundes­minis­teriums für Digi­tales und Verkehr ergeben hat, dass 92 Prozent aller Haus­halte eigen­wirt­schaft­lich ausge­baut werden können. Der geför­derte Ausbau, der in der Regel länger dauert, droht also den eigen­wirt­schaft­lichen zu verdrängen.

BREKO-Präsident Norbert Westphal sprach bei Gesamtinvestitionen von 13,1 Milliarden Euro von einem "klaren Bekenntnis für den Glasfaserausbau in Deutschland" BREKO-Präsident Norbert Westphal sprach bei Gesamtinvestitionen von 13,1 Milliarden Euro von einem "klaren Bekenntnis für den Glasfaserausbau in Deutschland"
Foto: BREKO
Die dritte Heraus­for­derung ist der stra­tegi­sche Überbau von Glas­faser­netzen. Dem BREKO liegen hierzu 223 Meldungen aus 13 Bundes­län­dern vor. In 30 Prozent der Fälle findet er tatsäch­lich statt, bei 70 Prozent ist er ledig­lich ange­kün­digt. Albers sprach von „stark stei­genden Zahlen“. Es müsse einge­griffen werden, denn der stra­tegi­sche Überbau sorge dafür, dass sich Busi­ness­modelle nicht mehr rechnen und Inves­toren abspringen. Der BREKO schlägt daher eine Ankün­digungs­liste der Telekom vor, an die die Vorwürfe des stra­tegi­schen Über­baus gerichtet sind. In dieser Liste sollen die Bonner mit einem Vorlauf von 9 Monaten ihre Ausbau­gebiete eintragen. Besser aus Sicht des BREKO wäre es aber, wenn die Telekom ihr Enga­gement im Bereich Open Access, also in der Mitnut­zung fremder Netze, stei­gern würde. Gleich­wohl darf nicht uner­wähnt bleiben, dass die Bonner durchaus ihre Koope­rati­ons­bemü­hungen inten­sivieren. Aber sicher­lich gibt es noch einige Hebel, um den Glas­faser­ausbau in Deutsch­land weiter zu beschleu­nigen.

Wenn es darum geht, Haus­halte mit Glas­faser­anschlüssen zu versorgen (FTTH), dann publi­zieren die Bran­chen­riesen große Zahlen. Doch sie allein können den Ausbau nicht stemmen. Mehrere hundert regio­nale Netz­betreiber bauen eben­falls FTTH-Anschlüsse.

Mehr zum Thema DSL Alternativen