Editorial: Der Kampf um die virtuelle Lufthoheit
Verbot von Handy-Jammern und IMSI-Catchern bringt wenig
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Handy-Gebimmel und Handy-Telefonierer können stören: Im Konzert
ebenso wie im Restaurant oder beim Nachbarn, wenn man zu eng
aufeinander wohnt. Und Diebe finden im Diebesgut versteckte
GPS-Geräte, die die aktuellen Koordinaten regelmäßig per
Handynetz an einen Überwachungsserver schicken, ebenfalls alles
andere als lustig. Und so wird die Abwehr von
Handy-Strahlen nicht nur von
Elektrosensiblen betrieben, sondern auch von Veranstaltern und
Langfingern. Neben passiven Methoden (zum Beispiel metallbeschichtete
Tapeten und metallbedampfte Scheiben) gibt es auch aktive
Verfahren, insbesondere Handy-Jammer
(die stören das herkömmliche GSM- und UMTS-Signal) und
IMSI-Catcher (die geben sich als stärkste vor Ort verfügbare
Basisstation aus und lassen das Handy bei sich einbuchen, leiten
im "Störmodus" die Gespräche dann aber nicht weiter).
Verbot von Handy-Jammern und IMSI-Catchern bringt wenig
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Vorteil der aktiven Störverfahren: Sie lassen sich nach Bedarf
ein- und ausschalten, beispielsweise während einer Vorführung, so dass
die Besucher vor- und nachher ganz normal telefonieren können.
IMSI-Catcher lassen sich zudem oft in einen transparenten Modus
schalten, in dem die gefangenen Handys ganz normal Telefonate
führen können, dafür aber zahlreiche Daten (Beginn und Ende eines
Gesprächs, IMSI (weltweit eindeutige Seriennummer der
SIM-Karte) und IMEI (weltweit eindeutige Seriennummer des Handys)
mitprotokolliert werden. Falls das Netz noch einen der unsicheren
Verschlüsselungsstandard A5/0 bis A5/2 verwendet, kann sogar das
Gespräch selber aufgezeichnet werden.
Klar ist, dass der Einsatz der aktiven Geräte nur in wenigen Fällen rechtlich zugelassen ist. Die Netzbetreiber haben für die GSM-, UMTS- und LTE-Lizenzen viele Milliarden Euro in die Staatskasse bezahlt. Ihnen auf den teuer erworbenen Frequenzen nun im wahrsten Sinne des Wortes dazwischenzufunken, ist nicht statthaft. Bei IMSI-Catchern kommt noch die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses als rechtliches Problem hinzu.
Fragliche Werbung für die Geräte
Dass die Bundesnetzagentur sich nun bemüßigt fühlt, auf die Illegalität aktiver Störsender hinzuweisen, dürfte deren Verbreitung sogar weiter fördern. Wer sowieso was Verbotenes vorhat, empfindet solche amtlichen Warnungen doch geradezu als Aufforderung, die Geräten bei der Planung seiner Verbrechen zu berücksichtigen.
Auch die legalen Einsatzmöglichkeiten der aktiven Störer dürften mehr sein, als von der Bundesnetzagentur dargestellt: Beispiel: Ein Veranstalter kombiniert passive Abschirmung und aktive Störung, um einen besonders starken Mobilfunksender in der Nähe wegzudrücken. Der Störsender ist so schwach eingestellt, dass die passive Abschirmung den Störsender auf dem Rückweg nach draußen so stark dämpft, dass er dort unterhalb der zulässigen Grenzwerte für Reststrahlung liegt. Dann kann man den Veranstalter für eine Störung außerhalb des Gebäudes natürlich nicht belangen, weil es gar keine Störung im rechtlichen Sinne gibt. Innerhalb des Gebäudes gibt es eine Störung, aber die (m.W. ungeklärte) Frage ist, ob die Eigentumsrechte des Gebäudeeigentümers nicht höher wiegen als die Frequenzrechte des Mobilfunkbetreibers, wofür einiges spricht. Denn innerhalb technischer Geräte (zum Beispiel Computer oder Fernseh-Breitbandkabel) sind schon heute Störsignale zugelassen; die EMV-Verträglichkeit wird nur außerhalb des Gehäuses oder Kabels geprüft, nicht innerhalb.
Staatliche Störsender
In Gefängnissen hat der Staat ein großes Interesse daran, dass die Insassen nicht über eingeschmuggelte Handys neue Straftaten absprechen, oder, bei Untersuchungshäftlingen, ihre geplanten Aussagen gegenseitig abstimmen. Entsprechend erlauben inzwischen mehrere Landesgesetze ausdrücklich den Betrieb von Störsendern in Gefängnissen. Auch das könnte vor Gericht ein starkes Indiz dafür sein, den Betrieb von Störsendern dort zuzulassen, wo der Betreiber ebenfalls ein starkes berechtigtes Interesse geltend machen kann.
Die immer zahlreicheren passiven Kanalscanner und aktiven IMSI-Catcher im transparenten Modus sind als Mitlauscheinrichtungen hingegen innerhalb wie außerhalb von Gebäuden verboten, und hier gelten nur wenige Ausnahmen, wie Strafvollzug, Militär oder die Netztechnik der Mobilfunkbetreiber. Freilich lassen sich diese Geräte kaum erkennen, da sie die mobile Kommunikation nicht stören. Gegen diese Geräte hilft nur, dass die Mobilfunk-Hersteller und -Netzbetreiber endlich auf wirksame Verschüsselung upgraden, indem sie gebrochene Chiffren, insbesondere A5/0 (was gar keiner Verschlüsselung entspricht), A5/1 und A5/2 aus ihren Netzen verbannen. Zudem müssen die Protokolle auf 2-Wege-Authentifizierung erweitert werden, bei der sich nicht nur das Handy gegenüber dem Netz ausweist (dazu dient die SIM), sondern auch das Netz gegenüber dem Handy. Dann kann sich der IMSI-Catcher nämlich nicht mehr dazwischen mogeln.