Geblitzt

"Handy-Blitzer": 100 Euro und ein Punkt in Flensburg

Viele Verkehrs-Unfälle beruhen auf Ablen­kung durchs Handy. In Rhein­land-Pfalz wird erst­mals ein neuer "Handy-Blitzer" getestet, um Verstöße von Handy-Sündern stärker zu erfassen.
Von mit Material von dpa

Die Beweis­fotos sind eindeutig. Eine Auto­fah­rerin hält ihr Handy in der rechten Hand am Lenkrad und liest etwas darauf - während sie auf der Auto­bahn bei Trier unter einer Brücke durch­fährt. Ein Mann am Steuer hält sein Smart­phone in der linken Hand und tele­foniert, ein anderer sieht so aus, als wäre er am Tippen. Die Handy-Sünder gehören zu 41 Fahre­rinnen und Fahrern, deren Verstöße die Polizei Trier (in Rhein­land-Pfalz) seit 1. Juni im Rahmen eines bundes­weiten Pilot­pro­jektes mit einem neuen "Handy-Blitzer" bei drei Kontrollen erfasst hat.

Test­kon­trollen an der A602

Die Monocam auf einer Autobahnbrücke soll erkennen, ob jemand ein Handy in der Hand hält. Die Monocam auf einer Autobahnbrücke soll erkennen, ob jemand ein Handy in der Hand hält.
Foto: Picture alliance/dpa
"Ich finde das schon viel", sagte Poli­zeirat Matthias Emme­rich heute bei einer Kontrolle an der Auto­bahn A602 nahe Kenn (Kreis Trier-Saar­burg in Rhein­land-Pfalz). Man müsse ja bedenken, dass in dieser Pilot­phase die Kontroll-Kamera auf einer Brücke mit einem Schild mit der Aufschrift "Über­wachung Handy­verbot" ange­kün­digt werde. Wer erwischt wird, muss ein Bußgeld von 100 Euro bezahlen und bekommt einen Punkt in Flens­burg.

Erste Tests im Rhein­land-Pfalz

Rhein­land-Pfalz ist das erste Bundes­land, das das in den Nieder­landen entwi­ckelte System Monocam testet: Zunächst drei Monate von der Polizei Trier, dann drei Monate von der Polizei Mainz. Die neue Kamera soll auslösen, wenn sie einen Fahrer mit einem Handy in der Hand erkennt. Ziel sei der flächen­deckende Dauer­betrieb ab 2023 im Land, sagte Emme­rich. Zehn Geräte seien dazu notwendig.

"Nur wenn wir landes­weit die Erwar­tung haben, erwischt werden zu können, werden wir Verhal­tens­weisen ändern", sagte Emme­rich. Mit der neuen Technik habe man erst­mals "eine auto­mati­sierte Möglich­keit", Handy-Sünder zu erfassen. Und zwar so, dass das vor Gericht Bestand habe: "Jetzt haben wir objek­tive Beweis­mittel", kommen­tierte er die Bilder, die in einem an der Brücke parkenden Kontrollbus auf dem Laptop erscheinen.

Nutzer ständig erreichbar - Sicher­heit erhöhen

Beim Thema Handy-Nutzung könne sich jeder wieder­finden, sagte er. "Die Leute wollen ständig erreichbar sein, auch im Auto." Und auch wenn man als Fahrer wisse: Es ist lebens­gefähr­lich und verboten, am Steuer Nach­richten zu lesen oder zu tele­fonieren, griffen Fahrer während der Fahrt zum Smart­phone.

Diese "Handy-Blitzer" sollten dazu beitragen, die Sicher­heit auf den Straßen zu erhöhen. In 2021 habe es in Rhein­land-Pfalz 1001 Unfälle durch Ablen­kung - unter anderem wegen Handy-Nutzung am Steuer - gegeben, sagte der rhein­land-pfäl­zische Innen­minister Roger Lewentz (SPD). Und: Mit stei­gender Nutzung von Handys und Tablets im Auto werde das Thema der Ablen­kung "ein immer stär­keres".

System Monocam

Um Unfälle aus Ablen­kung zu redu­zieren, hatte sich seit Sommer 2021 eine landes­weite Arbeits­gruppe in Trier auf die Suche nach Geräten zur Erken­nung von Verstößen durch Handy­nut­zung gemacht. Dabei stieß man auf das System "Monocam", das auf Mobil­tele­fone im Bereich des Fahrers und auf eine entspre­chende Hand­hal­tung achtet - und dann auto­matisch ein Foto macht.

Die Bilder werden anschlie­ßend von geschulten Poli­zisten am mit der Kamera verbunden Computer ausge­wertet. Nur, wenn das gefer­tigte Bild deut­lich einen Verstoß erkennen lasse, erfolge eine Spei­che­rung und Ahndung, sagte Emme­rich. Bis zu 15 Prozent der Verdachts­fotos werden auch heute wieder gelöscht - wie das von einem Last­wagen­fahrer, der hinter der spie­gelnden Fens­ter­scheibe nicht zu erkennen ist. Oder eines, in der das vermeint­liche Handy eine Ziga­ret­ten­schachtel war.

Die Qualität der Bilder von Monocam sei besser als die von Geschwin­dig­keits­kon­trollen, sagte Chris­tian Simon von den zentralen Verkehrs­diensten der Polizei Witt­lich. Aller­dings sei der Einsatzort der Kamera begrenzt, da sie stets erhöht auf einer Brücke stehen müsse. Heute wurden 20 Verstöße erfasst.

Mehr Kontrollen - weniger Handy­nut­zung am Steuer?

Bei dem Test gehe es vor allem darum, die Technik zu testen - und zu schauen, ob die Kontrollen dazu führten, dass Handys weniger am Steuer benutzt würden, sagte Emme­rich. Lewentz will die Ergeb­nisse des Pilot­pro­jekts seinen Kollegen bei den Innen­minis­ter­kon­ferenzen zur Verfü­gung stellen. Das Inter­esse anderer Landes­poli­zeien sei "sehr groß", sagte Emme­rich, der die Landes­arbeits­gruppe leitet.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Viele Handys sind schon "normal" kaum noch zu bedienen. Während der Fahrt ist das noch viel gefähr­licher, beson­ders wenn dann die gewünschte Funk­tion nicht so klappt, wie gedacht. Wer ein neueres Auto fährt hat darin seri­enmäßig eine Frei­sprech­ein­rich­tung. Viele Autos unter­stützen längst Apple Carplay oder Android Auto, entweder mit Kabel oder sogar schon kabellos. Und selbst wenn nicht: Das Handy in eine Halte­rung klemmen und dann mittels Sprach­befehl ("Hey Google" oder "Hey Siri") steuern.

WhatsApp-Nach­richten kann man sich dann vorlesen lassen oder per Sprache diktieren, das ist gesünder und weitaus kosten­güns­tiger als das Handy in der Hand.

Die Erst­ein­rich­tung der Sprach­assis­tenten und die ersten Tests macht man bei stehendem Fahr­zeug. Und nach der Fahrt kann man die Sprach­erken­nung auch wieder ausschalten, weil ein Rest­risiko bleibt, dass der Assis­tent Dinge mithört, die den Assis­tenten gar nichts angehen.

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