Fragliche Ursache

mobilcom-debitel: Wenn ein Systemfehler zur Normalität wird

Der Anbieter will Verträge noch immer erst nach bis zu 25 Monaten beenden
Von Marc Kessler

mobilcom-debitel-Systemfehler Durch den "Systemfehler" werden aus einer 24-monatigen Laufzeit im schlimmsten Fall 25 Monate Vertragsbindung
Montage: teltarif.de
Dass Laufzeitverträge mit 24-monatiger Mindestvertragsdauer automatisch länger laufen sollen als eben diese festgelegte Zeitspanne, können sich die meisten Mobilfunk-Kunden nicht vorstellen. Und doch geschieht dieser Vorgang immer wieder, auch wenn Anbieter durch die Angabe von Ursachen wie versehentlich angewandten, veralteten AGB oder einem bedauerlichen "Systemfehler" vorgeben, dies geschehe nicht absichtlich so.

Wenn Verträge plötzlich 25 Monate laufen sollen

Das Procedere ist dabei immer dasselbe: Auch wenn der Vertrag am Monatsanfang abgeschlossen wurde, bestätigen manche Anbieter die Kündigung des Vertragsverhältnisses erst zum nach zwei Jahren folgenden Monatsende. Im worst case bedeutet das eine Vertragslaufzeit von 25 statt 24 Monaten.

teltarif.de hat bereits über entsprechende Vorfälle bei den Mobilfunk-Anbietern Drillisch und mobilcom-debitel berichtet. Letzterer ist eine Tochtergesellschaft der Hamburger freenet AG - hierzu gehören unter anderem auch die Mobilfunk-Marke Talkline und die ehemaligen Einzelmarken mobilcom und debitel. teltarif.de erreichte nun ein aktueller Fall aus der Mobilfunksparte des freenet-Konzerns, der erneut erhebliche Zweifel an der schon 2009 präsentierten Ursache des Systemfehlers aufkommen lässt.

Pünktliche Vertragsbeendigung nur aus "Kulanz"?

mobilcom-debitel-Systemfehler Durch den "Systemfehler" werden aus einer 24-monatigen Laufzeit im schlimmsten Fall 25 Monate Vertragsbindung
Montage: teltarif.de
teltarif-Leserin Margareta S. hatte schon in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit dem freenet-Konzern gemacht: So waren im Mai 2011 drei Altverträge bei mobilcom ausgelaufen, die sämtlich erst zum letzten Tag des Monats enden sollten. Erst nach Intervention unserer Leserin änderte der Anbieter die Enddaten. "An der Hotline wurde mir das Nachlesen der AGBs fast unverschämt nahegelegt", schreibt Margareta S. "Ich habe mit Nachdruck auf den Termin bestanden, und auf einmal fiel bei Mobilcom das Wort 'Kulanz' und der Kündigungstermin wurde 'vorgezogen' ".

Eindeutige Regelung im BGB

Dabei hat das mit "Kulanz" nicht ansatzweise etwas zu tun: Denn das Bürgerliche Gesetzbuch - kurz: BGB - regelt eindeutig, dass Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch ein Mobilfunkvertrag gehört, nicht länger als (exakt) 24 Monate laufen dürfen. So heißt es in Paragraph 309 eindeutig: "Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam (...) bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat, (...) eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags (...)".

IT-Fachanwalt Hagen Hild hatte deshalb schon beim ersten mobilcom-debitel-Fall im Juni 2009 die klare Position vertreten: "Im Prinzip ist das eine Riesensauerei. (...) Wenn ich einen Vertrag habe, der eine 24-Monats-Laufzeit hat, dann endet der Vertrag logischerweise auch exakt 24 Monate später. (...) Selbst wenn es in den mobilcom-AGB anders stünde, wäre die Klausel unwirksam - es gilt dann automatisch die gesetzliche Regelung."

Auch im Jahr 2011 hat sich nichts verändert

Kündigungsbestätigung Die Kündigungsbestätigung des Anbieters (Ausschnitt)
Foto: teltarif.de
Margareta S. indes schloss im Juli dieses Jahres einen neuen Vertrag bei der ebenfalls zu mobilcom-debitel gehörenden Marke Talkline ab. Sicherheitshalber kündigte unsere Leserin gleich nach Vertragsschluss diverse "Test-Optionen", die automatisch voreingestellt waren, sowie den Gesamtvertrag zum Ende seiner Laufzeit. Da der Vertragsschluss am 8. Juli 2011 erfolgte, müsste der Vertrag folglich am 8. Juli 2013 enden.

Doch weit gefehlt: Talkline bestätigte zwar die Kündigung von Frau S. - das aber erst zum 31. Juli 2013. Wiederum ein Systemfehler? Es fällt schwer, daran zu glauben, zumal es in der teltarif.de vorliegenden Kündigungsbestätigung heißt: "Gemäß unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen endet Ihr Vertrag am 31.07.2013."

Wir haben uns die Talkline-AGB, Stand: 15.04.2011, genauer angesehen: Doch dort findet sich - obgleich er ohnehin rechtswidrig wäre - kein entsprechender Passus. Stattdessen heißt es unter dem Punkt "Vertragsdauer": "Die Mindestdauer des Vertragsverhältnisses beträgt - soweit keine abweichende Vereinbarung getroffen wird - 24 Monate und verlängert sich um jeweils 1 Jahr, wenn der Vertrag nicht 3 Monate vor Ablauf des betreffenden Zeitraumes gekündigt wird."

Keine Stellungnahme seitens freenet

Wir haben bei der freenet-Pressestelle mehrfach ein Statement zu der grundsätzlichen Problematik angefordert und wollten wissen, warum es auch nach Jahren nicht gelingt, einen scheinbar nicht allzu selten auftretenden Systemfehler zu beseitigen. In Branchenforen berichten Kunden immer wieder über dieses Problem, das seit Jahren - und bis heute - auftritt. Bis Veröffentlichung dieses Artikels erreichte uns jedoch keine offizielle Reaktion zu der Thematik. Möglicherweise auch deshalb, weil dem Problem, das ohnehin nur den Kunden benachteiligt, keine hohe Priorität eingeräumt wird.

teltarif-Leserin: "Irreparabler Schaden im Management"

Margareta S. indes vermutet: "Der Systemfehler bei Kündigungsbestätigungen zum Monatsende scheint bei Talkline bzw. Mobilcom bzw. der freenet-Gruppe - auch nach über 2 Jahren seit Ihrer ersten Berichterstattung - ein irreparabler Schaden im Management zu sein. 'So lange keiner schreit oder es niemand bemerkt, lassen wir das weiterlaufen', ist wohl die Einstellung des Managements, dessen Ziel die heimliche Gewinnmaximierung ist."

Der Kommentar von teltarif-Redakteur Marc Kessler
teltarif-Redakteur Marc Kessler Auch ich höre von Anbietern immer wieder: "Bedauerlicher Einzelfall", "bedauerlicher Systemfehler", "individueller Service-Fehler". Eines ist klar: Wo Menschen arbeiten, passieren selbstverständlich auch Fehler. Wenn der Fehler aber zur immer wieder auftretenden Normalität wird und über Jahre auftritt, darf zumindest bezweifelt werden, dass der Anbieter tatsächlich gewillt ist, das Problem dauerhaft zu beseitigen. Das gilt erst recht, wenn der Systemfehler auch noch zu Lasten des Kunden geht.

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