Themenspezial: Verbraucher & Service BGB

Editorial: Mehr Verbraucherschutz - aber erst ab 2024

Künftig entfallen auto­mati­sche Vertrags­ver­län­gerungen, Verträge lassen sich dann jeder­zeit nach Ablauf der Mindest­ver­trags­lauf­zeit kündigen
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Kündigungen künftig einfacher Kündigungen sollen einfacher werden - aber erst in einigen Jahren
S Kautz15 - Fotolia.com, teltarif.de / Montage: teltarif.de
Viele Verbrau­cher­schützer kriti­sieren zu Recht, dass der Bundestag sich nicht gegen die Lobby­isten der Strom- und Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter durch­setzen konnte und Verträge mit zwei Jahren Mindest­lauf­zeit weiterhin zulässig bleiben. Trotzdem enthält das letzte Woche verab­schie­dete "Gesetz für faire Verbrau­cher­ver­träge" einige kleine Fort­schritte. Die wich­tigsten beiden sind, dass die Kündi­gungs­frist von bisher drei auf künftig einen Monat verkürzt wird, und dass die bisher zuläs­sigen auto­mati­schen Vertrags­ver­län­gerungen um bis zu ein Jahr ersatzlos entfallen. Zwar bleibt es zulässig, dass ein Vertrag nach Ablauf der Mindest­ver­trags­lauf­zeit weiter­läuft, aber aus dem Vertrag mit einer festen Lauf­zeit wird dann ein Vertrag mit einer unbe­stimmten Lauf­zeit, der sich jeder­zeit mit einer Frist von einem Monat kündigen lässt.

Bisher muss man im schlimmsten Fall einen uner­wünschten Vertrag fast 15 weitere Monate bezahlen, wenn die Kündi­gung beim Anbieter einen Tag zu spät eingeht: Die fast drei Monate der ursprüng­lichen Kündi­gungs­frist (von der ja erst ein Tag verstri­chen ist) und die 12 Monate der Vertrags­ver­län­gerung. Künftig verlän­gert sich der Vertrag hingegen nur noch um einen Tag, wenn die Kündi­gung einen Tag zu spät erfolgt. Denn laut Gesetz ist nach der Umwand­lung in einen Vertrag mit unbe­stimmter Lauf­zeit die Kündi­gung ausdrück­lich jeder­zeit möglich, mit einer Frist von maximal einem Monat. Läuft der 24-Monats-Vertrag also beispiels­weise am 8. August aus, und geht die Kündi­gung erst am 9. Juli ein, dann ist sie natür­lich nicht mehr recht­zeitig für die Kündi­gung des Origi­nal­ver­trags zum 8. August, aber sehr wohl recht­zeitig für die Kündi­gung des verlän­gerten Vertrags (mit nun unbe­stimmter Lauf­zeit) zum 9. August.

Leider werden Verbrau­cher wohl erst ab 2024 von der neuen Kündi­gungs­regel profi­tieren. Zwar tritt sie zum 1. Januar 2022 in Kraft, gilt aber nur für ab dann neu geschlos­sene Verträge. Bei zwei Jahren Lauf­zeit kann man die neue Rege­lung dann also erst­malig für Kündi­gungen 2024 verwenden. Wesent­liche, zwischen beiden Seiten abge­spro­chene Vertrags­ände­rungen inklu­sive der dann zumeist auch verein­barten ausdrück­lichen Vertrags­ver­län­gerung gelten dies­bezüg­lich als neuer Vertrag. Auto­mati­sche Vertrags­ver­län­gerungen oder klei­nere AGB-Ände­rungen bewirken hingegen keinen Neuver­trag.

Warum bleiben Altver­träge außen vor?

Kündigungen künftig einfacher Kündigungen sollen einfacher werden - aber erst in einigen Jahren
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Grund­sätz­lich wäre natür­lich wünschens­wert gewesen, die neuen Kündi­gungs­regeln ab 2022 für alle Verträge anzu­wenden. Aller­dings dürften dem erheb­liche Zweifel an der Rechts­sicher­heit entge­gen­stehen: Wie viele Verträge zu welchen Terminen gekün­digt werden, ist Teil der Kalku­lation aller Anbieter, und die ändert sich natür­lich, wenn die Kündi­gung einfa­cher wird. Im Sinne der wirt­schaft­lichen Frei­heit kann der Gesetz­geber daher keine Gesetze erlassen, die rück­wir­kend die Kalku­lati­ons­grund­lage von Verträgen ändern. Probiert er es doch, besteht die Gefahr, dass er vor Gericht krachend schei­tert. Ein Beispiel hierfür ist der Berliner Mieten­deckel, der vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht für verfas­sungs­widrig erklärt wurde. Die Umstel­lung der Kündi­gungs­frist von 2020 geschlos­senen Verträgen ab 1. Januar 2022 würde sicher ähnlich deut­lich schei­tern.

Anders wäre es aber m.E. gewesen, wenn der Gesetz­geber eine deut­lich längere Über­gangs­frist fest­gesetzt hätte. Wenn die neuen Kündi­gungs­fristen beispiels­weise ab Juli 2025 auch für Altver­träge gelten würden, wären das ab jetzt, dem Beschluss des Gesetzes, vier Jahre und damit zwei volle Mindest­ver­trags­lauf­zeiten. Altver­träge von vor der Verkün­dung des Gesetzes wären damit zwei­fach durch die volle Vertrags­ver­län­gerung gelaufen (bei Vertrags­schluss am 20. Juni 2021 beispiels­weise am 20. Juni 2023 und am 20. Juni 2024), bevor die Neure­gelung greift. Bei Anbie­tern mit hoher Kündi­gungs­rate wäre eine solche Ände­rung dann schon deswegen nicht gravie­rend, weil nach drei regu­lären Kündi­gungs­ter­minen (zum 20. Juni 2023, 2024 und 2025) eh kaum noch Altkunden im Bestand sind. Bei Anbie­tern mit nied­riger Kündi­gungs­rate wäre die Ände­rung hingegen deswegen nicht rele­vant, weil dort ja gene­rell nur wenige Kündi­gungen eingehen, die entgan­genen Gewinne durch die früheren Kündi­gungen also eben­falls gering sind. Und wenn ein Anbieter sein Angebot geschickt so aufstellt, dass die Kündi­gung immer nur dann möglich ist, wenn diese für die Kunden ungünstig ist, dann bringt die gesetz­liche Ände­rung zwar Nach­teile für diesen Anbieter - betrifft dann aber wiederum ein Geschäfts­modell, das nicht schüt­zens­wert ist, schon gar nicht auf Dauer.

Um eine solche Umstel­lung aller Verträge ab Mitte 2025 gerichts­fest zu machen, müsste sie der Gesetz­geber also sauber begründen. Gründe dafür gibt es genug. Denn die aktu­elle Rege­lung birgt die Gefahr, dass viele Bürger sie nicht verstehen, wenn Neuver­träge nach Ablauf der Mindest­ver­trags­lauf­zeit jeder­zeit, Altver­träge hingegen weiterhin nur zu bestimmten Zeit­punkten gekün­digt werden können. Wenn Kunden das verwech­seln, entstehen im schlimmsten Fall die bereits genannten fast 15 Monate Warte­zeit auf das Wirk­sam­werden der Kündi­gung. Zudem werden Anbieter krea­tive Vertrags­gestal­tungen versu chen, um die Neure­gelung zu umgehen. Ein am 04.01.2022 geschlos­sener Vertrag wird dann auf den 24.12.2021 rück­datiert: "So kommen Sie noch in den Genuss unserer Weih­nachts­aktion, und auch der Vertrag endet früher". Oder eine Vertrags­ver­län­gerung von Mitte 2022 wird dann mit "Es gelten weiterhin die alten AGB vom ursprüng­lichen Vertrags­schluss vom 01.07.2020" verein­bart. Im Inter­esse der Rechts­sicher­heit für die Verbrau­cher wäre daher eine Umstel­lung aller Verträge zu einem bestimmten Stichtag nötig gewesen. Dieser Stichtag kann wegen der Rechts­sicher­heit für die Anbieter nicht vor dem Ablauf der regu­lären Lauf­zeit bestehender Verträge liegen. Nach zwei still­schwei­genden Vertrags­ver­län­gerungen - die auch der Anbieter für eine Ände­rungs­kün­digung samt Anpas­sung des Entgelts an die gemäß der neuen Kündi­gungs­rege­lung nötigen neuen Preise hätte nutzen können - wiegt dann aber m.E. das Inter­esse der Verbrau­cher an über­sicht­lichen und einheit­lichen Gesetzen höher als das Inter­esse der Anbieter an der Dauer­ver­län­gerung von uralt-Verträgen.

Elek­tro­nische Kündi­gungen kommen etwas schneller

Nicht ganz so lange - nämlich "nur" ein Jahr bis Juli 2022 - müssen die Verbrau­cher auf eine weitere posi­tive Ände­rung des neuen Gesetzes warten: Ab dann müssen Anbieter, die den Vertrags­abschluss auf ihrer Website anbieten, dort auch eine Möglich­keit zur Kündi­gung vorsehen. Positiv ist, dass auch solche Verträge, die auf anderem Weg oder vor dem Inkraft­treten des neuen Gesetzes geschlossen wurden, über das Internet gekün­digt werden können - es muss sich ledig­lich um einen Vertrag handeln, der auch online vertrieben wird. Die ewige Suche nach der rich­tigen Kündi­gungs­adresse und das nervige Ausdru­cken und Absenden des Kündi­gungs­schrei­bens entfallen also künftig.

Halb­wegs gerettet

Im Vergleich zu dem Chaos, welches zwischen­zeit­lich geplant war, und das Zwei­jah­res­ver­träge und Einjah­res­ver­län­gerungen unter kompli­zierten Bedin­gungen durch die Hintertür ermög­licht hätte, ist die nun verab­schie­dete Fassung des Gesetzes defi­nitiv ein großer Fort­schritt. Sogar gegen­über der Origi­nal­ver­sion des Gesetz­ent­wurfs, der ein Jahr Lauf­zeit, drei Monate Vertrags­ver­län­gerung und einen Monat Kündi­gungs­frist vorge­sehen hatte, wurde ein Fort­schritt erzielt: Die drei Monate Vertrags­ver­län­gerung sind eben­falls gestri­chen. Nach Ablauf der Mindest­ver­trags­lauf­zeit kann man zu jedem Termin kündigen, zu dem man kündigen will. Man muss nur die Kündi­gungs­frist von einem Monat einhalten.

Geblieben ist leider die Mindest­ver­trags­lauf­zeit von zwei Jahren. Diese ist in vielen Fällen wenig sach­gemäß: Wenn man einen Mobil­funk­ver­trag ohne Smart­phone abschließt, dann benö­tigt der Anbieter keine zwei Jahre, um die Vertrags­abschluss­kosten wieder zu erwirt­schaften. Wird hingegen tatsäch­lich ein neuer Fest­netz­anschluss geschaltet oder mit dem Vertrag ein stark subven­tio­niertes Smart­phone gelie­fert, dann ist es für Verbrau­cher mögli­cher­weise sogar vorteil­haft, wenn die anfal­lenden Einmal­kosten auf eine zwei­jäh­rige statt auf eine nur einjäh­rige Mindest­ver­trags­lauf­zeit verteilt werden, weil dadurch die fakti­schen monat­lichen Rück­zah­lungen, die in den Grund­preis einge­rechnet werden, entspre­chend nied­riger ausfallen.

Ich war noch nie ein Freund der Handy­sub­ven­tionen und finde die grund­sätz­liche Tren­nung von Mobil­funk­ver­trag und Smart­pho­nekauf besser. Leider ist die Kopp­lung von Handy­kauf und Handy­ver­trag samt Handy­sub­ven­tion aber Realität. Eine einjäh­rige Lauf­zeit hätte entspre­chend ein Ansteigen des Elek­tro­schrott-Volu­mens zur Folge, weil mehr Handys nach nur einem Jahr getauscht werden würden. Das ist zumin­dest ein Argu­ment, bei der zwei­jäh­rigen Lauf­zeit zu bleiben. Durch die freie Kündi­gung danach wurde immerhin ein erheb­licher Fort­schritt für die Verbrau­cher erzielt.

Durch­schnitts­preise müssen nicht benannt werden

Ein Vorschlag der FDP-Frak­tion, künftig in der Werbung auch die Durch­schnitts­preise während der Mindest­ver­trags­lauf­zeit nennen zu müssen, wurde leider abge­lehnt: Die Regie­rungs­koali­tion stimmte geschlossen dagegen, Grüne, AfD und die Links­frak­tion enthielten sich der Stimme, sodass nur die FDP für ihren eigenen Vorschlag votierte. Dabei wäre dieser ein probates Mittel gegen die Unsitte gewesen, plakativ mit "9,99 Euro monat­lich" zu werben, wenn der Preis wenige Monate später auf 49,99 Euro monat­lich steigt.

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