Editorial: Lobby am Start!
Es war die zu erwartende Reaktion: Nachdem das Bundeswirtschaftsministerium unter Philipp Rösler (FDP) angekündigt hat, künftig die Netzneutralität festzuschreiben und auch gleich noch den Routerzwang diverser Internetprovider zu kassieren, hat sich die Lobby dagegen formiert. Nicht nur die Deutsche Telekom ist aus offensichtlichen Gründen gegen diese Regelung - sie will ja den eigenen Internet-Fernseh-Dienst Entertain von ihren Drosselplänen ausnehmen - sondern beispielsweise auch der Telekom-kritische Branchenverband VATM. Zwar sollten eigentlich gerade die kleineren Konkurrenten davon profitieren, dass der Traffic im Telekom-Netz anbieterneutral behandelt wird. Offensichtlich profitieren aber auch etliche der Konkurrenten mittlerweile davon, dass sie den Traffic im eigenen Netz mitnichten neutral weiterleiten und/oder den Endkunden eigene Router aufzwingen, in denen oft wichtige Einstellmöglichkeiten deaktiviert sind.
Editorial: Lobby am Start!
Bild: Pavel Morozov - Fotolia.com
Bezüglich Netzneutralität ist meine bereits
geäußerte Meinung, dass diese schon lange
unter die Räder gekommen ist. Insbesondere im Mobilfunk findet
umfangreiches Traffic-Shaping, Dienstepriosierung und Zwangsproxying
statt, teils mit dem Ziel, die Dienstequalität für die Mehrheit zu
verbessern, indem man sie für eine Minderheit (z.B. Filesharer) gezielt
einschränkt, teils aber auch mit dem Ziel, eigene hochpreisige
Dienste (z.B. mobile Sprachtelefonie) vor wesentlich günstigerer
Konkurrenz (z.B. VoIP über UMTS) zu schützen. Alles das würde
künftig wieder entfallen, sollte die Netzneutralität tatsächlich per
Verordnung des Wirtschaftsministerium wiederhergestellt werden.
Verletzung der Netz- und Endgeräteneutralität hat wirtschaftliche Gründe
Letztendlich hat die Verletzung der Netz- und Endgeräteneutralität also wirtschaftliche Gründe, entweder in Form der Vermeidung von Investitionen oder der Generierung zusätzlicher Umsätze. An beidem ist auch an sich nichts auszusetzen: Wirtschaftsunternehmen sind nunmal bestrebt, ihre Kosten zu senken und zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Problematisch wird es erst, wenn Unternehmen die Konkurrenz gezielt behindern. Auch das geht per Verletzung der Netzneutralität: Wenn Entertain von der Drossel ausgenommen wird, die Mediatheken der Fernsehsender selber aber nicht, dann haben letztere das Nachsehen.
Lässt man Einschränkungen der Netzneutralität weiterhin zu, um die Entwicklung differenzierter Produkte zu ermöglichen, ist aber eindeutig im Sinne der Verbraucher zu fordern, dass die zugehörigen Vorleistungen auf Großhandelsebene allen relevanten Marktteilnehmern zu gleichen, bei Bedarf auch regulierten, Bedingungen angeboten werden. Beispielsweise müssen die Provider-unabhängigen Videodienste dann das Recht erhalten, sich die Drossel-Befreiung zu denselben Konditionen von der Telekom zu kaufen wie Entertain. Sollte die Telekom dabei nicht nachweisen können, dass Entertain nachhaltig für die Entdrosselung bezahlt (und nicht zum Beispiel über die Verrechnung von Verlusten das Geld von wo ganz anders her kommt), dann ist auch der Konkurrenz die Entdrosselung kostenfrei anzubieten.
Auf der folgenden Seite erläutern wir, warum das ausdrückliche Verbot des Router-Zwangs wichtig ist und warum in einigen Fällen ein vorkonfigurierter Router sinnvoll sein kann. Außerdem fordern wir eine klare Entscheidung darüber, ob der Router dem Kunden oder dem Netzbetreiber gehört.