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Editorial: Wann wird Roaming wirklich günstig?

EU-Kommission zwischen echter Marktöffnung und Roaming-Sozialismus
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Manchmal kann man sich nur wundern, worüber Politiker sich wundern. Aktuell die EU-Kommission: Diese hat vor etlichen Jahren begonnen, festzulegen, wie teuer die Brötchen, äh, Roaming-Minuten, maximal sein dürfen. Und wundert sich nun, dass die Mobilfunkanbieter für Roaminggespräche genau so viel verlangen, wie vorgegeben. So sollen dann "ungerechtfertigt hohe Gewinnspannen" zustande kommen.

Roaming-Telefonat eines deutschen Kunden, der in Frankreich roamt, zu einem spanischen Handy Roaming-Telefonat eines deutschen Kunden, der in Frankreich roamt, zu einem spanischen Handy
Graphik: teltarif.de
Doch welchen Anreiz haben die Anbieter, einen niedrigeren Minutenpreis abzurechnen, als den gesetzlich maximal erlaubten? Es ist ja keineswegs so, dass ein Netzbetreiber vor Ort im Urlaubsland damit werben kann: "Roamt über mich, denn es ist billiger als mit der Konkurrenz!" Die Roaming-Rechnung schreibt nämlich der Netzbetreiber im Heimatland - unabhängig davon, was der Anbieter vor Ort für die Mitbenutzung seines Netzes verlangt. Der Netzbetreiber im Heimatland wiederum verkauft seine Tarife über die Preise, die für Gespräche im eigenen Land gelten, denn da sind nunmal die meisten Kunden die meiste Zeit.

Die EU-Kommission hat es verpasst, zeitgleich mit der Einführung der Roaming-Entgelt-Limits auch den Markt zu öffnen, und wundert sich nun über den Sozialismus, den sie doch selbst gerufen hat. Dabei mangelte es nicht gerade an Warnungen auch von anderen Marktbeobachtern.

Die einfache Lösung: Marktöffnung!

Dass Roaming-Minuten zu einem Vielfachen des Preises von normalen Mobilfunk-Sprachminuten gehandelt werden, steht außer Zweifel. Insofern ist die Analyse der EU-Kommission von den hohen Roaming-Gewinnspannen richtig. Es ist also viel Luft nach unten. Aber Anbieter werden erst dann anfangen, diesen Spielraum auch zu nutzen, wenn es einen funktionierenden Wettbewerb für Roaming-Dienstleistungen gibt. Dazu gehört ein Markt, auf dem sie Roaming-Minuten en gros günstig einkaufen und dann individuell an ihre Kunden mit entsprechendem Handelsaufschlag weiterverkaufen können. Und auf dem die Händler eine Chance haben, durch günstigere Preise für ihre Kunden auch neue Kunden zu akquirieren.

Aktuell hapert es schon beim Einkauf. Die regulierten Roaming-Vorleistungsentgelte liegen nämlich beim Vielfachen der normalen Mobifunk-Terminierungsentgelte. Sie enthalten nicht nur die Leistung der Mitnutzung des Roaming- bzw. Gastnetzes, sondern auch die Zustellung des Telefonats zum eigentlichen Gesprächsziel. Roaming-Discountern wird es somit unmöglich gemacht, ihre eigene, möglicherweise deutlich günstigere, Infrastruktur für diesen Zweck zu nutzen.

Die zentrale Forderung: Günstig aus dem Gastnetz wegkommen!

Somit ist die zentrale Forderung an die EU-Kommission, ein alternatives Roaming-Verfahren einzuführen, bei dem abgehende Roaming-Telefonate zu einem vom Heimnetzbetreiber festgelegten Übergabepunkt zwischen Gastnetzbetreiber und Heimnetzbetreiber geleitet und dort vom Heimnetz übernommen werden. Hierfür erhällt das Gastnetzbetreiber exakt dasselbe (regulierte) Entgelt, wie es für die Zustellung (Terminierung) eines normalen Gesprächs zu einem nicht roamenden Kunden des Gastnetzes anfallen würde. Mit Ausnahme der Richtung des Verbindungsaufbaus (gehend vs. kommend) handelt es sich nämlich um dieselbe Leistung. Auch die Roaming-Terminierung (der roamende Kunde nimmt im Ausland einen Anruf entgegen) sollte zum selben Preis erfolgen.

Gibt es keinen direkten Übergabepunkt zwischen Gast- und Heimnetzbetreiber, muss der Heimnetzbetreiber einen geeigneten Transitnetzbetreiber benennen, der über (mindestens) einen Übergabepunkt mit dem Gastnetzbetreiber verfügt. Das Gespräch wird dann erstmal dorthin geleitet. Transit- und Heimnetzbetreiber können dann ihrerseits aushandeln, wie das Gespräch weiter geroutet wird. Natürlich muss der Heimnetzbetreiber die Kosten des Transit-Netzbetreibers zusätzlich bezahlen. Eine Regulierung ist hierfür aber nicht erforderlich, da der internationale Transit-Markt stark umkämpft ist.

Am Ende sind es diverse Kosten, die dem Heimnetzbetreiber so entstehen: Roaming-Originierungsentgelt, Transit-Netz (oder alternativ eigene Leitungen zum Gastnetz), eigenes Netz, dann die Terminierung zum eigentlichen Gesprächsziel, evtl. wieder über ein Transit-Netz, Mehrwertsteuer, Vertriebskosten und natürlich eine Gewinnspanne. Dennoch erscheinen auf diesem Weg Endkundenpreise von 10 Cent pro Minute für Roaming-Telefonate in ein europäisches Festnetz und von 15 bis 20 Cent pro Minute für Roaming-Gespräche in ein europäisches Mobilfunknetz möglich.

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