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Editorial: EU führt Roaming-Sozialismus weiter

Vorgeschriebene Preise statt mehr Wettbewerb
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EU-Kommissarin Reding will es gern übersichtlich. Deswegen fordert sie eine europäische Regulierungsbehörde. Doch eine entsprechende Super-Behörde, die in allen Ländern bei Bedarf Vorleistungs- und Endkundenentgelte vorschreiben könnte, ist vorerst am Widerstand des EU-Parlaments gescheitert. Ganz vom Tisch sind die Pläne aber nicht, es soll nun eine schlanke Agentur für Regulierung geschaffen werden, die die nationalen Regulierer beraten und koordinieren soll. Es wäre aber keine für Europa ungewöhnliche Entwicklung, wenn diese Agentur nicht doch im Laufe der Jahre deutlich "fetter" wird, und zwar sowohl beim Etat als auch bei Aufgaben und Einflussmöglichkeiten.

Auch sonst sind die derzeit geplanten EU-Tk-Regeln alles andere als einfach: EU-Roaming-SMS, also Kurznachrichten vom EU-Ausland in ein anderes EU-Land, sollten künftig wie derzeit schon für EU-Roaminganrufe auf Vorleistungs- wie auf Endverbraucherebene einer Preisbeschränkung unterliegen. Für Roaminganrufe wird ab 2012 ein weiterer Preisschritt vorgegeben, zudem die sekundengenaue Abrechnung (eingehende Verbindungen, also Weiterleitungen aus dem Heimatland) bzw. der 30/1-Takt (abgehende Verbindungen) eingeführt. Für mobile Datentransfers sollen hingegen vorerst nur die Vorleistungsentgelte gesetzlich festgelegt werden. Dafür sollen Verbraucher die Möglichkeit erhalten, eine monatliche Rechnungsobergrenze festzulegen, wohl aber nur für Datenverbindungen.

Definitiv sind alle genannten Maßnahmen vorteilhaft für die Verbraucher: Roaming ist überteuert, egal, ob Sprachverbindungen zu Festnetz- oder Mobilrufnummern, Sprachverbindungen zu Servicerufnummern, SMS zu anderen Handys, SMS zu Servicenummern, MMS oder mobiler Internetzugang. Doch ist die gewählte Umsetzung per "Roaming-Sozialismus", staatlich verordneter Verbraucherpreise, wenig sinnvoll. Das beginnt schon damit, dass nur drei der vorgenannten sechs Dienste reguliert werden, und auch nur für Verbindungen vom Ausland, nicht für Verbindungen ins Ausland, wo bei den meisten Verträgen und Prepaidkarten weiterhin kräftig abkassiert wird. Kostenfallen für die Verbraucher bleiben also genug!

Mal schnell ins ausländische Netz einbuchen!?

In der DDR war es nicht unüblich, frische Brötchen an Schweine zu verfüttern. Fleisch war knapp und private Viehhaltung eine legale Alternative. Doch weil Brot billiger war als Getreide oder anderes geeignetes Futter, wurde eben dieses verfüttert. Schlecht für den Staat, der vorher mit hohem personellen und energetischen Aufwand das Getreide gemahlen, zu Teig gemischt und gebacken hatte.

Die EU-Roaming-Regeln können nun zu ähnlichen Effekten auch bei Handynutzern führen: Wenn man in Grenznähe ist, dann mal schnell ins ausländische Netz einbuchen, um eine SMS oder einen internationalen Anruf zu tätigen. Der technische Aufwand steigt dabei zwar, doch liegen die EU-Roaming-Tarife in vielen Fällen 60 Prozent oder gar noch mehr unter den unregulierten Preisen vieler Verträge und Prepaid-Karten hierzulande.

Andererseits sind die EU-Roaming-Tarife auch nicht wirklich günstig. Auf Auslandsanrufe spezialisierte Prepaid-Karten bieten Telefonate in zahlreiche Länder für 9 Cent pro Minute an. Dieser Preis liegt fast 84 Prozent unter dem Roaming-Tarif! Wer regelmäßig in ein bestimmtes Land fährt, profitiert davon, sich dort eine SIM eines solchen Auslands-Discounters zuzulegen, um günstig telefonieren zu können. Leider erschweren auch die immer härteren Vorgaben der EU zur Vorratsdatenspeicherung zunehmend den SIM-Erwerb in Ländern, in denen man nicht gemeldet ist.

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