Smart Home

Smartes Haus in Hamburg nimmt den Mietern vieles ab

Ein Haus in Hamburg wurde vom Bauherrn technisch derart aufgerüstet, dass die Mieter sich um nicht mehr viel selbst kümmern müssen.
Von dpa / Paul Miot-Paschke

Der Xing-Gründer und Bauherr des "Apartimentum", Lars Hinrichs, steht am 01.08.2016 in Hamburg im Treppenhaus des "Apartimentum" Der Xing-Gründer und Bauherr des "Apartimentum", Lars Hinrichs, steht am 01.08.2016 in Hamburg im Treppenhaus des "Apartimentum"
Foto: dpa
Von außen sieht das frisch renovierte Mietshaus aus wie manch anderer herrschaftliche Gründerzeit-Altbau in Hamburgs vornehmer Wohngegend Rotherbaum an der Außenalster. Doch es hat es in sich: Bauherr Lars Hinrichs hat es quasi durchdigitalisiert. Der frühere Xing-Eigentümer, der durch den Verkauf des Internet-Netzwerks zum Multimillionär wurde, hat namhafte Hersteller von Wohnraumtechnik und Haushaltsgeräten zusammengeholt und mit ihnen ein vernetztes Haus gebaut - "eine Pionierarbeit", attestiert ihm der Hamburger Informatik-Wissenschaftler Kai von Luck. Mit dem Einzug der ersten Mieter im Herbst steht das Gebäude vor seiner Bewährungsprobe.

Haus wird über etwa 14 Apps gesteuert

Der Xing-Gründer und Bauherr des "Apartimentum", Lars Hinrichs, steht am 01.08.2016 in Hamburg im Treppenhaus des "Apartimentum" Der Xing-Gründer und Bauherr des "Apartimentum", Lars Hinrichs, steht am 01.08.2016 in Hamburg im Treppenhaus des "Apartimentum"
Foto: dpa
Muss der Mieter ein Technikfreak sein oder einen Intelligenztest absolvieren, um einziehen zu können? "Wenn Sie ein Smartphone bedienen können, funktioniert die Wohnung", beteuert Hinrichs. Dafür gibt es ein Profil mit etwa 14 Apps, vorkonfiguriert für das neue Appartement - quasi der Butler des Mieters. Es teilt unter anderem mit, wie hoch Strom- und Wasserverbrauch sind, wie es um die Raumtemperatur bestellt ist, dass der Fahrstuhl da ist. "Vom Küchenhersteller bekommen Sie die Anleitung, wie das Rindfleisch am Besten gelingt", berichtet der 39-Jährige. Wird der Herd angestellt, soll gleichzeitig die Dunstabzugshaube automatisch anspringen.

Hinrichs, Hamburger Spross einer Bäckerfamilie, war schon im Internet, als für Mitschüler das World Wide Web noch ein Buch mit sieben Siegeln war. "Ich habe mich eher für die digitalen Brötchen interessiert", sagte der Computerfreak der Wochenzeitung Die Zeit im Januar. iPads zur Steuerung der Technik und USB-Anschlüsse sind in seinen Wohnungen zuhauf zu finden.

Mieter sollen inkognito bleiben

Was manche als technischen Schnickschnack abtun, war für Hinrichs eine wohlüberlegte Investition. 35 Millionen Euro? "Es ist ein bisschen mehr geworden." Auch zur genauen Zahl seiner Erstmieter für die zunächst 20 fertigen Wohnungen, geschweige denn, wer dort einzieht, äußert sich der Manager hanseatisch zurückhaltend nicht. Wer für 110 Quadratmeter und mehr im Haus oder für mehr als 200 Quadratmeter im Penthaus - rund 30 bis 40 Euro pro Quadratmeter Monatsmiete hinlegt, soll inkognito bleiben.

Für sein "Apartimentum" hat der Immobilienmakler Hinrichs griffige Werbebotschaften parat, schließlich sollen etwa heute hier, morgen dort lebenden Manager, Sportler, Wissenschaftler oder Künstler auf seine Wohnungen in Nachbarschaft eines künftigen Edelhotels anspringen. "Das Luxusgefühl aus dem Eigentum - Kubikmeter Lebensqualität nennen wir das - in bester Lage für befristete Zeit zum Flat-Tarif." Bei diesem Tarif sind bei Vermieter Hinrichs die Nebenkosten inklusive, egal wie hoch der Verbrauch von Wasser, Strom, schnellem Internet oder Mobilfunk ist.

Waschmaschine lässt sich von unterwegs einschalten

Vor allem Internet und Mobilfunk sind für die Bewohner wichtig. So lässt sich von unterwegs die Waschmaschine einschalten, die die Pulver-Zufuhr und Schleuderzahl selbstständig analysieren soll. Die Badewanne, bei der es kein Überlaufen geben soll, kann der Mieter aus der Ferne einlassen. An den Fenstergriffen erkennen Sensoren, dass sie geöffnet sind und dann wird die Frischluftzufuhr über die Bodenschlitze gestoppt. Auch das Licht passt sich den Angaben zufolge automatisch an die Uhrzeit an: Morgens weckt es taghell, abends bietet es Kerzenlicht-Atmosphäre. "Das gesamte Haus ist in der Cloud. Sämtliche Geräte, ob Lüftungstechnik oder Wärmeerzeugung, ob Licht oder Türtechnik - alles ist in der Cloud, auf verteilten Servern.", sagt Hinrichs.

Apropos Türen: Sie werden ohne Schlüssel geöffnet. Die Wohnungstür wird vom Mieter per Smartphone über Bluetooth geöffnet. Besucher erhalten einen Zutrittscode gepostet. Auch Briefkasten und Paketbox sollen dem Mieter automatisch eine Mitteilung über angekommenen Post schicken.

Professor zollt Respekt

Der Professor für Angewandte Informatik Luck, der im Labor "Living Place" der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) selbst über das Wohnen von Morgen mit neuen Technologien forscht, zollt dem Vorreiter Respekt. "Er hat einen Protoypen geschaffen, der nun unter Realbedingungen funktionieren soll. Und er hat als Pionier alle Gewerke zusammengebracht." Zwar habe es etliche technische Anwendungen schon Einzeln gegeben, aber noch nicht in diesem Zusammenspiel. Er sei gespannt, wie sich die gesamte Technik warten lässt, ergänzt von Luck.

Dass sich die Fertigstellung des vor knapp drei Jahren gestarteten Baus, der hinter der Fassade völlig entkernt war, um Monate verschoben hat, wird am Ende Geschichte sein. "Ich habe dieses Haus bereits 2009 gekauft und es schon mindestens zehn Mal verflucht", räumt Hinrichs ein, Streit über Denkmalschutz und mit Nachbarn waren inklusive. "Aber es gibt auch viele schöne Momente, wie jetzt mit den Interessenten." Wenn das Haus komplett vermietet sei, habe er eine Rendite deutlich über Marktniveau, ergänzt der Bauherr.

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