davorgesetzt

Editorial: Unsere tägliche Lizenzvereinbarung gib uns heute!

Immer länger, immer nichtssagender
Von

36-seitige EULA für FIFA12 von Electronic Arts 36-seitige EULA für FIFA12
von Electronic Arts
Bild: teltarif.de
Gott hat es geschafft, die wichtigsten Regeln für die Menschheit in zehn Geboten zusammenzufassen. Ganz anders die Hersteller von Software: Selbst für das allerkleinste Tool, dass sich jedermann kostenlos herunterladen kann, muss man bei der Installation einer Lizenzvereinbarung mit mindestens zehn Punkten mit gefühlt je zehn Unterpunkten, insgesamt also über hundert Einzelregelungen, zustimmen. Und diese sind alle im allerbesten juristischen Kauderwelsch geschrieben, leidlich übersetzt aus dem Englischen..

36-seitige EULA für FIFA12 von Electronic Arts 36-seitige EULA für FIFA12
von Electronic Arts
Bild: teltarif.de
Das Kalkül der Software-Anbieter dahinter ist klar: Je länger und je verklausulierter die Lizenztexte sind, desto geringer ist die Gefahr, dass sich das wirklich jemand durchliest. Die Anwender drücken einfach nur auf "akzeptieren", und hoffen, dass sie so im Tausch für ein neues Tool "nur" die Hoheit über ihre Daten und ihren PC verkaufen, und sich nicht auch noch um Haus und Hof bringen.

Liest man den Text doch durch, erfährt man bei Microsoft so weltbewegende Sachen wie die, dass man das eben heruntergeladene Programm nicht zusammen mit bösartiger Software weitervertreiben darf und auch die Urheberrechtshinweise im Programm nicht ändern darf. Wäre das etwa erlaubt, wenn es nicht ausdrücklich in der Lizenzvereinbarung verboten wäre? Putzig auch, wie Adobe einen "Computer" als "virtuellen oder physischen elektronischen Arbeitsplatzrechner" definiert. Ist für die ein Heim-PC etwa kein Computer?

(Fast) alles verboten

Andere Punkte tragen da schon mehr Konfliktpotenzial in sich: Adobe verbietet etwa, den Reader auf einem Dateiserver zu installieren. Wer also aus Versehen eine Netzwerkfreigabe für das "Programme"-Verzeichnis oder gar die gesamte Festplatte seines Computers erstellt, hat sich gemäß den Adobe-Reader-Lizenzbedingungen bereits versündigt. Selbst, wenn auf diesem Weg gar keine Kopie des Readers erzeugt wird. Und selbst wenn der Reader kopiert wird: Adobe ist doch daran interessiert, dass der auf möglichst vielen PCs installiert wird, nicht auf möglichst wenigen!

Während der Nutzer also schon per einfachem Fehler gegen die Software-Lizenzbedingungen verstoßen kann, bedingt sich der Software-Herausgeber meist aus, für keinerlei Fehler zu haften, auch nicht für grobe. Wenn durch Software-Fehler Daten vernichtet werden oder sich Trojaner ins System einschleichen: Lauf Lizenzbedingungen alles ein Problem des Anwenders, nicht des Software-Herstellers!

Zwar findet sich in vielen Software-Lizenzverträgen ein Ausschluss des Ausschlusses der Haftung für Deutschland und Österreich, um zumindest den hierzulande gültigen minimalen gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. Doch am Ende ist die Deutschland-und-Österreich-Zusatzklausel vor allem ein weiterer Schritt auf dem Weg zum oben genannten Ziel, möglichst lange und unverständliche Lizenzbedingungen zu produzieren. Und was nutzt der Ausschluss vom Ausschluss, wenn er sich nur auf einen Teil der Einschränkungen bezieht?

Der ganz besondere Witz der Rechtsbeistände der Software-Anbieter kommt in Klauseln zum Ausdruck, wonach die Software "wie besehen" lizensiert wird: Zu dem Zeitpunkt, wo man dieser Regelung zustimmen soll, hat man nicht mehr gesehen, als den Lizenzzustimmungs-Dialog. Wer den so toll findet, dass er ihn lizensieren möchte, dem sei das unbenommen. Alle anderen, die sich für den Rest der Software interessieren, bleibt nichts anderes, als den noch nicht besehenen Teilen als besehen zuzustimmen.

Keine Besserung in Sicht

Eine Hoffnung auf Besserung, dass der Software-Nutzer künftig übersichtlichen, verständlichen, in sich widerspruchsfreien und mit einer fairen Rechte-und-Pflichten-Verteilung verbundenen Lizenzbedingungen zustimmen muss, gibt es nicht. Papier ist bekanntermaßen geduldig. Bits und Bytes sind noch geduldiger. Und so werden die Software-Anbieter ihre Bedingungen immer weiter verlängern, um auch noch das letzte Iota zu Lasten der Nutzer auszuschließen. Bleibt zu hoffen, dass im Gegenzug nicht nur die Anwender, sondern auch die Gerichte den Wortlaut der Lizenzbedingungen zunehmend ignorieren und stattdessen nach allgemeiner Copyright-Gesetzeslage urteilen. So, wie in der Vergangenheit schon geschehen, beispielsweise, als der BGH den Weiterverkauf von entbündelten Betriebssystem-Lizenzen ausdrücklich erlaubte. Die textuelle Aufrüstung und Spezialiserung verkehrt sich so ins Gegenteil.

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