Doppelt kassieren?

Editorial: Wer zahlt für die Video-Datenmengen?

Die Telekom fordert mehr Geld für die Verteilung von Inhalten in der Fläche. Netflix, Youtube und Co. lehnen die Zahlung ab. Mit Recht?
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Bild: Netflix
Der Streit geistert in dieser oder ähnlicher Form seit Jahren durch die Medien: Wer zahlt für die großen Datenmengen, die beim immer beliebteren Video-Streaming anfallen? Nun, Deutsche Telekom, Vodafone (inklusive Kabel Deutschland) und Co. können grundsätzlich an zwei Punkten ihrer Netze jeweils die Hand aufhalten: Dort, wo die Daten ins Netz reinströmen, und dort, wo sie wieder rauskommen.

Bei den großen unabhängigen internationalen Internet-Backbone-Betreibern ist es tatsächlich üblich, dass sie die Hand an beiden Enden aufhalten und Entgelte für die benutzte Bandbreite berechnen, wobei sich die Bandbreite aus dem Maximum von eingehender und ausgehender Datenmenge bestimmt. Anders hingegen bei Kundennetzen: Hier tragen die Endkunden den überwiegenden Teil der Transferkosten, während die großen Serverfarm-Betreiber ihren Traffic über das so genannte Peering vergleichsweise günstig einspeisen können. Dabei bezahlen beide Partner nur die Kosten, um die Daten im eigenen Netz von und zum jeweiligen Austauschpunkt zu übertragen. Die Kosten des Austauschpunkts selber werden geteilt.

So einfach das Peering-Kostenmodell ist, weckt es doch Begehrlichkeiten. Denn die tatsächlichen Investitions- und Betriebskosten für das Netz sind stark asymmetrisch: Ein Serverfarm-Betreiber wie 1&1 oder Strato, bzw. ein Streaming-Portal wie Youtube oder Netflix braucht nur ein sehr grobmaschiges Netz, das deutschlandweit ca. ein dutzend Peeringpunkte abdeckt, während die Festnetz-Betreiber tausende Vermittlungsstellen und zehntausende Outdoor-DSLAMs anbinden müssen. Daher fordern die Festnetzbetreiber (und weniger lautstark auch die Mobilnetzbetreiber), dass sich die Inhalteanbieter an den Infrastrukturkosten beteiligen sollen.

Wo befindet sich der faire Peeringpunkt?

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Und tatsächlich kann man sich über die Aufteilung der Infrastrukturkosten streiten. Die grundsätzliche Frage ist nämlich: Wo liegt der faire Peeringpunkt zwischen zwei Anbietern? Die Telekom könnte ja auf die Idee kommen, das Peering in ihren zentralen Datenzentren abzulehnen und stattdessen künftig auf Ebene der Vermittlungsstellen anzubieten. Die Inhalteanbieter müssten dann auf ihre Kosten ein eigenes Backbone aufbauen, das alle Telekom-Vermittlungsstellen erschließt. Alternativ könnten die Inhalteanbieter die Transferleistung vom zentralen Datenzentrum zur Vermittlungsstelle von der Telekom kostenpflichtig einkaufen. Noch extremer wäre die Forderung, sogar einzelne Outdoor-DSLAMs oder Kabelverzweiger als Peeringpunkte direkt anzubinden.

Es gibt aber gute Argumente gegen die Peeringpunkt-Inflation, und das ist die bisher übliche Geschäftspraxis bei Internetzugängen: Wenn ein DSL-Nutzer einen Server in Australien ansurft, dann stellt der DSL-Anbieter ja auf seine Kosten die Verbindung nach Australien her. Entweder, indem er eigene Kapazität in internationalen Glasfasernetzen angemietet hat, oder über einen der bereits genannten internationalen Backbone-Betreiber. Bisher wurde von Server-Betreibern also überhaupt nicht verlangt, wohnortnah zu den Endkunden zu peeren! Warum soll das bei Netflix, Youtube, Google und Co. plötzlich anders werden?

Aus Kundensicht hängt es vom eigenen Streaming-Verhalten ab, ob es besser wäre, dass die Branche am Status Quo mit wenigen Peeringpunkten festhält oder sich die Inhaltanbieter künftig stärker an der Infrastruktur beteiligen. Wer viel streamt, profitiert derzeit vom Status Quo. Sollten freilich Volumen-Beschränkungen auch im Festnetz zur Regel werden, dreht sich die Situation um: Für Vielstreamer wäre es dann wahrscheinlich besser, Netflix, Youtube und Co. würden mit der Telekom den Tempotarif verhandeln, denn die großen Inhalteanbieter haben mehr Marktmacht als der einzelne Kunde. Zwar würde Netflix die anteiligen Transfer-Kosten, die sie an Telekom oder Vodafone bezahlen, auf den monatlichen Abopreis umlegen. Aber der Kunde darf dann zurecht erwarten, dass das Netflix-Volumen nicht der Drosselung unterliegt! Wer derzeit wenig streamt, und das auch künftig nicht vorhat, würde wahrscheinlich ebenfalls profitieren, wenn sich die Inhalteanbieter an den Transferkosten beteiligen, weil er so auf günstigere Internetzugänge hoffen darf.

Es wird sich wenig ändern

Letzten Endes handelt es sich bei den vorgenannten Ausführungen aber um reine Gedankenspiele. Die Politik wird nicht am aktuellen Status Quo rütteln, weil sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, die Meinungsfreiheit zu beschneiden, indem sie Inhalteanbieter stärker an den Infrastrukturkosten beteiligt. Die Regulierung wird der Vorgabe der Politik in diesem Punkt folgen. Und die Tk-Anbieter werden es ebenfalls nicht einseitig schaffen, die Inhalteanbieter zum Zahlen zu bewegen. Ohne Zwang zahlt niemand, und mit Zwang - nämlich einer wie auch immer gearteten Bestreikung der Auslieferung von besonders datenträchtigen Inhalten - scheitern die Netzbetreiber an der Regulierung, Stichwort Netzneutralität.

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